Winkler mahnt zur Korrektur: SPD in Sackgasse wegen Ablehnung von der Leyens
Der Historiker Heinrich August Winkler hat an die SPD appelliert, ihren Widerstand gegen die Wahl Ursula von der Leyens (CDU) zur EU-Kommissionspräsidentin aufzugeben. Es sei höchste Zeit, sich zu korrigieren, sagte Winkler dem „Tagesspiegel“.
Mit ihrer schnellen Ablehnung von der Leyens hätten sich die deutschen Sozialdemokraten im Europaparlament in eine Sackgasse manövriert. Dies sei für die deutsche Sozialdemokratie „in hohem Maße gefährlich“, warnte Winkler.
Die SPD ist wegen von der Leyens überraschender Nominierung aufgebracht. Sie sieht damit das Spitzenkandidatensystem und die Demokratie beschädigt.
Winkler sagte dazu: „Es stimmt einfach nicht, dass die erneute Anwendung der Spitzenkandidatur einen Beitrag zur Demokratisierung der EU bedeutet.“
Im europäischen Wahlrecht werde das Prinzip der Gleichwertigkeit jeder Stimme nicht beachtet, daher sei die demokratische Legitimität „in hohem Maße beeinträchtigt“.
Tag der Entscheidung
Die deutsche Verteidigungsministerin und CDU-Politikerin wird sich am Dienstag der Wahl für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin stellen.
An diesem Montag will sie sich noch einmal mit Abgeordneten im Europaparlament in Straßburg treffen. Die 16 SPD-Europaabgeordneten haben sich bereits auf ein Nein zu von der Leyen festgelegt und machen in der eigenen Fraktion Stimmung gegen sie.
Barley: Von der Leyen hat nicht überzeugt
Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley bekräftigte das Nein der Sozialdemokraten zur Personalie von der Leyen. Im ZDF heute journal am Sonntagabend erklärte Barley, dass der Europäische Rat das Europaparlament mit der Nominierung habe „überrumpeln wollen“.
Zudem habe von der Leyen bei ihrem Auftritt vor der Fraktion der Sozialdemokraten nicht überzeugt, ebensowenig wie später bei den Grünen. „Mit diesen Vorstellungen können wir sie nicht wählen“, sagte die ehemalige Justizministerin.
Roth sieht Kritik nicht nur in der SPD
Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) sagte am Sonntag im ARD-„Bericht aus Berlin“, seinem Eindruck nach gebe es Kritik aus vielen Reihen, nicht nur seitens sozialdemokratischer Europa-Abgeordneter.
„Auch die europäische Bewegung Deutschlands, andere pro-europäische Organisationen in Deutschland und anderenorts haben sich kritisch dazu geäußert.“
Europäische Wirtschaft legt von der Leyen 50-Punkte-Katalog vor
Bereits vor der Abstimmung über von der Leyen am Dienstag legte die Europäische Wirtschaft nach einem Medienbericht einen 50-Punkte-Forderungskatalog für ihre ersten 100 Tage vor.
Die Kommission müsse angesichts zunehmender Handelsspannungen und der herausfordernden Weltwirtschaftsaussichten schnell einen Plan vorlegen, wie die wirtschaftliche Basis und das Wachstum in Europa gestärkt werden könnten, heißt es in einem Schreiben des europäischen Wirtschaftsverbandes Business Europe, das den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorliegt (Montag).
Strategische Industriepolitik
Notwendig sei eine strategische Industriepolitik, die es den Unternehmen in Europa erlaube, im Wettbewerb mit globalen Wirtschaftsmächten wie USA und China zu bestehen.
Für die Förderung von Forschung und Innovation müsse die EU im nächsten Sieben-Jahres-Budget mindestens 120 Milliarden Euro bereitstellen.
Der Verband übermittelte der CDU-Politikerin dazu einen 50-Punkte-Katalog für die ersten hundert Tage der Kommission und drängte, die Kommission müsse in diesem Zeitraum Unternehmen und Bürgern zeigen, dass sie bereits sei zu liefern.
Wachstum und Beschäftigung in Europa erhöhen
Der Generaldirektor von Business Europe, Markus Beyrer, sagte den Funke-Zeitungen, die geforderte Industriepolitik müsse Wertschöpfungsketten stärker strategisch unterstützen und das Wachstum und die Beschäftigung in Europa erhöhen.
Zugleich setze die Wirtschaft auf eine Anpassung des europäischen Wettbewerbsrechts an neue Herausforderungen. „Es geht darum, den Blick zu erweitern und die Frage der globalen Wettbewerbsfähigkeit stärker zu bedenken“, sagte Beyrer.
Business Europe ist der führende Wirtschafts-Dachverband in der EU, dem Industrie- und Unternehmensorganisationen der EU-Staaten und einiger europäischer Nachbarländer angehören. Deutsche Mitglieder sind der Industrieverband BDI und der Arbeitgeberverband BDA .
Zu den Forderungen zählt unter anderem auch, dass alle anhängigen EU-Gesetzesvorschläge, die noch nicht beschlossen sind, von der neuen Kommission noch einmal auf Kosten und Nutzen überprüft und gegebenenfalls zurückgezogen werden.
Stärkere Prüfung von EU-Gesetzen
Bei neuen EU-Gesetzen müsse mehr darauf geachtet werden, welche Folgen sie für die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität als Investitionsstandort haben.
Der Wirtschafts-Dachverband drängt auf den weiteren Einsatz gegen Protektionismus und für regelbasierten Handel. Im gemeinsamen EU-Binnenmarkt müssten bestehende Hindernisse für die Waren- und Dienstleistungsfreiheit beseitigt werden. Verlangt wird auch eine Vervollständigung der Wirtschafts- und Währungsunion durch weitere Reformen. (dts)
(dpa/dts/nh)
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