Wiesbaden schafft Wasserstoffbusse ab – und setzt wieder auf Diesel
Nach nur einem Jahr beendet Hessens Landeshauptstadt Wiesbaden ihr Verkehrswende-Experiment mit Wasserstoffbussen. Wie die Geschäftsführung der städtischen Verkehrsbetriebe ESWE Verkehr dem Aufsichtsrat mitteilte, wird das Unternehmen seine Strategie neu ausrichten. In dieser werde die Wasserstofftechnologie jedoch bis auf Weiteres keine Rolle mehr spielen.
In einer Erklärung äußerte Geschäftsführer Jan Görnemann dazu:
Wir gehen einen Schritt auf einem Weg zurück, um zwei Schritte auf einem anderen Weg vorwärtszukommen.“
Dieselbusse bleiben das „Rückgrat“ des ÖPNV in Wiesbaden
Man habe „in Abwägung aller Argumente“ bewusst diesen Schritt gesetzt, da man bereits jetzt mit 120 batterieelektrischen Fahrzeugen die zweitgrößte elektrische Busflotte Deutschlands betreibe. Zum jetzigen Zeitpunkt seien „zwei Antriebstechnologien für Wiesbaden in unserer Werkstatt-Infrastruktur schon sehr anspruchsvoll“.
Zudem bildeten 130 Dieselgelenkbusse das „Rückgrat“ der Transportinfrastruktur, weshalb man auch weiterhin auf diese setzen werde. Bis 2024 werde man deshalb noch einmal insgesamt 36 moderne Dieselgelenkbusse erwerben. Diese seien mit knapp 19 Metern noch einmal einen Meter länger als die bestehenden Modelle und hätten durchweg vier Türen.
Demgegenüber hätten die Brennstoffzellenmodelle schon bezüglich der Transportkapazitäten nicht die Erwartungen der städtischen Verkehrsbetriebe erfüllt. Nach einem Jahr des Betriebes werde man die zehn bereits angeschafften Wasserstoffbusse wieder verkaufen.
ESWE Verkehr fordert zusätzliche Betriebshofflächen
Perspektivisch wolle man auch insgesamt 61 Dieselfahrzeuge aus dem Fuhrpark nehmen, allerdings handele es sich dabei um 12-Meter-Modelle. Bis 2030 sollen auch zusätzliche batterieelektrische Gelenk- und Doppelgelenkbusse in den Bestand kommen.
Bis dahin müsse es jedoch darum gehen, mehr Spielraum und mehr Platz für die Flotte zu bekommen. Görnemann betonte in diesem Zusammenhang noch einmal, dass weitere Flächen für den Betriebshof in Wiesbaden unabdingbar seien. Diese benötige man auch für Wartung und Instandhaltung des bestehenden Fuhrparks.
Auch bei den bislang vorhandenen Wasserstoffbussen handele es sich um solche ohne Gelenk und mit nur 12 Metern Länge. Für das Fahrgastaufkommen in der Innenstadt von Wiesbaden reiche dies nicht aus. Größere Modelle gebe es auf dem Markt bislang nicht. Darüber hinaus könne man diese, sobald sie verfügbar wären, auch erst unter der Bedingung zusätzlicher Betriebshofflächen requirieren.
Erst kamen die Busse verspätet – dann war die Tanke kaputt
Offen bleibt, was mit einer Wasserstofftankstelle geschehen wird, die ESWE Verkehr 2021 für etwa zwei Millionen Euro auf dem eigenen Betriebsgelände errichten ließ. Erst hatte es aufgrund von Problemen mit Lieferanten Verzögerungen bei der Inbetriebnahme der Wasserstoffbusse gegeben. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtete darüber. Statt im Sommer 2019 waren sie erst ab Dezember 2021 in Wiesbaden unterwegs.
Dann gab es an der Wasserstofftankstelle jedoch einen Defekt und ESWE Verkehr konnte sie nicht nutzen. Wieder standen die Busse still. Ein Betanken an einer anderen Wasserstofftankstelle sei nicht möglich, erklärt Verkehrsdezernent Andreas Kowol. Dort würden Fahrzeuge mit einem Druck von 700 bar betankt, für die Busse seien hingegen nur bis zu 350 bar zulässig.
Nun stehe man bezüglich des weiteren Vorgehens mit allen Projektbeteiligten des Wasserstoffprojekts im Dialog, heißt es in „Wiesbaden aktuell“.
Grüne im Land und CDU Wiesbaden reagieren irritiert
Für Unmut sorgt der Schritt von ESWE Verkehr in der Landespolitik. Das kommunale Unternehmen wollte bis Ende 2022 emissionsfrei fahren. Noch im Oktober 2021 hatte man die komplette Umstellung ihrer Flotte auf Erneuerbare Energien angekündigt.
Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) zeigte sich „irritiert“ über die Entscheidung der ESWE und wies auf je eine Million Euro an Förderungen durch Hessen und Rheinland-Pfalz hin. In der „Hessenschau“ erklärte er: „Da kann man nicht einfach nach einem guten Jahr Betrieb aufgrund von Argumenten, die bereits bei der Inbetriebnahme feststanden, wortlos aus dem Projekt aussteigen.“
Zudem sei es „das falsche Signal“, in Zeiten der Energiekrise auf Dieselbusse zu setzen. Sein Parteikollege Kowol und ESWE Verkehr sollten sich als Fördermittelempfänger mit den beiden Landesregierungen in Verbindung setzen und die weiteren Schritte erörtern.
Auch die CDU in Wiesbaden reagierte „empört“ auf die Entscheidung. Sie hätte sich eine längere Testphase für die Wasserstoffbusse gewünscht. Gegenüber „Wiesbaden aktuell“ wirft die Fraktionsvorsitzende Daniela Georgi angesichts der neuen Dieselbusse die Frage auf: „Drohen Wiesbaden dadurch im schlimmsten Falle sogar wieder Fahrverbote, da der Luftreinhalteplan nicht eingehalten werden kann?“
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion