Wie Ungeimpfte die Situation empfinden
Zwei Jahre Coronapandemie, ein Jahr Impfkampagne. Spätestens seit die Priorisierung für bestimmte Gruppen im Juni 2021 aufgehoben wurde, verfolgt die Politik die Strategie, den Großteil der Bevölkerung zu impfen. Auch Neu-Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich das Ziel gesetzt, eine sogenannte Herdenimmunität durch Impfung zu erreichen. In seiner ersten Regierungserklärung Anfang Dezember sprach er davon, dass es für ihn diesbezüglich „keine roten Linien“ mehr gebe und dass er den Unmut vieler Bürger über die Ungeimpften verstehe. Seine Regierung habe aber auch „Respekt vor ernst gemeinten Einwänden“ und wolle zuhören.
Wie gehen aber Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, damit um, dass die Zeichen in Politik, Institutionen und Gesellschaft auf Impfung gestellt sind und dass demnächst vielleicht die Impfpflicht kommt? Wie erleben sie die Stimmung in der Gesellschaft? In den Medien sind sie kaum positiv und mit ihren eigenen Anliegen vertreten, obwohl die Anzahl der Nicht-Geimpften laut dem Impfdashboard des Bundesministeriums für Gesundheit rund 24 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmacht. Das sind 20,2 Millionen (inklusive rund 4 Millionen Kinder im Alter bis vier Jahren, für die es keinen Impfstoff gibt). Wir sprachen mit Betroffenen aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen unter Wahrung ihrer Anonymität.
„Ein Familienwert“
„Wir waren immer mittendrin in der Gesellschaft, im Fußballverein, in der Kirchengemeinde, jetzt werden wir an den Rand gedrängt“, sagt Christine aus NRW. Der Grund: Die ganze Familie ist nicht geimpft. Ihr Mann kann zwar die Fußballjugend trainieren, weil für das Ehrenamt die 3G-Regel gilt, Spiele ihrer Söhne können sie aber nicht anschauen, hier gilt 2G.
Bei der Arbeit habe sie noch Glück, sagt sie, kommt mit Tests durch. Fünf bis sechs Mal pro Woche nimmt sie den Aufwand auf sich, sich testen zu lassen, warum gelten die Tests dann nicht auch für die Fußballspiele?
Durch Regelungen dieser Art und den pauschalen Umgang fühlt sie sich drangsaliert und schikaniert. Zusammen mit dem medialen Druck auf Ungeimpfte entsteht für sie ein indirekter Zwang mit dem Ziel, dass man sich impfen lässt. Das kommt nicht gut an. Die Aussicht auf eine Impfpflicht mit häufigen Auffrischungen stellt für sie eine Bedrohung dar.
„Impfen passt nicht zu unserem Gesundheitskonzept, gesund zu leben mit hoher Eigenverantwortung für das gesamte Leben“, betont sie. Dazu gehört kein Alkohol, nicht Rauchen, viel Bewegung, vegetarisch essen. Sie und ihr Mann haben sich auf Corona-Antikörper testen lassen, der Befund war positiv. Warum sich also impfen lassen?
Überhaupt nicht geimpft zu sein, „ist ein Familienwert“, erklärt sie. Die Kinder trügen das zwar mit, es stellt für sie aber gegenwärtig eine Belastung dar. In der 8. Klasse ist der Sohn der einzige Ungeimpfte. „Die Eltern sind närrisch nach Impfung“, sagt sie. Aus dem Bekanntenkreis kennt sie den Gedanken: „Wir haben uns geopfert und uns impfen lassen, jetzt müssen die anderen aber auch mitziehen“. Am schlimmsten sei für sie jedoch die Vorstellung, dass man die Kinder überhaupt gegen Corona impfen soll. Aufgrund der zumeist milden Verläufe betreffe sie die Krankheit kaum.
Von der Politik fühlt sie sich nicht vertreten. Einzig die Stimme von Wolfgang Kubicki vernimmt sie noch als Stimme der Mäßigung. Für die Aussage von NRW-Innenminister Herbert Reul, der Ungeimpfte zuletzt in die Ecke von Extremen gestellt habe, hat sie kein Verständnis. Wenn Ungeimpfte keine politische Heimat mehr haben, dann trägt für sie die Politik eine Mitschuld, wenn sich einzelne radikalisieren. Eine gesellschaftliche Entwicklung wie die Derzeitige hätte sie nie für möglich gehalten. Ihre Devise ist: So lange es geht durchhalten. Minimalziel: Totimpfstoff.
Momente ohne Hoffnung
Petra aus NRW, ein Coach gegen Prüfungsangst, hat in der Gesellschaft eine große Ängstlichkeit ausgemacht: „Wenn man Angst vor dem Virus hat, kann man nicht mehr klar denken und ist offen für Manipulation und Suggestion“, sagt sie. In ihren Augen wird die Angst durch Politik und Medien befeuert. Etwa die panische Angst, im Krankenhaus alleine am Beatmungsgerät zu liegen.
Sie hat mehr Bedenken gegenüber den Nebenwirkungen als gegenüber Corona. Bezüglich Corona vertraut sie darauf, „dass es gut geht“. Im Kontakt mit Geimpften spare sie das Thema Impfen aus, sagt sie. Über das Thema habe sie aber neue Freunde kennengelernt, mit denen sie darüber sprechen kann. Diese findet sie auch bei den Schweigespaziergängen, an denen sie teilnimmt.
Aber auch auf anderen Ebenen werde Angst erzeugt: Angesehene Wissenschaftler würden plötzlich ausgegrenzt, indem sie ihre Arbeitsstelle verlieren; abweichende Ansichten nicht angehört und diffamiert, indem sie den Querdenkern und Verschwörungstheoretikern zugeordnet werden. Warum etwa werden alternative Heilmethoden nicht genutzt?
Ernüchtert stellt sie fest, dass sie von keiner politischen Partei vertreten wird. Und die öffentlich-rechtlichen Sender berichten ihrer Wahrnehmung nach hauptsächlich regierungskonform und nicht differenziert. Daran würde auch der „wohldosierte Einsatz von Alibikritikern“ nichts ändern.
Die 2G-Regelung im Einzelhandel findet sie unverständlich. Angesichts von Impfdurchbrüchen und Infektiosität von Geimpften ist es ein Ausgeschlossensein ohne rationale Erklärung und eine Ungleichbehandlung der Menschen. Sie zweifelt an der Demokratie: „Das hat damit nichts mehr zu tun.“
Was gerade passiere, sei vom Verstand nicht zu fassen. „Es gibt Momente, wo ich keine Hoffnung mehr habe“, sagt sie. Dann kommen ihr Auswanderungsgedanken. Und die Idee für ein anderes Lebensmodell mit Spiritualität und Naturverbundenheit, um psychisch mit der Situation zurechtzukommen.
Lösungen suchen und sich vernetzen
Sarah aus Niedersachsen hat früh bemerkt, dass große Änderungen auf die Gesellschaft zukommen. Sie stellt ernüchtert fest: „Ist Deutschland noch das Land, in dem ich aufgewachsen bin und das es vorgibt zu sein?“
Ihre Devise ist es, Corona so weit es geht, nicht in ihr Leben hereinzulassen und sich den Tag nicht vermiesen zu lassen. „Das Schöne an der Zeit ist, dass man Lösungen sucht und sich vernetzt“, sagt die junge Mutter.
Nicht Essen zu gehen oder ins Kino kann sie verschmerzen. Lediglich mit ihrem kleinen Sohn würde sie gerne hin und wieder schwimmen gehen. Gemeinsam mit ihrem Mann habe sie sich gegen das Impfen entschieden und dabei blieben sie auch. Der lokale Handel müsse aber unterstützt werden, die Coronamaßnahmen stellten diesen vor Probleme.
Von der Politik erwartet sie, dass es die Entscheidung jedes Einzelnen bleibt, sich mit der Situation einzurichten, also beispielsweise selbst entscheiden zu können, ob man sich impfen lässt oder nicht. Im Bereich der Lokalpolitik habe sie die Beobachtung gemacht, dass sich die gewählten Vertreter der Bundespolitik unterordnen, in der Annahme, es würde von ihnen erwartet.
In den Medien herrsche Desinformation vor, Manipulation in den Öffentlich-Rechtlichen. Von Facebook & Co habe sie sich getrennt, weil sie die Inhalte runtergezogen haben.
Bezüglich der Impfpflicht rät sie erst einmal dazu, sich den tatsächlichen Gesetzestext genau durchzulesen. Das Thema sei zum Großteil Angstmache und eine mediale Panik. Sie kann sich nicht vorstellen, dass der Impfzwang kommt. Stichwort Heilberufe: Aus dem Bereich kennt sie viele, die sich bei einem Impfzwang von ihrem Beruf trennen würden, die darauf vertrauen würden, dass irgendwo eine neue Tür aufgeht.
Sorgen in der Familie
Nachdem der Medizinische Dienst die Impfpflicht beschlossen hat, steht die Frau von Andreas vor dem beruflichen Aus. Und das nach über 40 Jahren Dienst. Auch sein Sohn, ein Krankenpfleger, steht am 15. März, dem Stichtag für die Impfpflicht für das Gesundheits- und Pflegepersonal vor der Arbeitslosigkeit. Nicht genug: Auch die Freundin seines Sohns, eine Medizinstudentin vor dem Praktischen Jahr, kann nur mit Impfung weitermachen.
Die Familie, die ebenfalls in NRW lebt, sorgt sich und sucht nach Auswegen. Eine große Belastung. Die Lösung könnte ein neuer Totimpfstoff sein. Dabei sind drei von ihnen genesen und haben gute Laborwerte, aber keinen PCR-Test für die Zeit ihres Krankseins nachzuweisen. Auch Ärzte empfehlen ihnen, sich nicht impfen zu lassen, weil sie einen hohen Schutz haben.
