Wirbel um SPD-Antrag: Rechtschreibrat gegen Umbenennung des Bürgeramts in „Bürger*innenamt“

Mit einem Katalog möglicher Maßnahmen will die SPD die queere Gemeinschaft im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg schützen und deren Interessen weiter fördern, beispielsweise durch Umbenennung des Bürgeramtes. Nicht alle teilen die Ansicht der Partei.
Titelbild
Eine Frau betrachtet an der East Side Galery im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die bemalten Betonsegmente der Berliner Mauer.Foto: Wolfgang Kumm/dpa/dpa
Von 3. Juli 2024

„Für Vielfalt – Queeres Leben in Friedrichshain-Kreuzberg verstärkt schützen und unterstützen!“, so lautet der Titel eines Antrages, den die SPD am 26. Juni in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Berlin Friedrichshain-Kreuzberg Ende Juni eingebracht hat. Neben der Einrichtung einer Stelle „Beauftragte*r für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ und dem Aufbau eines „queeren Zentrums“ mit Angeboten für Jugendliche, soll das Bürgeramt in „Bürger*innenamt“ umbenannt werden.

Doch es regt sich Kritik für den Antrag. Zum letztgenannten Vorschlag gibt es diese nicht nur aus den Reihen der BVV-Mitglieder, sondern auch seitens des Rats für deutsche Rechtschreibung.

Das Gremium hat für solche Änderungen kein Verständnis. Auf Nachfrage der Epoch Times teilte der Rechtschreibrat mit, dass eine derartige Umbenennung „nicht der amtlichen deutschen Rechtschreibung entspricht“.

Dr. Josef Lange, Staatssekretär a.D. und Vorsitzender des Rats, äußerte: „Sie genügt nicht dem Gebot der Verständlichkeit, dem nach Auffassung bedeutender Juristen Verfassungsrang zukommt.“ Dazu gehört, dass Wortbinnenzeichen wie bei Bürger:innen, Schüler*innen oder Lehrer_innen nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehören.

„Dass Hörerinnen und Hörer, die das Wort ‚Bürger*innenamt‘ nicht lesen (können), Schwierigkeiten haben, den Begriff zu verstehen, erscheint offenkundig“, so Dr. Lange.

Weiter schildert er: „Hinzu kommt, dass es überaus fraglich und in der Rechtswissenschaft umstritten ist, ob das grundgesetzlich geschützte Recht der Kommunen auf Selbstverwaltung [Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz] auch die Abweichung von der amtlichen deutschen Rechtschreibung umfasst.“

CDU: „Gut gemeint ist eben nicht immer gut gedacht“

Epoch Times fragte auch bei den Fraktionen innerhalb des Bezirks nach, wie sie sich zu dem Antrag der SPD positionieren. Die CDU-Fraktionsvorsitzende für Friedrichshain-Kreuzberg, Ulrike von Rekoswky und Jan Thomas Alter kündigten an, eine Stellungnahme im September zu veröffentlichen, nachdem der Antrag im Ausschuss behandelt wurde. „Einige Ideen scheinen aus unserer Sicht durchaus unterstützungswürdig, andere Vorschläge in dem Antrag erachten wir für nicht zielführend.“

Hinsichtlich der Umbenennung von Bürgerämtern teilten sie mit: „Wir sind uns bewusst, dass wir dem Urteil zum Personenstandsgesetz von Oktober 2017 gerecht werden müssen und alle Menschen in ihrer Vielfalt anzusprechen. Wir erachten es jedoch als nicht zielführend, auf der einen Seite ein  ‚:‘, ein  ‚*‘ oder ein  ‚_‘ zu nutzen, da dies unter anderem für viele blinde und sehbehinderte Menschen problematisch ist. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gedacht.“

Gleichzeitig zeigte die CDU Bereitschaft, an Lösungen zu arbeiten – und zwar so, „dass alle Menschen mitgenommen werden und dies auch in der Mehrheitsgesellschaft auf Rückendeckung stößt“.

Statt Schilder, Logos, Dokumente und möglicherweise sogar IT-System wegen einer Umbenennung des Bürgeramts zu aktualisieren, sollten die Ressourcen nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden lieber anders genutzt werden. Vielmehr könnte dafür gesorgt werden, dass die Ämter „den modernen Bedürfnissen und Anforderungen einer Großstadt gerecht werden“ – vor allem dafür, „dass alle Bürger unseres Bezirks besser an Termine in den Bürgerämtern kommen“.

„Die PARTEI“ ist für passenden Namen

Die Fraktion „Die PARTEI“ erklärte auf Nachfrage, dass zunächst einmal geprüft werden müsse, was für oder gegen die aufgeführten Maßnahmen spricht und inwieweit diese umzusetzen wären.

Der Antrag der SPD sei sehr weitgehend und in vielen Aspekten durch den Bezirk nicht umsetzbar oder bringe „praktisch keine Änderung zum Guten“.

In Bezug auf die Umbenennung von Bürgerämtern äußerten die BVV-Mitglieder Riza Cörtlen und Torben Denecke:

Unter welchen Namen das Bürger*innenamt nicht funktioniert, ist uns vollkommen egal! Wir setzen uns sehr dafür ein, dass dieses Amt einen guten Namen bekommt, der zu ihm passt“.

Gleichzeitig äußern „Die PARTEI“-Mitglieder, dass der SPD-Antrag zustimmungsfähig sei, da er auf die besonderen Probleme von LGBTQI-Menschen hinweise. „Denn die gibt es.“

Angriffe auf queere Personen

In ihrem Antrag hatte die SPD darauf hingewiesen, dass die Gewalt gegen queere Menschen im Bezirk steige. Laut einem jährlich erscheinenden Register habe sich ihre Anzahl von elf im Jahr 2022 auf 22 im Jahr 2023 verdoppelt. „Die Dunkelziffer nicht erfasster Angriffe ist weitaus höher.“

Inwieweit der Antrag die notwendige Unterstützung findet und umsetzbar ist, bleibt abzuwarten. Er wurde federführend zur Prüfung an den Ausschuss für Diversity und Antidiskriminierung sowie den Jugendhilfeausschuss überwiesen. Eine Rückmeldung von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, FDP, AfD sowie dem BSW erfolgte bis zum Redaktionsschluss nicht.



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