Zahl der Flutopfer auf 190 gestiegen – Mehrere Stimmen fordern Umdenken beim Wiederaufbau
Bei der Hochwasser-Katastrophe in der letzten Woche sind nach letzten Angaben mindestens 190 Menschen ums Leben gekommen. Darunter sind 132 Tote im Kreis Ahrweiler, 47 in NRW und ein Todesopfer jeweils in Bayern und Sachsen. Dabei wurde im Kreis Euskirchen und in Belgien die Opferzahl jeweils um eins nach unten korrigiert, weil die Betroffenen aus anderen Gründen gestorben waren.
Die Polizei Koblenz teilte am Samstag mit, in ihrem Einsatzbereich seien Hunderte Privathäuser, 62 Brücken und 14 Schulen zerstört, 9 Kitas seien beschädigt. Allein im Ahrtal seien 7.500 Einsatzkräfte tätig. Vielerorts wurde aber auch über einen regelrechten Ansturm an privaten Helfern berichtet, die Straßen seien teilweise verstopft.
„Menschen haben gewusst, wie viele Liter Wasser auf sie zukommen“
Tipps gab es von Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper, der den zerstörten Gemeinden im Hochwasserkatastrophengebiet in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vor einem schnellen Wiederaufbau der Häuser an gleicher Stelle abriet. „Ich könnte in einem Haus, das fast weggeschwemmt wurde oder in dem vielleicht jemand zu Tode gekommen ist, nicht mehr ruhig schlafen“, sagte Trümper dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Er habe selbst zwei Hochwasser in seiner Amtszeit miterlebt. „Das Hochwasser kann jederzeit wiederkommen und nachhaltige Schutzmaßnahmen sind in diesen Gebieten nicht möglich. Da kann man nicht einfach Deiche bauen.“ Trümper ist nicht der Meinung, dass die Menschen in den Hochwassergebieten zu wenig gewarnt worden seien. „Die Menschen haben gewusst, wie viele Liter Wasser auf sie zukommen. Das lief doch Tage vorher schon im Radio hoch und runter.“
Er glaube nicht, dass die Menschen freiwillig ihre Häuser verlassen hätten, wenn noch mehr gewarnt worden wäre. Menschen nähmen solche Warnungen nicht ernst, wenn ihnen noch nie Vergleichbares passiert sei. „Wir dachten damals beim Hochwasser 2002 auch: Das wird schon nicht so schlimm werden“, sagte Trümper. Niemand habe damals damit gerechnet, dass in Magdeburg so etwas passieren könne.
„Wir hatten eine panische Angst, weil wir überhaupt keine Erfahrungen hatten. Damals haben wir uns versucht mit völlig unsinnigen Maßnahmen zu schützen. Wir haben zum Beispiel versucht eine Mauer aus Paletten auf den Deichen zu Bauen.“ Es sei Glück gewesen, dass das Hochwasser damals nicht so schlimm wurde, wie angekündigt.
Polizei beklagt massive Verkehrsstörungen
Für die Einsatzkräfte und Helfer in den Hochwassergebieten Deutschlands gestaltet sich die Lage zunehmend schwieriger: Das Technische Hilfswerk (THW) berichtete am Samstag von massiver Verkehrsstörungen. Besonders im Ahrtal steckten Baumaschinen und Rettungsfahrzeuge fest. Krisenstab und Polizei in Koblenz forderten freiwillige Helfer daher dringend dazu auf, vorerst nicht ins Überschwemmungsgebiet mit eigenem Fahrzeug zu reisen oder auf andere Orte auszuweichen.
In den Überschwemmungsgebieten ist indes nach Einschätzung der Behörden die Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung „weiterhin überwältigend und ungebrochen“. Allerdings seien dadurch sämtliche Zufahrtsstraßen zum Ahrtal sowie Straßen im Katastrophengebiet selbst „völlig überlastet“, hieß es am Samstagvormittag.
Daher stünden auch Baumaschinen, die für den Straßen- und Brückenbau sowie für die Trinkwasserversorgung benötigt würden, im Stau. Fahrzeuge für den Abtransport von Müll und Bauschutt sowie Rettungsfahrzeuge kämen ebenfalls nicht durch.
Städte- und Gemeindebund mahnte zum Umdenken beim Wiederaufbau
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund mahnte zum Umdenken beim Wiederaufbau. „Man wird das nicht so eins zu eins wieder aufbauen in den ganz kritischen Lagen wie es vorher war“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg im Deutschlandfunk. Das sei „hart für den Eigentümer“, gestand Landsberg ein, verwies aber unter anderem auf die Katastrophe im sächsischen Grimma 2002. Dort sei den Menschen damals ein anderes Grundstück angeboten worden.
Wenn das nicht gehe, müssten beim Wiederaufbau andere Anforderungen an den Hochwasserschutz gestellt werden, sagte Landsberg. Das betreffe etwa den Bau der unteren Geschosse und die Höhe von Brücken.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte unterdessen die Einrichtung eines „ständigen Krisenstabs“. Zwar seien die föderalen Strukturen im Katastrophenschutz richtig und Naturkatastrophen „wirken oft lokal“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ vom Samstag. „Aber auch die Bündelung aller Informationen ist sehr wichtig.“ Daher müsse das Bundesamt für Katastrophenschutz gestärkt werden. Nötig sei ein „ständiger Krisenstab Naturkatastrophen in Kombination von Bund und Ländern“.
Flutopfer in Sachsen
Auch nach den Unwettern in Sachsen hat sich der Tod eines seither Vermissten bestätigt. Wie die Polizeidirektion Chemnitz am Freitagabend mitteilte, wurde die Leiche des 53-Jährigen im Uferbereich der Preßnitz aufgefunden. Der Mann war am 13. Juli im Ortsteil Steinbach der Ortschaft Jöhstadt im Erzgebirgskreis in das Gewässer gestürzt und von den Wassermassen mitgerissen worden.
Nach ihm war seither zunächst vergeblich gesucht worden. Dabei wurde zeitweise auch ein Hubschrauber eingesetzt. Auch an anderen Orten der Region hatte es schwere Unwetter gegeben, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie im Westen Deutschlands. (dts/afp)
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