Wirtschaft fordert Koalition zu Einigung auf – Neue „Sondervermögen“-Idee von Habeck

Seit Tagen versuchen Scholz, Habeck und Lindner, den Haushaltsstreit zu lösen. Am Montagabend wurden die Gespräche erneut vertagt. Wirtschaftsvertreter mahnen die Ampel-Spitzen, sich zusammenzuraufen.
Vizekanzler Robert Habeck (l), Bundeskanzler Olaf Scholz (r) und Bundesfinanzminister Christian Lindner kamen erneut zu Beratungen zusammen.
Vizekanzler Robert Habeck (l), Bundeskanzler Olaf Scholz (r) und Bundesfinanzminister Christian Lindner kamen erneut zu Beratungen zusammen.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times12. Dezember 2023

Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben die Ampel-Koalition aufgefordert, den anhaltenden Haushaltsstreit rasch zu lösen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte dpa, Einsparungen von 17 Milliarden Euro bei einem Bundeshaushalt von rund 470 Milliarden Euro müssten lösbar sein.

„Kein Einnahmen-, sondern ein Ausgaben-Problem“

„Wir haben kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Wir haben auch keine Haushaltskrise, sondern eine Entscheidungskrise mit mangelnder Kompromissbereitschaft“, sagte er. „Das schürt Unsicherheit und steigert nur die Unzufriedenheit mit der Demokratie.“ Bei den Verhandlungen der Koalitionsspitzen über einen Haushalt 2024 gab es auch am Montagabend keinen Durchbruch.

Auch am Montagabend waren die drei Spitzenpolitiker im Kanzleramt zusammengekommen. Am späten Montagabend wurden die Gespräche erneut vertagt. Über ihren Verlauf wurde zunächst nichts bekannt.

Scholz hatte sich am Montag zuversichtlich gezeigt, dass die Verhandlungen bald abgeschlossen werden. Finanzminister Lindner sprach am späten Nachmittag von Fortschritten. Mit Blick auf einen Zeitplan und die Inhalte ließ sich der FDP-Parteichef aber nicht in die Karten schauen.

Neue „Sondervermögen“-Idee von Habeck

Habeck (Grüne) äußerte am 7. Dezember in einer kleineren Runde eine neue Idee für ein Sondervermögens für die Zukunft Deutschlands. Es soll Investitionen in die Infrastruktur umfassen, wie die „Rheinische Post“ (Montagsausgabe) berichtete. Der Vorschlag fiel bei einem Strategiedialog der Automobilwirtschaft Baden-Württemberg.

Diese Sonderschulden sollten für Investitionen in die Bahn, Brücken, Bildung, Forschung und Entwicklung eingesetzt werden, berichteten Teilnehmer über Habecks Vorschlag. Dieser habe auch überlegt, wie private Investitionen zukünftig besser „gehebelt“ werden könnten – etwa durch die Senkung von Unternehmenssteuern oder Steuergutschriften. Eine offizielle Bestätigung durch das Wirtschaftsministerium gab es dafür nicht.

Industriepräsident: „Viele Unternehmen sind mit ihrer Geduld am Ende“

Industriepräsident Siegfried Russwurm forderte die Koalition zu einer schnellen und tragfähigen Lösung für den Haushalt 2024 auf. Die Verunsicherung in der Industrie sei bereits groß. „Es wird weniger investiert in Deutschland. Viele Unternehmen sind mit ihrer Geduld am Ende.“ Ähnlich äußerte sich der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian.

Arbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger, sprach sich gegen eine Aussetzung der Schuldenbremse aus: Nicht die Schuldenbremse sei das Problem, sondern die hohen Ausgaben und die Reformmüdigkeit. Es komme auf eine kluge Priorisierung von Ausgaben an.

„Der für das kommende Jahr vorgelegte Bundeshaushalt sieht aber mehr als fünfmal so hohe Ausgaben für Soziales, Personal und Zinsen vor wie für Investitionen. Das ist zu viel für Konsum und zu wenig für die Zukunft. Diese Schieflage im Haushalt muss beendet werden.“

DIHK-Präsident Adrian sagte, die Bundesregierung sei in einer wirklich schwierigen Situation. „Aus Sicht der Wirtschaft muss ich sagen: Wir haben aufgrund der wirtschaftlichen Lage mit den hohen Energiepreisen und unklaren Rahmenbedingungen ohnehin bereits eine sehr große Verunsicherung bei den Unternehmen quer durch nahezu alle Branchen verspürt.“

Das habe jetzt aber nochmal weiter zugenommen, weil der fiskalische Rahmen ungewiss sei. „Keiner weiß aktuell, wo der Zug künftig hinfährt. Das lässt sich sowohl am Innovationsklima, als auch am Investitionsklima in Deutschland ablesen“, sagte er. „

Beides ist leider dramatisch schlecht.“ Es gebe derzeit keine gute Grundlage, die es vielen Unternehmen erlaube, langfristige Entscheidungen zu treffen. Es fehlten verlässliche Rahmenbedingungen.

Stadtwerke fürchten Folgen für Wärmewende

Deutschlands Stadtwerke warnen, dass die Haushaltskrise des Bundes schwerwiegende Folgen für die Wärmewende haben könnte. „Im Moment prägt absolute Verunsicherung die Stimmungslage in den Stadtwerken: Selbst das Vertrauen in ergangene Förderbescheide ist nicht mehr ausreichend vorhanden“, heißt es in einem Brandbrief des Stadtwerkeverbandes VKU.

Dieser richtete sich an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP), den Chef des Kanzleramts Wolfgang Schmidt, sowie Bauministerin Klara Geywitz (beide SPD), wie die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ berichten. Unterzeichner des Schreibens ist VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

Die Ampelregierung hat zwar mehrfach deutlich gemacht, dass sie trotz der Etatsperre an bereits genehmigten Förderungen nicht rütteln will. Der VKU-Chef macht in dem Schreiben aber auf einen „haushalterischen Widerrufsvorbehalt“ im Verwaltungsverfahrensgesetz aufmerksam.

Dort heißt es zu Förderbescheiden, dass die Gewährung der Mittel „unter dem Vorbehalt der verfügbaren Haushaltsmittel des Bundes“ steht. Falls Einsparungen nötig seien, könnten Bescheide „ganz oder teilweise“ widerrufen werden.

Stadtwerke würden aus diesem Grund jetzt überlegen, „ob sie überhaupt die mit Förderbescheiden belegten Investitionsvorhaben starten“, heißt es im VKU-Brief. Und weiter: „Hinzukommt, dass finanzierende Institute, die diesen Widerrufsvorhalt bisher eher als Formalie betrachtet haben, ebenfalls ob der aktuellen Situation alarmiert sind.“

Die Bundesregierung müsse nun sehr schnell Planungssicherheit schaffen, fordert Liebing. „Unabhängig vom Ausgang der Haushaltsverhandlungen ist es für die Mitgliedsunternehmen von herausragender Wichtigkeit, dass sich die Bundesregierung öffentlich zu bereits gemachten Förderzusagen bekennt und diese ausfinanziert.“ (dpa/dts/red)



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