„#WirKriegenEuchAlle(e)“: Große Unterschiede im Umgang mit „Feindeslisten“ von Rechtsextremen

Die Polizei hat weiterhin keine einheitlichen Regeln zum Umgang mit sogenannten "Feindeslisten" Rechtsextremer. Das berichtet das ARD-Magazin "Fakt" unter Berufung auf eigene Recherchen.
Titelbild
Absperrband der Polizei vor dem Haus des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke in Wolfhagen.Foto: Swen Pförtner/dpa
Epoch Times23. Juli 2019

Auf einer solchen Liste hatte unter anderem auch der getötete Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke gestanden.

Die Recherchen des Magazins zeigen, dass es in den Bundesländern gravierende Unterschiede gibt, wenn es darum geht, in solchen Fällen Ermittlungen aufzunehmen und Betroffene zu benachrichtigen. Recherchiert hat „Fakt“ anhand einer Liste, die Anfang des Jahres auf einer öffentlich zugänglichen Internetplattform erschienen war. Veröffentlicht wurde diese von offenkundig Rechtsextremen. Sie trägt die Überschrift „#WirKriegenEuchAlle(e)“.

Rund 200 Namen und Adressen stehen auf dieser Liste, darunter Politiker, Journalisten oder Aktivisten. Die meisten von ihnen leben in Deutschland. Die Betreiber der Plattform haben den Beitrag gelöscht, im Netz ist er aber immer noch zu finden. Das ARD-Magazin kontaktierte Polizeibehörden in 13 Bundesländern, in denen auf der Liste genannte Menschen leben sollen, und fragte jeweils nach Ermittlungen und dem Umgang mit Betroffenen. In den Antworten wurde immer wieder darauf hingewiesen, eine Einschätzung müsse für jeden Fall einzeln getroffen werden.

Wohnort entscheidend für Ernsthaftigkeit der Bedrohung

Entscheidend dafür, wie ernst die „Feindesliste“ genommen wurde, war aber offenbar vor allem der Wohnort des jeweils Genannten. So trafen sich Ermittler zum Beispiel in Hessen persönlich mit Menschen, deren Daten veröffentlicht wurden. „Grundsätzlich ist die Polizei bestrebt, die auf solchen Listen stehenden Personen über diesen Umstand zu informieren“, hieß es aus dem hessischen LKA. Auch in Thüringen entschied man sich, den Aufgeführten Bescheid zu geben. In Rheinland-Pfalz schrieb das LKA ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung, man prüfe noch immer, inwiefern die Betroffenen „zu informieren und zu sensibilisieren sind“.

In Sachsen-Anhalt hieß es, zwei Betroffene hätten sich von alleine an die Polizei gewandt und seien einer möglichen Information durch die Behörden zuvorgekommen. Beim Polizeipräsidium des Landes Brandenburg ließ man die Genannten über die Liste im Dunkeln, stellte nach eigenen Angaben aber trotzdem Anzeige.

BKA leitete Gefährdungsbewertung an Landeskriminalämter weiter

Im Gegensatz dazu fand das LKA in Baden-Württemberg „keine Hinweise auf eine Straftat“. Auch hier benachrichtigten die Ermittler von sich aus keine Betroffenen. Gleiches gilt für Sachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte eine sogenannte Gefährdungsbewertung erstellt und diese an die Landeskriminalämter weitergeleitet. Demnach gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass die auf der Liste genannten Personen gefährdet waren.

Es ist aber unklar, wie das BKA zu dieser Einschätzung gelangte, denn die Verfasser sind auch ihm unbekannt. Die Behörde wollte seine Bewertung nicht erläutern, teilte „Fakt“ aber schriftlich mit, grundsätzlich werde keine generelle aktive Unterrichtung der Betroffenen vorgenommen, da „dies zu einer aus polizeilicher Sicht nicht gerechtfertigten Verunsicherung führen würde“. Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Irene Mihalic forderte eine Änderung der derzeitigen Praxis. „Das Problem ist einfach, dass diese Informationen nirgendwo zusammenlaufen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion dem Magazin. Sie forderte Konsequenzen: „Es kann meiner Ansicht nach nicht sein, dass alles an die jeweiligen Bundesländer delegiert wird und man dort entscheidet, ob es sinnvoll ist, einzelne Personen zu informieren.“ Die Bundesregierung müsse beim Bundesinnenministerium eine Stelle schaffen, die solche Fälle koordiniert. (dts)



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