Wie sieht das richtige Mittel zur Corona-Aufarbeitung aus?

Seit längerer Zeit steht eine Aufarbeitung der Pandemiezeit im Raum, doch bisher konnte sich die Politik nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen.
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Die teils massiven Maßnahmen während der Corona-Pandemie sollen ein Teil der politischen Aufarbeitung sein. Doch bislang haben sich die Bundestagsfraktionen noch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können.Foto: Ina Fassbender/AFP via Getty Images
Von 1. Juli 2024

„Wir müssen aufarbeiten“ – ein Satz, der nach der Corona-Pandemie in vieler Munde ist. Gut in Erinnerung ist diese Aussage beispielsweise von der ehemaligen Ethikrat-Vorsitzenden Alena Buyx. Sie sei „rumgerannt“ und habe gesagt: „Wir müssen aufarbeiten, lernen, heilen.“ Das erzählte Buyx Anfang April im Interview mit dem „Deutschlandfunk“. Allerdings, so fügte sie hinzu, müsse eine Aufarbeitung auch „wirklich gut gestaltet sein“.

Aufarbeiten bedeutet, vergangenes Unrecht aufdecken

Seit Anfang Mai ist Buyx nicht mehr Vorsitzende des Ethikrats, und wahrscheinlich gehört sie nun auch nicht zur ersten Garnitur der Aufarbeiterinnen. Dennoch: Die Aufarbeitung beschäftigt so manche(n), wobei es kaum um Inhalte, sondern bisher nur um die Form geht.

Doch was bedeutet Aufarbeitung eigentlich? Aufarbeitung soll vergangenes Unrecht aufdecken. Oder etwas allgemeiner und per definitionem gesagt: Bei der Aufarbeitung handelt es sich um „gründliches Untersuchen oder Erforschen von etwas, um neue Erkenntnisse zu gewinnen“. Aufarbeitung ist die „intensive geistige Auseinandersetzung mit etwas Vergangenem“, heißt es auf der Internetseite „wortbedeutung.info“. So weit, so theoretisch.

Als aktuellster Aufarbeitungswilliger meldete sich dieser Tage Dr. Christian Drosten zu Wort. Der Mann, der zu den Hardlinern während der Corona-Pandemie gehörte, sagte kürzlich in einem Interview mit dem „Spiegel“ (Bezahlschranke) zum Thema Aufklärung im politischen Raum: „Ich bin mir nicht sicher, ob eine parlamentarische Kommission das in der ganzen Breite erfassen kann, ob da alle zu Wort kämen, die zu Wort kommen sollten. Aber ich hätte nichts gegen den Versuch. Parallel sehe ich das auf jeden Fall als Auftrag bei den Medien und auch der Wissenschaft. Es gibt fachliche Forschung zu dem Thema, aber es braucht auch einen Erörterungsprozess, der aus der breiteren Wissenschaftsgemeinschaft kommt.“

Möglichkeiten der Aufarbeitung

Doch schauen wir zunächst auf die Möglichkeiten für eine Aufarbeitung. Seit geraumer Zeit stehen ein Untersuchungsausschuss, Expertenrat und eine Enquete-Kommission zur Debatte. Untersuchungsausschüsse waren oder sind – so wie in Hessen – auch in mehreren anderen Bundesländern aktiv. Doch welche Möglichkeiten bieten sie?

Eine Enquete-Kommission dient der Untersuchung komplexer Sachverhalte, um Empfehlungen für politische Maßnahmen zu erarbeiten. Sie wird temporär eingesetzt. Beantragt ein Viertel der Mitglieder des Bundestags dieses Gremium, ist der Bundestag dazu verpflichtet, die Kommission zu bilden. Abgeordnete sowie externe Experten können Mitglied einer Enquete-Kommission sein. In erster Linie besteht die Aufgabe darin, Lösungen und Handlungsansätze zu erarbeiten, ohne dabei Verantwortlichkeiten für vergangene Ereignisse zuzuweisen. Auch geht es nicht darum, Konsequenzen für Folgen von Entscheidungen zu fordern.

Eine Enquete-Kommission ist ebenso ein Instrument parlamentarischer Arbeit wie der Untersuchungsausschuss. Dieser hat jedoch andere Ziele und Arbeitsweisen und ist im Vergleich kritischer. Unabhängig von anderen Staatsorganen prüft er mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten von Politikern.

Wie bei der Enquete-Kommission muss der Bundestag einen Untersuchungsausschuss einsetzen, wenn ein Viertel der Abgeordneten diesen beantragt. Im Ausschuss können Zeugen und Sachverständige vernommen werden, auch können die Mitglieder Einsicht in Akten erhalten. Das Ergebnis fasst der Untersuchungsausschuss in einem Bericht an das Plenum zusammen.

Der Expertenrat „Gesundheit und Resilienz“ ist weitestgehend das Nachfolgegremium des Corona-Expertenrates und wird wie dieser vom Bundeskanzleramt eingerichtet. Er ist beratend tätig, damit die Regierung künftigen Gesundheitskrisen „bestmöglich begegnen“ könne.

Scholz findet Bürgerrat „am sympathischsten“

Eine weitere Variante brachte Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich ins Spiel. Er plädierte für einen Bürgerrat, dieser wäre ihm „am sympathischsten“, sagte er im „Sommerinterview“ mit dem ZDF. Die Bildung dieses Gremiums hatten SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, im April dieses Jahres vorgeschlagen, wie Epoch Times berichtete. Ein Bürgerrat hätte lediglich eine beratende Funktion, indem zufällig ausgewählte Menschen ihre Erlebnisse schildern und Empfehlungen für die Zukunft aussprechen können.

Die Parteien im Bundestag haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine Aufarbeitung der Corona-Krise aussehen sollte. Die SPD will zunächst den erwähnten Bürgerrat installieren, die weitere Arbeit soll eine Enquete-Kommission erledigen, meint Katja Mast.

Die Grünen haben sich bisher nicht konkret geäußert. Grundsätzlich solle es eine Aufarbeitung geben, schrieb die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge in der vergangenen Woche auf Instagram: „Wir Grüne wollen auch im Parlament zu einer Aufarbeitung der Corona-Politik kommen. Unterschiedliche Formate sind aus unserer Sicht möglich. Wichtig ist jetzt vor allem eine schnelle gemeinsame Entscheidung“, ist in ihrem Account nachzulesen.

Für eine Aufarbeitung ist auch die FDP-Fraktion. Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisierte jüngst „Eingriffe in Grundrechte, die nicht gerechtfertigt waren“. Das berichtet das ZDF auf seiner Internetseite. Die FDP habe schon zu Pandemiezeiten viele Eingriffe kritisch gesehen, so Lindner weiter. Eine Aufarbeitung müsse „parlamentarisch“ erfolgen.

Daher kommt ein Bürgerrat allein für die Liberalen nicht infrage, vermeldete die „Tagesschau“ wenige Tage später. Es müsse ein Format sein, in dem die während der Pandemie Verantwortlichen kritisch befragt werden können.

„Denn wir wollen ja wissen, warum einzelne Landesregierungen und auch die Ministerpräsidentenkonferenz zu teilweise absurden Corona-Maßnahmen gekommen sind“, so FDP-Fraktionschef Christian Dürr. „Manche, und ich nenne Markus Söder ausdrücklich, die schämen sich heute dafür.“ Trotzdem seien die Länderchefs „der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig“.

Die FDP hatte sich in der Vergangenheit wiederholt für eine Enquete-Kommission ausgesprochen.

CDU: Bürgerrat nicht demokratisch legitimiert

Einen Bürgerrat, wie ihn Scholz favorisiert, lehnt die CDU-Fraktion ab. Der sei „in keinster Weise demokratisch legitimiert“ und auch „wieder nur so ’ne Nebelkerze“, sagte Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Union im Bundestag, vor einer Woche in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“.

Man benötige nun ein demokratisch legitimiertes Gremium. Das wären seiner Ansicht nach „Parlamentarier im Rahmen der Bund-Länder-Kommission“. Diese könne man schnell einsetzen, denn man sehe ja das „Gezerre“, ob Enquete-Kommission oder Bürgerrat. Letzteren hatte er schon in einem Gespräch mit dem Radiosender „rbb24“ im April 2024 kritisch gesehen.

Eine Aufarbeitung werde bereits seit einem Jahr gefordert. Es entstehe der Eindruck, dass mit der Installation eines Bürgerrats die ganze Sache „auf die lange Bank geschoben“ werde, so Sorge.

Anders äußerte sich hingegen Sorges Parteifreund Jens Spahn, der bis Ende 2021 als Gesundheitsminister für viele Entscheidungen verantwortlich war. Er favorisiere Bürgerrat und Enquete-Kommission. „Klug kombiniert“ könnten diese Instrumente dafür sorgen, dass in der Aufarbeitung „eine ganze Breite deutlich“ werde, sagte Spahn in einem Interview mit dem „Westdeutschen Rundfunk“.

Die AfD-Fraktion fordert schon lange eine Aufarbeitung und initiierte im November 2023 ein Corona-Symposium im Bundestag (Epoch Times berichtete). Am Rande dieser zweitägigen Veranstaltung forderte der Bundestagsabgeordnete Martin Sichert einen Untersuchungsausschuss. Im April 2024 brachte die Fraktion eine Drucksache in den Bundestag ein, der die Bildung einer Enquete-Kommission zum Inhalt hatte.

Die AfD wollte unter anderem klären, welche Rollen der Deutsche Ethikrat, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, das Bundesverfassungsgericht und das Robert Koch-Institut (RKI) spielten. Die Ergebnisse der Kommissionsarbeit sollten bis zur Sommerpause 2025 vorliegen. Nachdem der Antrag zunächst zur weiteren Diskussion in die Fachgremien verwiesen wurde, lehnte der Bundestag ihn im Juni 2024 ohne weitere Aussprache ab.



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