Wie viel Regierung steckt in NGOs? Millionenförderung unter der Lupe
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Die umfassende Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag an die auslaufende Regierung unter dem Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ hat nicht nur unter den Nichtregierungsorganisationen Staub aufgewirbelt.
Der Vorstoß, der – wie die Antragsteller selbst deutlich machen – mit den Massendemonstrationen gegen die CDU in deutschen Städten vor der Bundestagswahl zusammenhängt, belastet von vornherein die geplanten Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD.
Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil hat mittlerweile gefordert, die Union müsse ihre Anfrage zurückziehen: „Ich kann mir keine Situation vorstellen, wo wir morgens in Arbeitsgruppen zusammensitzen und über die Investitionen in die Bundeswehr, in die Bahn oder Infrastruktur diskutieren. Und nachmittags erlebe ich, dass die Union genau solche Anfragen rausschickt und Organisationen, die unsere Demokratie schützen, an den Pranger stellt.“
Merz verteidigt Anfrage
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat die umstrittene Anfrage gegen Kritik verteidigt. Dass aus dem Parlament danach gefragt werde, wie mit Steuergeldern umgegangen worden sei, sei nichts Ungewöhnliches, sagte Merz der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ laut Vorabmeldung vom Freitag. Die Demonstrationen vom Monatsanfang, zu denen einige der Organisationen aufgerufen hatten, seien „nicht einfach ‚gegen rechts‘ gerichtet, sondern auch ganz dezidiert gegen uns“, fügte der Unionsfraktionschef hinzu.
„Sollten sich gemeinnützige, sogenannte Nichtregierungsorganisationen von der Regierung finanziell fördern lassen, dann ist das ja zunächst einmal ein Widerspruch in sich“, betonte der CDU-Chef. „Und wenn die Demos einseitig gegen missliebige politische Parteien gerichtet sind, dann sind die Veranstalter auch keine neutralen Nichtregierungsorganisationen mehr.“
Kritiker haben der Union vorgeworfen, sich gegen das zivilgesellschaftliche Engagement von Organisationen zu wenden, die im Vorfeld der Bundestagswahl zu Protesten gegen das gemeinsame Abstimmungsverhalten von Union und AfD im Bundestag zur Migrationspolitik aufgerufen hatten.
Auf 32 Seiten stellen die Abgeordneten der Union nicht weniger als 551 detaillierte Fragen über gemeinnützige Organisationen, die über Programme wie „Demokratie leben!“ Fördermittel des Bundes erhalten. CDU und CSU äußern Zweifel, dass eine Vielzahl dieser Organisationen den Anforderungen an eine gemeinnützige Organisation genügen. Insbesondere stellen sie deren politische Neutralität infrage, die staatlich finanzierte Organisationen zu wahren hätten.
CDU und CSU greifen NGOs beispielhaft heraus
In den einleitenden Ausführungen zur Anfrage wird gemeinnützigen Organisationen zwar zugebilligt, politische Bildung zu leisten. Allerdings machen die Anfragesteller auch deutlich, dass eine „direkte oder indirekte Wahlkampfunterstützung – sei es für oder gegen eine Partei“, mit dem Grundsatz der Chancengleichheit nicht vereinbar sei.
Als Organisationen, deren Förderungswürdigkeit aufgrund ihrer massiven Einmischung in die politische Meinungsbildung infrage stehe, nannte die Union unter anderem „Omas gegen Rechts“ oder den BUND. In ihrer Anfrage stellte die Fraktion häufig stark ins Detail gehende Fragen zur Tätigkeit und zum Personal weiterer Organisationen. Auch wurde beispielsweise nach „einseitige[n] Narrativen“ gefragt, die diese vertreten haben könnten, oder nach Verletzungen des Neutralitätsgebots.
Zu den Organisationen, zu denen die Union direkte und detaillierte Fragen stellte, gehörten unter anderem Campact, „CORRECTIV“, die Amadeu Antonio Stiftung, Attac, PETA Deutschland, Animal Rights Watch und die Deutsche Umwelthilfe. Neben diesen Organisationen, die gezielt die Öffentlichkeit suchen, gilt das Interesse der Unionsfraktion aber auch eher im Stillen wirkenden Zusammenschlüssen.
Drehtürfunktion für politische Entscheidungsträger?
Dazu gehören etwa die wirtschaftspolitische Denkfabrik Dezernat Zukunft oder die „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ (NDM), denen es um eine stärkere Präsenz von Einwanderercommunitys in Medien geht. Die Union fragte zudem nach zwei Vereinigungen im Kontext des Agora-Netzwerks.
In einigen Fällen schienen die gemeinnützigen Organisationen eine Drehtürfunktion mit Blick auf die Politik aufzuweisen. So hat der Bundestag die Journalistin und NDM-Mitgründerin Ferda Ataman im Jahr 2022 auf Vorschlag der Ampelregierung zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt. Die Gründerin des Dezernats Zukunft, Philippa Sigl-Glöckner, ist Mitglied des Wirtschaftspolitischen Beirats der SPD. Im Jahr trat der Thinktank auf den Plan, seither hat Sigl-Glöckner schon mehrfach für Parlamente kandidiert.
Der langjährige Exekutivdirektor der Denkfabrik und Lobbyorganisation Agora Energiewende, Patrick Graichen, hatte ebenfalls eine einflussreiche Position im Umfeld der Bundesregierung. Er diente bis zu seinem Rücktritt aufgrund von Vorwürfen der Vetternwirtschaft als beamteter Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck. Er galt unter anderem als treibende Kraft hinter dem sogenannten Heizungsgesetz, das für öffentliche Proteste in Deutschland gesorgt hat.
Erfüllen Attac und „Volksverpetzer“ die Kriterien für Gemeinnützigkeit?
John Fonte vom US-amerikanischen Thinktank Hudson Institut hat bereits 2011 in seinem Buch „Sovereignty or Submission: Will Americans Rule Themselves or be Ruled by Others?” („Souveränität oder Unterwerfung: Werden die Amerikaner sich selbst regieren oder von anderen regiert werden?“) die Funktion von NGOs problematisiert. Er sah in ihnen eine treibende Kraft bei der Entmachtung souveräner Staaten und ihrer demokratischen Ordnungen zugunsten supranationaler Institutionen. NGOs, so Fonte, würden für ihre häufig extremen Agenden keine demokratischen Mehrheiten erzielen können. Deshalb blieben ihnen Druck über die Medien und Lobbyismus als Einflussoptionen.
Die Unionsfraktion erkennt das Recht solcher Organisationen an, im Rahmen ihres Satzungszwecks auch gesellschaftspolitische Stellungnahmen abzugeben. Andererseits stehe ein Agieren für oder gegen eine Partei nicht im Einklang mit der steuerlichen Begünstigung, die mit dem Gemeinnützigkeitsstatus verbunden sei. Zudem dürfe der Staat seinerseits nicht mit Steuermitteln auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken.
In einigen Fällen hatten vor allem Finanzämter Zweifel an der Gemeinnützigkeit der Tätigkeit bestimmter Organisationen geübt. Im 2014 hat das Finanzamt Frankfurt die Gemeinnützigkeit bei Attac Deutschland aberkannt, da das Netzwerk „zu politisch“ agiere. Nach Ausschöpfung des Rechtswegs ist seit 2021 eine von der Organisation betriebene Klage vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig.
Die Kampagnenorganisation Campact gilt seit 2019 nicht mehr als gemeinnützig. Im Jahr 2024 wurde dann auch dem „Volksverpetzer“ die Gemeinnützigkeit entzogen. Als Begründung wurde laut dem Blog „gegen Hetze und Fake News“ geäußert, dass deren Tätigkeit zu nah an journalistischer Arbeit sei – und Journalismus sei kein gemeinnütziger Zweck.
Beginn der staatlichen Begünstigung von NGOs in den 1980er-Jahren
Seit Mitte der 1980er-Jahre haben Organisationen in Deutschland das Recht, unter dem Banner der „Demokratieförderung“ auch politische Anliegen unter Nutzung des Gemeinnützigkeitssiegels zu verfolgen. Dies war eine Reaktion auf die Flick-Parteispendenaffäre von 1983. Spenden an Parteien und gemeinnützige Organisationen sollten voneinander getrennt werden.
Der Zweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ wurde als Gemeinnützigkeit begründender Zweck in das Gemeinnützigkeitsrecht aufgenommen. Allerdings müsse die Satzung konkrete Anliegen enthalten, wodurch man diesen Zweck verfolgen wolle – etwa politische Bildung oder fachliche Beratung. Die ersten Organisationen, die davon profitierten, waren die parteinahen Stiftungen.
Anfang der 2000er-Jahre gewann die aktive staatliche Förderung sogenannter zivilgesellschaftlicher Organisationen zunehmend an Bedeutung. Die Regierung Schröder rief den „Aufstand der Anständigen“ gegen rechtsextremistische Bestrebungen vor allem in Ostdeutschland aus. Initiativen versuchten unter anderem, die Bevölkerung zu sensibilisieren oder Jugendliche durch Freizeitangebote dem Zugriff extremistischer Gruppierungen zu entziehen.
„Demokratie Leben!“ unter der Lupe – 200 Millionen für 600 Projekte
In den 2010er-Jahren wiederum hat die Bundesregierung unter Angela Merkel damit begonnen, eigene Förderprogramme für „demokratische Teilhabe“ oder eine „starke Demokratie“ aufzulegen. Das Programm des Bundesfamilienministeriums „Demokratie leben!“ hat seit 2015 Träger und Projekte mit über 1 Milliarde Euro ausgestattet. Für das laufende Jahr werden für etwa 580 Projekte über das Programm 182 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Dazu kommen ein Programm des Bundesinnenministeriums mit dem Namen „Zusammenhalt durch Teilhabe“, welches seit 2010 mit rund 12 Millionen Euro „demokratische Teilhabe speziell in ländlichen und strukturschwachen Regionen“ fördern soll.
