Wird Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel zur Kanzlersache?

Im Koalitionsstreit um ein an Kinder gerichtetes Werbeverbot für ungesündere Lebensmittel fordern Verbraucherschützer und Gesundheitsexperten ein Eingreifen von Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Der Wunsch nach einer gesunden Ernährung für den Nachwuchs ist groß. Mit gezielten Werbeverboten ließe sich einiges erreichen, meinen verschiedene Akteure. Foto: iStock
Der Wunsch nach einer gesunden Ernährung für den Nachwuchs ist groß. Mit gezielten Werbeverboten ließe sich einiges erreichen, meinen verschiedene Akteure.Foto: iStock
Von 25. Februar 2024

Seit einem Jahr liegen die Vorschläge auf dem Tisch, was die Werbeeinschränkungen zugunsten einer gesunden Ernährung von Kindern anbelangt. „Nun muss die Politik ins Handeln kommen“, sagte Ramona Pop, Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen gegenüber „dpa“.

Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte am 27. Februar 2023 Gesetzespläne vorgestellt, die zu gesünderer Ernährung und weniger Übergewicht beitragen sollen. Es soll Werbeverbote für Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz in den Zeiten geben, in denen viele Kinder fernsehen. Aufgrund von Einwänden der FDP steckt dieses im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel der Ampel jedoch derzeit fest.

Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mahnen Maßnahmen zur Förderung der gesunden Ernährung an. „Natürlich wird keine Einzelmaßnahme die ernährungsbedingten Erkrankungen in Luft auflösen“, sagte Carola Reinmann, Vorsitzende des AOK-Bundesverbands. „Doch effektive Regeln zum Kinderschutz vor Werbung für Ungesundes sind ein wichtiger Baustein im Instrumenten-Mix.“

Auch die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten, der Verbände und medizinische Fachgesellschaften angehören, fordert nach Worten von Sprecherin Barbara Bitzer, das Vorhaben in der Regierung zur Chefsache zu machen. Der Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Chris Methmann, sagte, der Bundeskanzler dürfe „nicht länger tatenlos zuschauen, wie die FDP wirksame Werbeschranken zum Gesundheitsschutz der Kinder blockiert“.

Offener Brief an FDP-Parteispitze

Bereits am 18. August 2023 hatten sich über 60 Organisationen mit einem offenen Brief an die FDP-Spitze gewandt, darunter die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Verbraucherzentrale Bundesverband, Deutsche Diabetes Stiftung und die Bundeszahnärztekammer. Sie kritisierten in ihrem zweiseitigen Schreiben die Haltung der FDP.

Anders als Vertreter Ihrer Partei es darstellen, ist eine Werbebeschränkung für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalt weder eine Beschneidung der persönlichen Freiheit noch eine staatliche Bevormundung“, heißt es in dem Dokument.

Das Gegenteil sei der Fall. Die allgegenwärtige Werbung für unausgewogene Lebensmittel beeinflusse nachweislich die Präferenzen sowie das Kauf- und Essverhalten von Kindern in negativer Weise. „Wenn Kinder und Jugendliche […] weniger Werbung für ungesunde Lebensmittel ausgesetzt werden, stärkt das die souveräne und freie Entscheidung der Familie.“

Eine Werbebeschränkung verbiete nicht den Konsum bestimmter Produkte, sondern verringere „die kommerziellen, schädlichen Einflüsse auf die tagtäglichen Konsumentscheidungen“, so die Organisatoren weiter.

Verbraucherportal warnt: „Augen auf beim Einkauf!“

Das Verbraucherportal des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz warnt indes auf seiner Website mit einem undatierten Eintrag: „Augen auf beim Einkauf!“

„Wenn lustige Frösche im Müsliriegel und Dinosaurier an der Kühltheke auf ihre kleinen Kunden warten, dann heißt es: Eltern aufgepasst.“ Dabei handele es sich häufig um Kinderlebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Zusatzstoffen, „die von den Herstellern mit raffinierten Werbestrategien angepriesen werden“.

Wer sein Kind gesund ernähren wolle, solle genau prüfen, ob in der speziellen Kinderkost nur leere Werbe-Versprechen oder wirklich viele wertvolle Vitamine stecken.

Woran erkennt man Kinderlebensmittel?

Nach Angaben des bayerischen Verbraucherportals erkennt man Kinderlebensmittel an den bunten Verpackungen sowie einer gezielten, an Kinder gerichteten Vermarktung. Die Portionen sind kleiner als bei Produkten für Erwachsene, die Verpackungen tragen meist die Aufschrift „für Kinder“ oder „Kids“.

Da Kinderlebensmittel nach allgemeinem Lebensmittelrecht hergestellt werden, gelten keine besonderen Schutzbestimmungen für spezielle Kinderkost. Welchen Beitrag die enthaltenen Nährstoffe für die Gesundheit der Sprösslinge leisten, müsse man selbst ausrechnen, wenn sich die Nährwertangaben in Prozent auf den täglichen Energiebedarf eines Erwachsenen mit pauschal 2.000 Kilokalorien beziehen.

Im Vergleich zu normalen Produkten enthalten die meisten Kinderlebensmittel zu viel Zucker, Salz und ungünstiges Fett, warnt das Verbraucherportal. Oft seien die Produkte stark verarbeitet und mit unnötigen Geschmacks-, Zusatz- und Farbstoffen versehen.

Bei aller Schönfärberei durch blumige Slogans: ein hoher Zuckerkonsum ist und bleibt ein Risiko für Übergewicht und Zahnkaries.“

Welchen Anteil die Werbung für Kinderlebensmittel daran hat, diskutieren Hersteller und Gesundheitsexperten laut Verbraucherportal seit Jahren kontrovers, mit mäßigem Ergebnis. „Sicher ist es wenig problematisch, wenn Kinder im Rahmen einer gesunden Ernährung ab und zu ein spezielles Kinderprodukt naschen. Im Übermaß verzehrt, könnten die Kinderlebensmittel die Zahl der übergewichtigen Kinder durchaus und stetig steigen lassen.“

Kinder – eine lukrative Zielgruppe

„Seit Jahren scheut die Industrie weder Kosten noch Mühen und auch keine List, um das Geschäft mit den Spezialprodukten kräftig anzukurbeln“, heißt es vom bayerischen Verbraucherportal weiter. Kinder und Jugendliche seien eine „massiv umworbene Zielgruppe“. Demnach verfügen sie über eine hohe Kaufkraft, seien leicht zu beeinflussen und hätten einen großen Einfluss auf das Einkaufsverhalten der Eltern.

„Geschickt platzierte Bilder von Comicfiguren, Elfen oder niedlichen Tierkindern auf der Verpackung locken die kleinen Kunden an.“ Das erhöhe den Wiedererkennungswert. Oft handele es sich dabei um Lieblingsfiguren aus dem Fernsehen – als Geschenk gebe es noch Sticker, Sammelfiguren oder kleine Spiele dazu.

Gängige Praxis sei es, Eltern und Großeltern mit dem Nutzen für die Gesundheit der Kinder zu ködern – durch Aufschriften wie „mit wichtigen Vitaminen“, „10 Prozent weniger Fett“ oder „mit wertvollem Bienenhonig“. Auch die „Extraportion Milch“ überzeuge die Käufer, selbst wenn sie nur in ganz geringen Mitteln vorkomme und bezogen auf den Tagesbedarf kaum ins Gewicht falle.

Eine große Auswahl an Produkten gebe es auch speziell für Kleinkinder. Hier lohne es sich ebenfalls, einen genauen Blick auf die Inhaltsstoffe von Brei, Müsli, Pudding, Fruchtriegeln, Keksen und Säften zu werfen. Denn aromatisierte Puddings und Breie verzerren schon früh den Geschmackssinn. Sogenannte „Kindermilch“ sei auch nicht besser als normale Kuhmilch, aber viel teurer.

Mit der richtigen Ernährung in den ersten Lebensjahren könne man laut Verbraucherportal getrost auf Spezialprodukte verzichten.

„Kinder sind die Konsumenten von morgen mit dem heute geprägten Markenbewusstsein. Für eine klare Entscheidung Pro oder Contra Kinderlebensmittel lohnt es sich, die Machenschaften der Kinderkost-Werber genau unter die Lupe zu nehmen“, so das Verbraucherportal.

(Mit Material von dpa)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion