Wirtschaftsprognosen haben bittere Nebenwirkungen für die Finanzmärkte

Jüngste Prognosen zeigen bei der Wirtschaftsentwicklung ein Licht im Tunnel. Die Kurse der Finanzmärkte lassen diese Aussichten aber gerade stagnieren. Denn die verhalten-positiven Prognosen haben Nebenwirkungen.
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Die verhalten-positiven Konjunkturaussichten lassen die Finanzmärkte erstarren.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 28. Februar 2023

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Seit Ende September kannte der Dax immer nur eine Richtung: Es ging nach oben. Insgesamt legte der deutsche Leitindex 30 Prozentpunkte zu. Viele Marktbeobachter waren über diese Entwicklung erstaunt. Eigentlich war bis Frühherbst eine schwere Rezession für 2023 vorhergesagt. Die Finanzmärkte ließen sich aber die Stimmung nicht verderben.

Anfang des Jahres sah es noch danach aus, dass Deutschland auf eine Rezession zusteuern würde. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hatte Ende Januar die Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) präsentiert. Im letzten Quartal des Jahres 2022, so die Zahlen, war das BIP im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 Prozent gesunken. „Besonders die preis-, saison- und kalenderbereinigten privaten Konsumausgaben, die die deutsche Wirtschaft im bisherigen Jahresverlauf gestützt hatten, waren niedriger als im Vorquartal“, erklärten die Statistiker. Würde die Wirtschaft im ersten Quartal 2023 noch einmal schrumpfen, dann befände sich Deutschland spätestens Ende März – nachdem dann die Zahlen durch das Statistische Bundesamt präsentiert worden waren – in einer technischen Rezession. Von dieser spricht man, wenn die Wirtschaft zwei Quartale in Folge schrumpft.

Am 24. Februar veröffentlichte das Bundesamt dann die Korrektur ihrer Zahlen aus dem Januar. Zuvor waren noch einmal alle vier Quartale und das Gesamtjahr 2022 überarbeitet worden. Für das vierte Quartal ergab sich nun eine BIP-Absenkung um 0,4 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal 2022. Die Zeichen standen also erkennbar auf Sturm. Die Finanzmärkte haben sich aber trotzdem darauf eingestellt, dass alles nicht so schlimm wird.

ifo Institut sieht Rezession abgewendet

Der Präsident des Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut ifo, Clemens Fuest, sieht die Rezession dann auch erst einmal abgewendet. Laut dem Finanzportal „finanzen.net“ sagte er gegenüber der „Augsburger Zeitung“:

Zu einer Rezession im Sinne einer deutlichen Schrumpfung der Wirtschaftsleistung wird es nach aktueller Datenlage nicht kommen.“

Den Hauptgrund für diese Prognose sieht Fuest darin, dass es im Winter zu keiner Gasmangellage gekommen sei. Anders als die Bundesregierung erwartet das ifo Institut jedoch kein Wachstum für das laufende Jahr. „Wir erwarten dieses Jahr eine leichte Schrumpfung, eine rote Null“, sagte Fuest. „Das ist nicht berauschend, denn wir kommen ja von einem extrem niedrigen wirtschaftlichen Niveau nach der Corona-Krise.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Ende Januar ein leichtes Konjunkturplus von 0,2 Prozent prognostiziert.

DIW sieht Wirtschaft kurzfristig in Rezession gleiten

Anders sieht es allerdings das Deutsche Institut der Wirtschaft (DIW) in Berlin. Am vergangenen Dienstag veröffentlichte dieses sein Konjunkturbarometer. Die Experten gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft Anfang 2023 noch einmal schrumpft und das Land in eine Rezession gleitet. Erst ab dem zweiten Quartal sei von zunehmenden Wachstumsraten auszugehen, schätzen die Berliner Ökonomen.

„Die deutsche Wirtschaft durchläuft im Winterhalbjahr eine Phase der wirtschaftlichen Abkühlung und dürfte sogar in eine technische Rezession rutschen – also zwei Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung in Folge“, so Timm Bönke, Co-Leiter des Konjunkturteams im DIW Berlin.

„Noch hat die deutsche Wirtschaft das Tal nicht durchschritten.“ Co-Leiterin Geraldine Dany-Knedlik ergänzte: Im Vergleich zu den düsteren wirtschaftlichen Szenarien vom vergangenen Herbst „sieht der Ausblick gegen Ende des Winters wieder positiver aus“.

