Wie geht es mit dem Deutschlandticket weiter?
Mehr als 11 Millionen verkaufte Tickets, von vielen als Tarifrevolution gefeiert: Das Deutschlandticket im Nah- und Regionalverkehr wird bald ein Jahr alt. Seit dem 1. Mai 2023 kann es bundesweit im Nah- und Regionalverkehr genutzt werden.
Der monatliche Preis liegt in der Regel bei 49 Euro – wie lange noch? Das ist eine Frage, mit der sich die Verkehrsminister der Länder heute und morgen beschäftigen. Wegweisende Beschlüsse werden eher nicht erwartet. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) fehlt in Münster, er weilt im Ausland und schickt zwei Staatssekretäre. Die Verkehrsministerkonferenz beginnt am Mittwoch in Münster und soll bis Donnerstag dauern.
Hausaufgaben beim Deutschlandticket
Das Deutschlandticket sei nicht nur ein Anreiz, um auf den ÖPNV umzusteigen, sagte der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz. Es entlaste die Pendler finanziell und wirke sich dämpfend auf die Inflation auf. „Ich bin daher mit dem ersten Jahr sehr zufrieden. Aber es gibt auch noch Hausaufgaben, die anstehen: Die dauerhafte Finanzierung bleibt ein Thema“, sagte Krischer.
„Hierzu ist es notwendig, dass wir das Ticket noch stärker als Job-Ticket etablieren und es von den Arbeitgebern auch entsprechend anteilig übernommen wird.“ Im Januar hatten die Verkehrsminister beschlossen, dass der Preis des Deutschlandtickets in diesem Jahr stabil bleibt. Oder kommt noch einmal Bewegung in diese Frage?
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte, der Beschluss sei auf der Grundlage einer Zusage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geschehen, dass Restmittel aus dem Vorjahr auf dieses Jahr übertragen werden könnten. Es gehe um 350 Millionen Euro, die die Länder und die Verkehrsbetriebe dringend bräuchten. Seit November sei hier aber nichts passiert.
Wie viel wird das Deutschlandticket 2025 kosten?
„Kommt die Übertragung der Mittel nicht, muss das Deutschlandticket noch dieses Jahr teurer werden, oder es wird sogar ganz auslaufen.“
Beides wolle er nicht, denn dies wäre ein großer Vertrauensverlust. Auf jeden Fall offen ist, was das Deutschlandticket von 2025 an kostet. Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, sagte: „Bund und Länder müssen jetzt zu ihrem Versprechen stehen und den Preis stabil halten, mindestens bis zum Jahr 2030.“
Um langfristig noch mehr Menschen in Busse und Bahnen zu holen, sei eine gesicherte dauerhafte Finanzierung des Deutschlandtickets notwendig. „Es kann sein, dass es zukünftig eine stärkere Belastung auch der Fahrgäste geben kann und der Preis steigt“, sagte der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU).
Es müssten zunächst Fakten zur genauen Höhe der Einnahmen auf dem Tisch liegen. Madsen forderte zudem ein Signal vom Bund, auch vom Jahr 2026 an zu seiner Verantwortung für das Deutschlandticket zu stehen.
Um Einnahmeausfälle bei Verkehrsbetrieben bei dem Ticket auszugleichen, zahlt der Bund laut Regionalisierungsgesetz bis 2025 im Jahr 1,5 Milliarden Euro – die Länder zahlen ebenfalls 1,5 Milliarden.
Länder benötigen mehr Geld
Die milliardenschweren sogenannten Regionalisierungsmittel des Bundes, mit denen die Länder und Verkehrsverbünde Bahn- und Busverbindungen bei Verkehrsunternehmen bestellen, sind seit Jahren ein Zankapfel – die Länder fordern wesentlich mehr Geld. Hintergrund ist auch ein geplanter „Ausbau- und Modernisierungspakt“ des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert, dass die Diskussion auf der Verkehrsministerkonferenz nicht beim Deutschlandticket stehen bleiben darf. „Wir erwarten, dass die Verkehrsministerkonferenz sich mit der insgesamt dramatischen Situation der ÖPNV-Finanzierung beschäftigt“, teilte VDV-Geschäftsführer Alexander Möller mit.
„Die Branche braucht eine gesicherte und verlässliche Perspektive für den dringend nötigen Ausbau und die Modernisierung von Infrastrukturen und Fahrzeugen sowie finanzielle Mittel für den flächendeckenden Angebotsausbau.“
Das Angebot von Bus und Bahn müsse erhöht werden, sagte Krischer. „Hierfür brauchen wir aber Investitionen in den Ausbau und den Erhalt der Schiene.“
Krischer hatte bereits einen von Wissing vorgeschlagenen „Infrastrukturfonds“ begrüßt, in dem Finanzmittel für Schienen, Straßen und Wasserwege für mehrere Jahre gebündelt werden sollen.
Wissing will dazu auch privates Kapital mobilisieren. „Ich erhoffe mir vom Bund weitere Details“, so Krischer. „Denn eines ist klar: Ohne zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur wird das Deutschlandticket seinen Reiz verlieren.“
Konfliktthemen zwischen Bund und Ländern
In Münster dürfte es vor allem hinter den Kulissen auch um zwei Vorhaben des Bundes gehen, welche die Länder vorerst gestoppt haben. Zum einen geht es um ein Gesetz, das wichtig ist zur bevorstehenden Generalsanierung wichtiger Bahnstrecken, die im Sommer beginnen soll.
Das Bundesschienenwegeausbaugesetz steckt im Vermittlungsausschuss, nachdem es wegen Finanzfragen im Bundesrat keine Mehrheit bekommen hatte. Im Bundesrat hatte außerdem ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz zu neuen Regelungen im Straßenverkehr die erforderliche Mehrheit verfehlt.
Städtetag warnt vor Einschränkungen
Der Deutsche Städtetag warnt vor massiven Einschränkungen im öffentlichen Personennahverkehr wegen Geldmangels. „Wir können nicht ausschließen, dass einige Städte schon bald aus Finanznot ihre Fahrpläne ausdünnen müssen“, sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der „Rheinischen Post“.
Die Städte wollten in moderne Busse und Bahnen, schnellere Takte und emissionsfreie Flotten investieren. „Aber wie das umgesetzt und finanziert werden soll, darüber schweigt sich der Bund aus“, sagte Lewe weiter. Die Kosten dafür lägen verschiedenen Gutachten zufolge bei 40 und 60 Milliarden Euro bis zum Jahr 2031. Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln für den öffentlichen Nahverkehr sei jedoch „nicht einmal das momentane Niveau zu halten“.
Der ökologische Verkehrsclub VCD forderte dabei auch eine Stärkung des Fußverkehrs und dazu konkrete Ergebnisse der Verkehrsministerkonferenz. „Zufußgehen ist nachhaltig, hält gesund und ist die sozialste Form von Mobilität“, erklärte der VCD. Gerade für Kinder oder Ältere sei das Zufußgehen „eine wichtige Voraussetzung zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“.
Die Politik jedoch behandle das Thema stiefmütterlich. Fußwege seien oft in schlechtem Zustand, zu schmal oder zugeparkt. Zu schnell fahrende Autos, zu kurze Ampelphasen und zu weit auseinanderliegende Übergänge erschwerten zudem das Überqueren der Straße und es fehlten Straßengrün und Bänke zum Ausruhen. (dpa/afp/red)
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