Die scheidenden Bundesministerinnen Lisa Paus (Familienministerium) und Nancy Faeser (Innenministerium) wollten durch ein „Demokratiefördergesetz“ die Gewährung staatlicher Mittel an „zivilgesellschaftliche“ Akteure verstetigen und berechenbar gestalten. Die Union blieb skeptisch und verweigerte sich.
Der Gesetzgeber hatte die „Förderung des demokratischen Staatswesens“ als gemeinnützigen Zweck bewusst geschaffen, um auch Nichtparteien die Möglichkeit zu geben, sich für die Demokratie zu engagieren und politisch einzumischen. Gemeinnützige Organisationen solle es möglich sein, sich in demokratiefördernde Aktivitäten einzubringen, ohne direkt als politische Partei zu gelten.
Allerdings sollten sie sich dann auch nicht wie eine politische Partei gerieren, sondern politisch relevante Vorstöße auf den Rahmen ihres konkreten Vereinszwecks beschränken. Dieser dürfe dazu nicht zu allgemein gefasst werden. Außerdem soll das Prinzip der geistigen Offenheit beherzigt werden.
NGOs als Staat im Staate oder Meinungsverstärker?
In konservativen und rechtsgerichteten Kreisen wurden jedoch schon seit Längerem Befürchtungen laut, dass NGOs längst zu einer Art Staat im Staate geworden wären – oder dass politische Parteien und Regierungen diese als Meinungsverstärker instrumentalisierten. Noch vor der Union hatte die AfD-Fraktion im Mai des Vorjahres eine Kleine Anfrage zur Förderpraxis des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ eingebracht.
In der Anfrage wurden Verdachtsmomente zitiert, wonach innerhalb geförderter Projekte Gesinnungsdruck herrsche, teilweise Personen mit extremistischen Neigungen beschäftigt würden oder unzureichende Kontrollen der Mittelverwendung stattfänden.
In ihrer neunseitigen Antwort weist die Bundesregierung Vorwürfe einseitigen oder blauäugigen Verhaltens zurück. So sei ihr nicht bekannt, dass Extremisten im Rahmen geförderter Projekte tätig seien. Es würden auch keine Einzelpersonen, sondern Vereine oder Organisationen gefördert, die auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stünden. In jedem Zuweisungsbescheid werde auch auf die Erforderlichkeit dieses Bekenntnisses und dieser Orientierung hingewiesen. Es werde auch darauf hingewiesen, dass Verstöße zu Rückforderungen oder Bußgeldern führen könnten.
Weniger Projekte gegen Linksextremismus, weil sich keine Interessenten finden
Dass es zwischen den Fördersummen für Projekte, die sich gegen den Rechtsextremismus wendeten, und gegen solche gegen den Linksextremismus ein deutliches Ungleichgewicht gebe, stellte die Bundesregierung nicht in Abrede. Sie wies jedoch darauf hin, dass sich viele Präventionsprogramme nicht eindeutig einem Phänomenbereich zuordnen ließen. Einige deckten mehrere Phänomenbereiche ab – beispielsweise neben dem Rechtsextremismus auch religiösen Extremismus. Ein Beispiel dafür ist das „Violence Prevention Network“, das im Bereich der Deradikalisierung arbeitet.
Zudem erfolge die Auswahl der Projekte zur Förderung im Bundesprogramm im Zuge öffentlicher Interessenbekundungsverfahren. Die im Verhältnis zu Rechtsextremismus geringere Anzahl geförderter Modellprojekte zur Prävention von linkem Extremismus ergebe sich „außerdem aus der geringeren Anzahl eingereichter Interessenbekundungen“. Auch beim oben erwähnten Violence Prevention Network ergebe sich die Abwesenheit eines eigenen Programms zur Deradikalisierung im Linksextremismus aus dem Fehlen geeigneter Fachkräfte sowie geringer Nachfrage. Dies wurde der Epoch Times aus den Reihen der Organisation in Niedersachsen mitgeteilt.
Während von SPD, Grünen und Linken scharfe Kritik am Vorstoß der Union kommt, hat das Recherchenetzwerk „CORRECTIV“ die in der Anfrage aufgeworfenen Fragen in Eigenregie beantwortet. Dort heißt es, man verfolge gleich mehrere gemeinnützige Zwecke, richte seine Arbeit an international definierten Standards aus und arbeite strikt überparteilich. Selbst dort, wo sich einzelne Mitarbeiter auf Basis der Erkenntnisse zu verfassungsfeindlichen Äußerungen in der AfD für ein Verbotsverfahren gegen die Partei ausgesprochen hätten, wäre dies im Rahmen der individuellen Meinungsfreiheit erfolgt. „CORRECTIV“ als Organisation habe hierzu keine Äußerungen getätigt.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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