Wohnprojekt in Berlin: Bezahlbare Mieten für lesbische Frauen
Wenn man auf Wohnungssuche in Berlin-Mitte ist und sich irgendwo zwischen Rotem Rathaus, Gendarmenmarkt und Monbijoupark ansiedeln möchte, kann es als Normalverdiener schon mal schnell zu einem ernüchterten Aufgeben oder zur Neuorientierung in Richtung eines Randbezirkes kommen. Denn in der Mitte der Hauptstadt werden durchaus Quadratmeter-Preise um die 25 Euro und mehr aufgerufen. Der durchschnittliche Mietpreis in Berlin lag Ende Mai 2023 bei 26,71 €/m².
Ein kurzer Check auf Immobilienportalen zeigt, dass kaum Wohnschnäppchen zu finden sind, stattdessen gerade in der Gegend fast nur Wohnangebote dieses Kalibers: „City-Apartment im Herzen Berlins!“ 54 Quadratmeter, aufgeteilt in zwei Zimmer für 1.500 Euro kalt, 1.790 Euro warm. Echtholzparkett, Regendusche und ein Kellerraum werden als besondere Ausstattungsmerkmale angepriesen, und es gibt einen repräsentativen Empfangsbereich mit Concierge, und, ach ja, das Schlafzimmer hat bodentiefe Fenster.
Für Lesben: Dumping-Mieten in bester Wohnlage
Beim Finden günstigen Wohnraums in Berlin kann jetzt aber auch die richtige sexuelle Orientierung hilfreich werden. In der Hauptstadt gibt’s bald „in bester Innenstadtlage“ ein achtgeschossiges Haus mit 72 Wohnungen nur für homosexuelle Frauen. Der Schlüssel zum Wohnen mit einem Quadratmeter-Schnäppchen-Preis heißt: Ich bin eine Frau und liebe Frauen, kurz: „Ich bin lesbisch.“
Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH (WBM) gibt unter der Überschrift „Nachhaltige Quartiersentwicklung“ bekannt, dass sie „zusammen mit der gemeinnützigen Kooperationspartnerin ,Rad und Tat gGmbH’ (RuT) einen Neubau zur Realisierung eines integrativen lesbischen Generationen-Wohnprojekts mit soziokulturellem Zentrumscharakter errichtet“. Die geplante Fertigstellung des Hauses in der Berolinastraße in Mitte soll im Oktober 2025 sein.
Staatlich gefördert: Sexuelle Orientierung als Mieterkriterium
Ziel sei auch die Schaffung eines „lebendigen und offenen Zentrums“ mitten in Berlin. „Offen“ wird in diesem Fall so beschrieben: Die Frauen sollen hier „in einer diskriminierungsfreien und nachbarschaftlichen Umgebung ein gutes Leben führen und ihr Alter genießen können“. Ergänzend zum geplanten Kulturzentrum von der Lesbeninitiative RuT seien im Erdgeschoss ein Kiez-Café, Beratungsräume sowie Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Nachbarschaftstreffs geplant.
Jede einzelne Wohnung in dem Projekt soll zu bezahlbaren Mieten angeboten werden. Die Hälfte der Wohnungen, 35, in dem „inklusiven generationsübergreifenden lesbisches Wohnprojekt“ wird gezielt durch die öffentliche Hand gefördert. So sollen Einstiegsmieten ab 6,90 Euro pro Quadratmeter gewährleistet werden. Unter den Wohnungen sind fünf rollstuhlgerechte Wohnungen vorgesehen sowie eine Wohngemeinschaft mit acht Plätzen für Frauen mit Pflegebedarf.
Typisch Berlin: Deutliches Zeichen für Unterstützung der lesbischen Gemeinschaft
Das Projekt wird von der Lesbeninitiative RuT, die auch ihre Räumlichkeiten in die Berolinastraße verlegen wird, seit Jahren geplant und nun umgesetzt. Für Jutta Brambach, Geschäftsführerin der RuT, steht das „europaweit wegweisende Projekt“ für „lesbische und queere Sichtbarkeit und Gendergerechtigkeit“. Hier werde erlebbar, wie gewinnbringend Diversität für die Gesellschaft ist und dass das Projekt dazu beitrage, „der strukturellen Benachteiligung von Frauen/Lesben entgegen zu wirken“.
Als „queer“ bezeichnen sich Menschen, die sich mit nicht traditionellen Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten identifizieren. Der Lesbenverein RuT hatte gewünscht, das Haus in Lila oder in Regenbogenfarben anzustreichen, aber so „offensichtlich“ sollte die Gesinnung hinter dem Bauprojekt dann doch nicht werden: Dem Ansinnen wurde nicht stattgegeben, mit der Erklärung, dass dies nicht zum Stadtbild passe.
Bezirksstadtrat für Bauentwicklung Ephraim Gothe (SPD) spricht von der Verwirklichung innovativer und zukunftsweisender Wohnkonzepte und verlautbart, stolz darauf zu sein, „als Bezirk dieses Projekt unterstützen zu können und damit einen weiteren Beitrag zu einer inklusiven und lebenswerten Stadt zu leisten“.
Regenbogen-Hauptstadt zwischen Tradition und Konkurrenz
Schon seit Anfang der 2000er-Jahre verfolgt der Verein Wohnprojekte in Berlin für Frauen oder eher lesbische Frauen. 2016 gewann das Konzept für ein Bauprojekt für die „Schöneberger Linse“. Dem kam aber der Berliner Schwulenverband in die Quere, genauer gesagt wurde zum „queeren“ Konkurrenten und jagte den Frauen das Projekt beziehungsweise den Zuschlag durch einen Verfahrensfehler ab.
Auf der Schöneberger Insel am Südkreuz entsteht jetzt anstelle des geplanten Wohnprojektes des Lesbenvereins ein Mehrgenerationenhaus für homo-, bi-, trans- und intersexuelle Menschen, initiiert durch den Berliner Schwulenverein. Neben Wohnungen und Gemeinschaftsräumen machen auch zwei Kindertagesstätten für zusammen über neunzig Kinder von sich reden. Die Kitas sind in den Fokus des Interesses geraten, inklusive Gegendemonstrationen, da es zum Konzept gehört, dass hier schon die Kleinsten „spielend Vielfalt erlernen“ sollen.
Staatlich geförderte Projekte wie diese sind in Berlin vermehrt möglich, schon lange gilt Berlin als Regenbogen-Hauptstadt. Aber auch wenn jetzt die konservative CDU nach der wegen Unregelmäßigkeiten wiederholten Wahl wieder am Regierungsruder ist, ist auch unter CDU-Bürgermeister Kai Wegner noch lange nicht das Ende des Regenbogens in Berlin zu erwarten: Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD hat einen so umfangreichen queer-politischen Abschnitt, wie ihn eine mögliche Berliner Regierung schon lange nicht mehr gesehen hat, schreibt die „Berliner Zeitung“. Demnach wird die Regenbogen-Hauptstadt auch unter der CDU nicht „untergehen“, im Gegenteil: Im Koalitionsvertrag steht auf Seite 20, dass die Koalition „eine:n Queer-Beauftragte:n der Landesregierung Berlin für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ schaffen will.
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