Wirtschaftsweise fordern Rente erst mit 69 – Rentenkassen vermelden 2,1 Milliarden Überschuss

Länger arbeiten, früher sterben?
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Viele Menschen in Deutschland sind nicht in der Lage, die kompletten Eigenbeiträge in einem Pflegeheim zu bezahlen.Foto: Stephanie Pilick/dpa/dpa
Von 30. Dezember 2022

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Wirtschaftsweisen fordern späteren Renteneintritt und höhere Beiträge zur Finanz-Stabilisierung, währenddessen verzeichnen die Rentenkassen einen unerwarteten Milliarden-Überschuss im Jahr 2022. Wie passt das zusammen?

Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, Professorin der LMU München, sprach sich deutlich für ein höheres Renteneintrittsalter – und zwar mit 69 Jahren – aus. Als Grund dafür führte sie die drohende finanzielle Schieflage der Rentenversicherung an, die dadurch zustande kommen könnte, dass die Rente so stark steigen würde wie die Löhne. Das Rentenplus müsse aber niedriger als das Lohnplus ausfallen.

Rente mit 63 – Problem für System

Im Jahr 2021, so veröffentlicht vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, ging jeder Dritte mit 63 oder 64 Jahren in Rente. Um etwas früher den Ruhestand zu genießen, nehmen viele lieber weniger Geld in Kauf. Für die Wirtschaftsweise Schnitzer ist das ein Problem für das Rentensystem.

Deswegen forderte die Münchner Ökonomin die Abschaffung der Rente mit 63: „So früh sollte man nicht ohne Abschläge in den Ruhestand gehen können“, sagte sie gegenüber der „Rheinischen Post“. Sie sprach sich damit deutlich für ein höheres Renteneintrittsalter von 69 Jahren aus. Zudem seien zur Sicherung des Systems höhere Beiträge vonnöten.

Schützenhilfe bekommt sie von Martin Werding – seit August 2022 neuer Kollege im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Rat der Wirtschaftsweisen“). Der Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen fordert: „Die Diskussion über eine Reform des Systems ist unausweichlich und darf nicht länger verschoben werden.“

Sonst werde die falsche Erwartung geweckt, es könne immer beim Eintrittsalter von 67 Jahren bleiben, so Werding. Der Vorschlag des Ökonomen ist, die Regelaltersgrenze ab dem Jahr 2030 an die Lebenserwartung zu koppeln. Das würde bedeuten, „[…] dass sich der Renteneintritt pro Jahr um einen Monat nach hinten verschiebt. Etwa ab demJahr 2055 wären wir dann bei einem Eintrittsalter von 69 Jahren.“

Die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, errechnet ihren Lösungsansatz etwas anders. Sie schlägt vor, „von jedem Jahr zusätzlicher Lebenszeit acht Monate in die Arbeit und vier Monate in die Rente zu stecken. Dann würden wir ab dem Jahr 2046 die Rente mit 68 Jahren erreichen und im Jahr 2061 die Rente mit 69 Jahren.“

Aber im Grunde ist das gemeinsame Signal klar: Gefordert werden ein späterer Renteneintritt und höhere Beiträge, um das bestehende System am Laufen zu halten.

Steigende Anzahl arbeitender Rentner, mehr Altersarmut

Dabei treten in gewisser Weise, wenn man so will, immer mehr Rentner später in den „wirklichen“ Ruhestand im Sinne des Wortes ein. Denn rund 1,07 Millionen Beschäftigte in Deutschland sind 67 Jahre und älter, wie das RND berichtete. Damit stieg die Anzahl der arbeitenden Rentner innerhalb eines Jahres um 15.000 und seit dem Jahr 2015 sogar um mehr als 200.000 an. Davon sind 400.000 Beschäftigte über 70 Jahre, 138.000 über 75 Jahre und 13.000 sogar über 85 Jahre alt.

Linken-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch dazu gegenüber „RND“: „Altersarmut und schmale Renten treiben die Menschen zurück in die Arbeitswelt.“ Bei vielen sei dies keine freiwillige Entscheidung, sondern aufgrund zu geringer Renten notwendig. Bartsch fordert attraktive Jobs für Menschen über 60 und einen „Schutzschirm“ vor Altersarmut. Denn immer mehr Menschen sind in Deutschland von Altersarmut bedroht.

Fast jeder Sechste der über 65-Jährigen in Deutschland muss mit weniger auskommen und ist armutsgefährdet. Die Armutsgefährdungsquote bei Menschen über 65 Jahren ist demnach im Zeitraum von 2018 bis 2021 von 14,7 auf 17,4 Prozent gestiegen.