An der Tür zum Essensraum in der Klinik seines Sohnes heftet ein Schild „Nur für Geimpfte“. Der Sohn sieht auch die Impfschäden und will sich nicht impfen lassen. Die Frau von Andreas kann sich auf der Arbeit nicht mehr selbst testen, wie das bisher möglich war. Ihre Kollegin sagt: „Du bist selbst schuld, wenn Du Dich nicht impfen lässt.“
Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz davon sprach, dass es „keine Roten Linien mehr“ in Bezug auf die Bekämpfung von Corona gebe, sieht Andreas die politische Zukunft nicht rosig. Die Regierung habe den Bezug zur Wirklichkeit verloren. „Hoffentlich geht das alles gut“, sagt er. Die Kinder überlegen auszuwandern.
Sein gut gelauntes Tagesgefühl sei weg, bedauert Andreas. Manchmal versucht er sich bewusst abzulenken, um auf andere Gedanken zu kommen. „Wir sind 20 Millionen“, sagt er.
„Wie soll man das aushalten, wenn man nicht betet?“
Irina Maria aus Niedersachsen ist nicht prinzipiell gegen das Impfen, die Entscheidung darüber sollte aber jedem freigestellt bleiben, findet sie. Ihr Arzt, denkt sie, würde ihr wegen einer Vorerkrankung zur Impfung raten; aus dem gleichen Grund hat sie aber Bedenken. Aus Angst, unter Druck gesetzt zu werden, geht sie nicht hin. Die Entscheidung möchte sie selbst treffen.
Nach ihrem Eindruck werden Ungeimpfte diffamiert. Skeptiker seien aber nicht ohne Grund skeptisch. Jeder sollte seinen Standpunkt vertreten dürfen und dafür nicht diskriminiert werden. Das betreffe auch viele Virologen mit einer „anderen“ wissenschaftlichen Meinung. Diese würden nicht mehr zu Wort kommen gelassen. Die Coronamaßnahmen fußten auf Zwang und Zwang entspreche nicht der menschlichen Natur. Soziale Komponenten würden von der Politik nicht berücksichtigt.
Leider gebe es viele Menschen, mit denen man nicht reden könne. So dürfe sie ihren Opa nicht treffen, weil ein Verwandter sich dagegen ausgesprochen habe.
Die ehemalige Agnostikern hat ihren Weg gefunden: Sie lässt sich in diesem Jahr taufen. „Wie soll man das aushalten, wenn man nicht betet?“, fragt sie. Von einem göttlichen Standpunkt gesehen gebe es sowieso eine andere Instanz, die bestimmt, wann und woran man stirbt. Einen Tipp für den Alltag hat sie noch parat: Wenn Körper, Geist und Seele im Einklang sind, sei man nicht mehr so empfänglich für Vorwürfe wie „nicht solidarisch“ und „Querdenker“.
Gleichbehandlung muss neu erkämpft werden
Katrin aus Sachsen hatte ein Erlebnis mit einem Hygienearzt aus dem Bekanntenkreis. Sich nicht impfen zu lassen sei „für das eigene Leben absolut dumm“ und auch für die „Solidargemeinschaft absolut unsozial hinsichtlich der Herdenimmunität“. Er schäme sich für seine sächsischen Landsleute wegen ihrer „Beklopptheit, sich nicht impfen zu lassen“. Die Ausdrucksweise habe sie erschüttert, schreibt sie zurück an ihn, ob diese Art und Weise des Miteinanders jetzt die Normalität darstelle?
Sie und ihre Kinder hatten Corona Anfang 2021 und Antikörper, warum also noch impfen lassen? Die Tochter hat dem Druck im Studium nachgegeben: „Lieber ist mein Körper krank als meine Psyche“, sagt sie zur Begründung. Aus Erfahrung weiß Katrin, dass das kein Einzelfall ist: Viele ließen sich nicht wegen ihrer Angst vor Corona oder aus Solidarität impfen, sondern wegen der Einschränkungen.
Auf dem Ständer vor einem Modegeschäft fand sie ein Kleidungsstück, das ihr gefiel. Die Verkäuferin sagt, dass sie es zwar draußen anprobieren, aber nicht drinnen kaufen könne. Daraufhin schickt sie ihre geimpfte Tochter rein. Im Lebensmittelgeschäft nebenan darf jedoch jeder einkaufen und es sind viele Leute drin. „Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit?“, fragt sie sich. Auf bestimmte Einkäufe kann sie verzichten aber die Regelungen seien „Irrsinn“.
Sie möchte nicht mit den Einschränkungen leben müssen, da sie nicht logisch begründet seien, denn Ungeimpfte sind für sie keine Pandemietreiber und Geimpfte könnten gleichwohl Überträger sein. Sie fragt sich, wieso man nicht auf Antikörper testet, eine Kollegin habe eine hohe Anzahl, obwohl sie nie krank war oder Symptome hatte.
Als jemand, die einen Beitrag für die Gesellschaft leistet, möchte sie Rechte wie jeder andere haben. Es sei bedenklich, die Gesellschaft in zwei Klassen aufzuteilen. „Das Grundrecht der Gleichbehandlung aller Menschen muss neu erkämpft werden“, glaubt sie. Menschen, die auf die Straße gehen, seien keine Coronaleugner, sondern gegen die Politik. „Und wir wissen, wie es früher war, das will keiner noch mal“, sagt sie.
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