Geschäftsklimaindex hellt sich auf

Die Lage bleibt also vorerst etwas eingetrübt – die Aussichten sind aber sehr viel besser als im Herbst des letzten Jahres. Das schlägt sich auch in Deutschlands wichtigstem Konjunkturindex wieder, für den das ifo Institut monatlich 9.000 Unternehmen befragt. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im Februar auf 91,1 Punkte gestiegen, nach 90,1 Punkten im Januar. Insbesondere die Erwartungen hellten sich auf. Die aktuelle Lage wurde hingegen etwas weniger gut beurteilt. „Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich allmählich aus ihrer Schwächephase heraus“, prognostizieren die Ökonomen.

Dax wirkt wie eingefroren

Die Aktienkurse profitieren von dem vorsichtig-positiven Blick nach vorne allerdings nicht. Der Dax scheint fast wie eingefroren und notiert auf demselben Niveau wie vor über vier Wochen. Das hat durchaus Gründe.

Ein Blick auf den Einkaufsmanagerindex, der auf den Finanzmärkten immer sehr genau beobachtet wird, gibt Aufschluss. Der Gesamtindex im Februar lag bei 51,5 Prozent (Januar 49,9). Prognostiziert wurden vorher 50,4 Prozent. Auf den ersten Blick ist das eine erfreuliche Entwicklung. Trotzdem lohnt es sich, etwas tiefer in das Thema einzusteigen. So lag der Index im verarbeitenden Gewerbe bei 46,5 Prozent (Vormonat 47,3), während er bei Dienstleistungen bei 51,3 Prozent (Vormonat 50,7) lag. Das Gewerbe schrumpfte im Vergleich zum Vormonat noch einmal, während Dienstleistungen weiter anstiegen. Wie das Finanzportal „Finanzmarktwelt.de“ schreibt, sei der Aufschwung im Dienstleistungssektor nachfragebedingt. Auch die Industrieproduktion sei zwar angestiegen, was aber auf die stark nachlassenden Lieferkettenengpässe zurückzuführen sei. Die Unternehmen könnten so ihre Auftragsbestände schneller abarbeiten. Der Auftragseingang im verarbeitenden Gewerbe weise aber nach wie vor ein Minus auf, woraus sich die Zahlen im Einkaufsmanagerindex erklären. Damit es im verarbeitenden Gewerbe wieder aufwärtsgehe, bedürfe es einer Nachfragebelebung.

Für den Chefstrategen der Deutschen Bank, Ulrich Stephan, zeigen die Zahlen laut einem Bericht im „Handelsblatt“, dass die bessere Stimmung komplett auf den Dienstleistungssektor zurückzuführen ist. Dazu komme, dass viele Unternehmen im Moment mit einer anhaltenden Inflation rechnen. Vor allem hohe Preissteigerungen im Dienstleistungssektor werden befürchtet.

Bessere Stimmung bei Wirtschaft im Moment bitter für Aktienmärkte

Dass sich die Stimmung bei der Wirtschaft aufhellt, muss daher nicht unbedingt gut für die Aktienmärkte sein. Eine bessere Konjunktur bedeutet Wachstum. Genau das möchte die EZB aber im Moment mit ihrer Zinspolitik verhindern. Die letzten Anhebungen der Leitzinssätze sollten ja zur Senkung der Inflation beitragen.

Die Nebenwirkungen besserer Konjunkturaussichten können daher für die Börse bedenklich sein: steigende Preise und deshalb steigende Zinsen. Daraus resultieren höhere Kredit- und Finanzierungskosten für Unternehmer, aber auch Verbraucher. Die Zentralbanken dürften bei zu erwartendem Konjunkturaufschwung keinen Grund sehen, ihre restriktive Geldpolitik zu beenden. Die Zinserhöhungsrunden dürften also auch in Zukunft weitergehen.

Dafür sprechen im Moment auch die Entwicklungen auf dem Anleihemarkt. Zuletzt ist die Rendite für zweijährige Bundesanleihen auf über drei Prozent gestiegen. Zuletzt lagen Bundesanleihen vor 15 Jahren bei dieser Rendite. Je stärker die Renditen steigen, umso weniger rechnen Marktteilnehmer damit, dass die Zentralbanken eine Zinswende einleiten.

Für Aktienmärkte kann aus solchen Entwicklungen auf Dauer ein Problem entstehen. Je länger und stärker Zinsen steigen, umso teurer werden Umfinanzierungen. Laufen zinsgünstige Anleihen und Kredite aus, so müssen diese durch neue, meist teure ersetzt werden. Das schmälert auf Dauer die Aktienrenditen. Daher schauen die Aktienmärkte im Moment sehr skeptisch auf die sich anbahnenden Wirtschaftsentwicklungen. Sie fürchten die Nebenwirkungen. Das lässt den Dax im Moment verharren.



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