Von Armutsgefährdung wird gesprochen, wenn jemand weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung zur Verfügung hat. Im Jahr 2021 waren das (laut Statistischem Bundesamt) für Alleinlebende 1.251 Euro netto im Monat. Vor allem Frauen sind gefährdet. Ihre Armutsgefährdungsquote stieg im Jahr 2021 auf 19,3 Prozent – bei Männern liegt sie bei 15,1 Prozent.

Die „Bundeskanzler-Lösung“: Länger arbeiten und mehr Zuwanderung

Auch der Bundeskanzler hat die Frauen im Visier, um die Rentenproblematik anzugehen. Scholz sieht noch „Steigerungspotenzial“ beim Anteil von Frauen am Arbeitsmarkt. „Damit das hinhaut, müssen wir aber Ganztagsangebote in Krippen, Kitas und Schulen ausbauen.“ Auch er plädiert für weniger vorzeitige Renteneintritte. Sein Lösungsansatz spiegelt die Linie der aktuellen Politik, insbesondere der Migrationspolitik wider, für ihn könnte neben der Verbesserung der Ausbildungssituation für den Nachwuchs eine vermehrte Zuwanderung die Lösung für die deutsche Rentenproblematik bedeuten: „Und zusätzlich werden wir auch Einwanderung aus anderen Ländern benötigen, um unseren Wohlstand sichern zu können.“ Scholz bezog sich mit dieser Argumentation auf das Vorhaben der Bundesregierung, die Einbürgerung in Deutschland weiter zu erleichtern.

Wenn es also nach der Politik oder Bundeskanzler Scholz geht, ist Zuwanderung Teil der Lösung des Problems, während die Wirtschaftsweisen höhere Renten-Beiträge und einen späteren Renteneintritt fordern.

Überraschender Überschuss bei der Rentenversicherung

Ihren Renteneintritt erreichen einer aktuellen Meldung nach im Moment immer weniger Menschen oder sie nehmen ihre Rente kürzer in Anspruch. Denn nicht anders ist die aktuelle Meldung der gesetzlichen Rentenversicherung über die Erwartung eines Milliardenüberschusses zu verstehen.

Ganze 2,1 Milliarden Euro Überschuss in diesem Jahr prognostiziert die gesetzliche Rentenversicherung. Deren Präsidentin Gundula Roßbach vermeldete der „dpa“ diesen satten Überschuss. Aus Sicht der Rentenversicherung eine gute Einnahmelage – ein Zeichen auch, dass trotz der vielen Krisen der Arbeitsmarkt auch stabil sei. Die Ausgaben der Rentenversicherung seien geringer als erwartet. Im Klartext: Es gibt weniger Ausgaben, sprich: unerwartet weniger Rentner, sodass ein 2,1-Milliarden-Überschuss in der Rentenversicherungskasse verzeichnet werden konnte. Roßbach drückt es gegenüber der „dpa“ so aus: Die Lebenserwartung steige laut Statistischem Bundesamt langsamer, was sich auf die Rentenausgaben auswirke. Im Klartext: Mehr Menschen als erwartet sterben und weniger als prognostiziert nehmen dadurch ihre Rente in Anspruch.

Das Blatt scheint sich innerhalb eines Jahres drastisch gewendet zu haben – für die Bilanz der Rentenversicherungen jedenfalls „zum Guten“: Laut Roßbach war noch vor einem Jahr für die gesetzliche Rentenversicherung ein Defizit von 6,5 Milliarden Euro vorhergesagt worden.

Analysen, Einordnung und Aufarbeitung notwendig

Was aber genau diese „langsamere Steigerung der Lebenserwartung“ bedeute und wo diese höhere Sterblichkeit ihre Ursachen hat, darüber wird in dieser Statistik nichts gesagt, und daraus kann an dieser Stelle auch nichts geschlossen werden. Was erst einmal klingt wie eine Erfolgsmeldung – dieses Milliarden-Plus muss aufgearbeitet werden, vor allem, was hinter diesen Zahlen und den Ursachen für die mutmaßliche Übersterblichkeit liegt, die im Moment immer breiter diskutiert wird und worin möglicherweise auch dieses Plus seinen Grund hat (Epoch Times berichtete). Aber auch das Thema „Die Rente ist sicher“ muss angegangen werden, die Zahlen analysiert und die Rente sinnvoll reformiert werden – zum Wohle aller und mit tragbaren Konzepten für die Zukunft, damit die Menschen nicht ewig arbeiten müssen, ohne ihren verdienten Ruhestand antreten zu können.

Eines aber sagen beide Zahlen – über das Plus der Rentenversicherungen und die Forderung nach einem späteren Eintritt ins Rentenalter, erst mit 69 Jahren, um das System überhaupt zu erhalten – aus: Es wird immer offensichtlicher, dass die Lunte brennt. Und zwar von beiden Seiten.



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