„Wir lassen Hartz IV hinter uns“: SPD-Vorstand besiegelt neues Sozialstaatskonzept
Die SPD verabschiedet sich von dem umstrittenen Hartz-IV-System. Der Parteivorstand beschloss am Sonntag auf seiner Klausurtagung in Berlin einstimmig das von SPD-Chefin Andrea Nahles vorgelegte Konzept für eine Reform des Sozialstaats. Dieses sieht unter anderem vor, Hartz IV durch ein neues Bürgergeld zu ersetzen.
„Wir lassen Hartz IV hinter uns“, sagte Nahles nach der Entscheidung der Parteispitze. Sie sprach von einem „Kulturwandel“ und einem „ganz neuen Ansatz“. Mit dem Bürgergeld sollten „überflüssige Sanktionen“ entfallen und Leistungsempfänger zwei Jahre lang nicht mit Fragen nach ihrem Vermögen oder der Größe ihres Wohnraums konfrontiert werden. „Wir wollen Partner der Menschen sein“, hob Nahles hervor, statt ihnen „mit Misstrauen und Kontrolle zu begegnen“.
„Arbeit muss sich lohnen“
Ein weiteres wichtiges Element des SPD-Konzepts sind erweiterte Ansprüche auf das Arbeitslosengeld I. „Für uns steht die Leistungsgerechtigkeit im Mittelpunkt“, sagte dazu Nahles. „Wer lange einbezahlt hat in die Arbeitslosenversicherung, soll auch länger Arbeitslosengeld beziehen können.“ Für Kinder soll es eine Kindergrundsicherung geben, der gesetzliche Mindestlohn mittelfristig auf zwölf Euro steigen.
Bedenken wegen der Finanzierbarkeit der SPD-Pläne wies Nahles zurück: „Das wird mit Sicherheit nicht am Geld scheitern“, zumal häufig andere Ausgabenposten gegengerechnet werden könnten.
Ausdrücklich stellte sich der SPD-Vorstand auch hinter die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil für eine Grundrente. Diese soll langjährig Versicherten Alterseinkünfte deutlich oberhalb des Niveaus der sozialen Grundsicherung garantieren. „Arbeit muss sich lohnen, Arbeit muss belohnt werden beim Einkommen und bei der Rente“, sagte Parteivize Manuela Schwesig am Rande der Beratungen.
„Eine Rolle rückwärts“
Kritik an den SPD-Vorschlägen äußerte erneut Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Das kann so nicht bleiben“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben). Zwar stellte sich Altmaier grundsätzlich hinter die Idee einer Grundrente, die auch im Koalitionsvertrag verankert ist. Er forderte aber, diese nur an bedürftige Rentner zu zahlen.
Heil will die Grundrente für alle Geringverdiener mit mindestens 35 Beitragsjahren ermöglichen. Auch Nahles erteilte einer Bedürftigkeitsprüfung eine Absage. Sie betonte, aber, wegen der Vorgabe bei den Beitragsjahren sei diese gleichwohl „nicht voraussetzungslos, sondern man muss auch etwas erarbeitet haben“.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, die SPD werde bei der Grundrente „mit der Union ausloten, was möglich ist“. Nahles räumte allerdings ein, die übrigen Punkte des Sozialstaatskonzepts stellten zunächst nur die Position der SPD dar.
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warf den Sozialdemokraten „eine Rolle rückwärts“ in der Sozialpolitik vor. Der Sozialverband VdK begrüßte dagegen die vorgesehenen längeren Bezugszeiten beim ALG I und die Abkehr von Hartz IV. Die Grünen-Sozialexperten Sven Lehmann und Wolfgang Strengmann-Kuhn kritisierten, die SPD wolle Hartz IV nur als Bürgergeld „neu verpacken“.
Beraten wurde auf der SPD-Vorstandsklausur auch über ein von Nahles vorgelegtes Arbeitspapier, bei dem es um die interne Neuaufstellung der Partei geht. Am Montag soll im Vorfeld der Europawahlen am 26. Mai die Europapolitik im Mittelpunkt der Beratungen stehen. Als Gast wird dazu der französische EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici erwartet. (afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion