Wissing: Deutsche Bahn hat sich bei Europameisterschaft übernommen
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellt der Deutschen Bahn ein schlechtes Zeugnis für ihren Einsatz während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland aus.
„Was den Fans teilweise widerfahren ist, entspricht nicht dem Anspruch Deutschlands und nicht dem Anspruch, den ich an unsere Verkehrsinfrastruktur habe“, sagte Wissing der „Welt am Sonntag“.
Fußballmannschaft musste kurzfristig ins Flugzeug steigen
Peinlich auch: Die niederländische Fußball-Nationalmannschaft musste ihre ursprünglichen Reisepläne ändern und statt der Bahn ein Flugzeug nehmen, weil es zu einem unerwarteten Vorfall auf der Bahnstrecke kam. Der für die Fahrt vorgesehene ICE hatte auf dem Weg nach Wolfsburg einen Tierunfall, meldete die Bahn auf X.
Dieser Zwischenfall führte zu einer Verspätung von 134 Minuten, da Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt werden mussten. Aufgrund dieser Verzögerung und der daraus resultierenden Streckensperrung war es für die Mannschaft nicht mehr möglich, wie geplant mit dem Zug von Wolfsburg nach Dortmund zu reisen.
Um rechtzeitig zum EM-Halbfinale gegen England in Dortmund einzutreffen, entschied sich das niederländische Team kurzfristig für einen Flug. Dies führte dazu, dass die geplante Pressekonferenz mit Trainer Ronald Koeman und Verteidiger Nathan Aké abgesagt werden musste
Zwei Ursachen: Das Netz und das Wetter
Wissing sah vor allem zwei Gründe für die Probleme des Staatskonzerns während der EM.
„Mit der Ankündigung, während der EM täglich 10.000 zusätzliche Sitzplätze im Zugverkehr zur Verfügung zu stellen, hat sich die DB übernommen“, sagte Wissing. „Auch wenn die Absicht dahinter sicher gut war, kann das Netz im derzeitigen Zustand diese zusätzlichen Kapazitäten nicht bewältigen.“
Die zweite Ursache für die Schwierigkeiten der Bahn sieht der Verkehrsminister in den Wetterverhältnissen: „Die ersten Wochen der EM waren geprägt von Starkregen und den anhaltenden Folgen der Überschwemmungen im Süden. Für solche Extremwetterlagen ist das Netz nicht ausgelegt, weil die Entwässerungssysteme diese Wassermassen nicht aufnehmen können“, so Wissing.
Bahn-Infrastrukturvorstand Berthold Huber verteidigte den eigenen Konzern. „Wir haben wirklich alles getan, was man tun konnte. Wir haben alle Baustellen, die nicht nötig gewesen sind, verschoben, abgesagt, um die Infrastruktur zumindest so wenig beeinträchtigt zu haben, wie es geht“, sagte er.
Manchmal käme zum Pech aber noch Unglück. „Wir hatten dann ja das Hochwasser, was uns vor allem zwischen Würzburg und Nürnberg einen Damm mehr oder weniger weggespült hat.“ Das ändere allerdings nichts daran, dass die Bahn strukturelle Gründe wie die Erneuerung der Infrastruktur angehen müsse.
Finanzierung für Generalsanierung noch nicht gesichert
Wissing ergänzte, dass die geplante Generalsanierung von insgesamt 41 vielbefahrenen Bahnstrecken bis 2031 fest eingeplant sei, auch wenn die Finanzierung noch nicht gesichert ist. „Das Paket ist gesetzlich vereinbart“, sagte er. Das Bundesverfassungsgericht habe aber nun mal entschieden, dass die Haushaltsentscheidungen „strikt dem Jährlichkeitsprinzip unterliegen“.
Man müsse daher jedes Jahr aufs Neue darlegen, wie viele Mittel man für die im kommenden Jahr anstehenden Arbeiten brauche. „Das macht die Planung solcher Großprojekte nicht einfacher, weil die Bauindustrie langfristige Planungssicherheit braucht, um Baukapazitäten aufbauen zu können“, gab Wissing zu. „Darum kämpfe ich nicht nur für den jeweils kommenden Haushalt, sondern auch darum, dass die Mittelfristplanung diese Sicherheit widerspiegelt.“
Er denke aber auch darüber nach, wie sich die Finanzierung dauerhaft absichern lasse. „Wegen des Investitionsstaus in Deutschland – den ich vorgefunden und nicht verursacht habe – müssen wir auch fragen, wie wir die Infrastrukturinvestitionen verstetigen können“, sagte Wissing.
An diesem Montag beginnt die Sanierung der sogenannten Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Dafür werden die Strecken für die Bauarbeiten über Monate vollständig gesperrt. Auf die Fahrgäste kommt also zunächst weitere Belastung zu. Doch sobald die Riedbahn fertig sei, würden Fahrgäste Verbesserungen im gesamten Schienenverkehr spüren, betont Wissing.
Die Bauindustrie äußerte indes Zweifel, ob alle Strecken bis 2031 wirklich modernisiert werden können. „Die Unternehmen können bis heute noch keine realistische Kapazitätsplanung machen, da Politik und DB sich nicht einig sind“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, der „Welt am Sonntag“.
„Ich bin mir deshalb mittlerweile sehr sicher, dass bis 2031 nicht alle derzeit geplanten 41 Korridorsanierungen abgeschlossen sein werden.“ Es sei sinnvoll, das gesamte Vorhaben zeitlich zu dehnen.
Schienenmaut wird überprüft
Wissing kündigte zudem an, das derzeitige System der Trassenpreise, einer Art Schienenmaut für alle Züge, überprüfen zu wollen. Gestiegene Kosten und die Erhöhung des Eigenkapitals der Bahn würden in den kommenden Jahren zu einem massiven Anstieg der Trassenpreise und damit womöglich deutlich teureren Bahntickets führen.
„Wir schauen uns die Entwicklung der Trassenpreise genau an“, sagte der Verkehrsminister. „Die aktuell geltenden Regelungen können keine dauerhafte Lösung sein. Perspektivisch werden wir nicht umhinkommen, das zu modifizieren.“
Dennoch müsse auch die dem Gemeinwohl verpflichtete Infrastruktur-Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, InfraGo AG, Geld erwirtschaften, da sie sonst die Infrastruktur nicht instand halten könne.
„Gleichwohl: Wir schauen uns die aktuellen Effekte sehr genau an“, sagte Wissing. „Und dort, wo wir eine nicht sachgerechte Erhöhung der Trassenpreise vermeiden können, werden wir Verbesserungen vorschlagen.“ (dts/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion