Wirbel um Wort „Migrationshintergrund“ – Gremium fordert Abschaffung des Begriffs
Arabischstämmig, dunkelhäutig oder muslimisch. Es gibt unterschiedliche Merkmale, um Menschen mit „Migrationshintergrund“ zu beschreiben. Nun soll dieser Begriff, der deutlich macht, dass eine Person fremdländische Wurzeln hat, abgeschafft werden. Dafür haben sich die Autoren des 17. Kinder- und Jugendberichts im Zuge ihrer Beratungen entschieden.
Am 18. September wurde der über 600-seitige Bericht über die Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe von Bundesfamilienministerin Lisa Paus vorgestellt. Darin heißt es, der Begriff „Migrationshintergrund“ werde der Vielfalt und Diversität junger Menschen samt ihren Bedürfnissen und Lebenswelten nicht gerecht.
„Die Kommission hat sich im Zuge ihrer Beratungen entschieden, vom Begriff ‚Migrationshintergrund‘ weitestgehend Abstand zu nehmen, da dieser bestimmte junge Menschen zu Merkmalsträger:innen eines gesamtgesellschaftlichen Phänomens macht und damit zugleich der Vielfalt und Diversität junger Menschen samt ihren Bedürfnissen und Lebenswelten nicht gerecht wird“, ist auf Seite 199 in einer Fußnote zu lesen.
22 Millionen junge Menschen mit ausländischen Wurzeln
In Deutschland leben laut dem Bericht 22 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit unterschiedlichen Nationalitäten, ethnischen Identifikationen und kulturellen Zugehörigkeiten.
Seit Jahrzehnten steige die Anzahl junger Menschen, die selbst in Einwanderungsfamilien aufwachsen, kontinuierlich und bewege sich inzwischen auf einem sehr hohen Niveau. Das habe Auswirkungen auf das Zusammenleben aller jungen Menschen in Deutschland, unabhängig von einer Einwanderungsgeschichte.
Mit den unterschiedlichen Zugehörigkeiten gehen unterschiedlich starke Privilegien und Benachteiligungen einher – „bis hin zu expliziter Geringschätzung und rassistischen Anfeindungen“, schildern die Autoren in ihrem Bericht.
Teilweise werde solchen Menschen der Anschluss an die Einwanderungsgesellschaft in Deutschland erschwert, im Extremfall auf „manipulative Weise durch eine völkisch-nationalistisch ideologisierte Umgebung“.
Aber auch im Falle eines lediglich räumlich isolierten Aufwachens in einer vornehmlich „bio-deutschen Blase“ werde diesen jungen Menschen der Anschluss erschwert. In ihrem Bericht verwenden die Autoren das Wort „Bio-Deutsche“ für Menschen, die „angeblich ‚schon immer dagewesen‘ sind“ im Gegenzug zu Einwanderern, die „von außen kommen“.
Die Gesellschaft verfügt zwar über vielfältige Ressourcen für die junge Generation, es gelinge ihr jedoch nicht, diese allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gleichermaßen zugänglich zu machen, so das Fazit der Autoren.
Insoweit sei es die Aufgabe aller, dass diese Menschen in der Einwanderungsgesellschaft „ankommen“.
Die Berichtskommission sieht Politik und Gesellschaft gefordert, junge Menschen und künftige Generationen mit ihren Bedürfnissen stärker zu berücksichtigen.
„Die diverseste junge Generation, die es je gab“
„Die heutige junge Generation in Deutschland ist die diverseste, die es je gab“, erklärte auch Bundesfamilienministerin Paus, als sie den Bericht vorstellte. „Die Folgen von Krieg und Klimakrise, weltweite Fluchtbewegungen und auch die Nachwirkungen der Pandemie oder der Fachkräftemangel in so vielen Arbeitsbereichen belasten Kinder und junge Menschen – erst recht, wenn sie das Gefühl haben, mit ihren Sorgen und mit ihren Bedürfnissen in der Politik nicht vorzukommen.“
Die Bundesregierung teilt laut ihrer mit dem Bericht veröffentlichten Stellungnahme die Einschätzung der Kommission, wonach sich die junge Generation durch ein hohes Maß an Diversität auszeichnet. „Es gibt nicht ‚die‘ Jugend, weder ist die heutige junge Generation homogen noch waren es vergangene“, so die Regierung auf Seite 6 des Berichts.
Sie befürwortet die „konsequente Abwendung der Kommission vom statistischen Merkmal ‚Migrationshintergrund‘ als pauschale Differenzkategorie zur Beschreibung scheinbar geteilter natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit“. Dies sei aus Sicht der Regierung ein „wertvoller Beitrag für die weitere Diskussion in diesem Bereich“.
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