Wie geht es der bayerischen Milchwirtschaft?
Viele Betriebe der Milchwirtschaft in Bayern lebten jahrelang aus ihren Reserven. Nun wird versucht, in Deutschland ein Anbindehaltungsverbot einzuführen, erklärt Wolfgang Scholz, Vorsitzender des Verbands der Milcherzeuger in Bayern. Es sei doch auch eine Kombinationshaltung möglich, also eine Kombination aus Anbindehaltung plus Weidegang.
Er plädiert für einen Schutz der Kleinbauern. Auf der Grünen Woche in Berlin sprachen wir mit dem Vorsitzenden des Verbands über die aktuellen Herausforderungen der Milchbauern. Die Fragen stellte Erik Rusch.
Was sind die Probleme aktuell in der bayerischen Milchwirtschaft?
Ich vertrete die bayerische Milchwirtschaft, die sehr vielschichtig ist. Wir haben auch sehr viele kleine Betriebe, kleinbäuerliche Familienbetriebe, auch sehr viele Betriebe im Nebenerwerb und so weiter. Je weiter man in sensible Bereiche, sprich in die Alpen geht, umso kleiner werden die Strukturen.
Und wir haben heute einen Zeitgeist, der eine sehr starke Dynamik in Tierwohl deklariert und das beschreibt. In diesen Beschreibungen fällt die kleinbäuerliche Struktur raus – das erachte ich als ein Drama.
Was bedeutet kleinbäuerliche Struktur?
Am Beispiel Garmisch im Alpenvorland bedeutet dies, dass Betriebe, die nur fünf oder zehn Kühe haben, dort ganz normal sind. Manche haben noch einen Nebenerwerb, wie eine kleine Pension oder Ähnliches.
Die Kühe leben hier in einer anderen Haltung, oftmals mit Weidegang, manchmal auch ohne Weidegang. Denn nicht immer ist ein Weidegang aufgrund der engen Platzverhältnisse oder aufgrund der örtlichen Verkehrssituation möglich. Diese Betriebe erachte ich auch als kulturell wertvoll. Denen droht das Aus, weil sie in den jetzigen Haltungsformdiskussionen keine Chance haben mitzukommen.
Diese Höfe sind nicht dazu in der Lage, einen Laufstall zu errichten, oftmals aus rechtlichen Gründen und manchmal natürlich auch aufgrund der Finanzierung. Wer kann sich schon so einfach einen neuen Laufstall bauen? Die Kosten pro Einheit sind einfach zu hoch. Da muss einer wirklich sehr viel Geld woanders her reinbuttern und darum sollte dort wesentlich mehr Toleranz in Deutschland herrschen, damit diese Betriebe auch künftig eine Existenzgrundlage haben.
Könnte die Politik da etwas tun?
Natürlich könnte die Politik da etwas tun. Man versucht in Deutschland ein Anbindehaltungsverbot einzuführen. Aus diesem Anbindehaltungsverbot sollte man eben diese angesprochenen sensiblen Bereiche bei den Kleinbauern herausnehmen und für unbestimmte Zeit die Kombinationshaltung sichern.
Mit Kombinationshaltung ist eine Kombination aus Anbindehaltung plus Weidegang gemeint. Aktuell wird nur darüber gesprochen, das als Übergangslösung einzuführen. Ich wünsche mir einen dauerhaften Bestandsschutz für kleine kultursensible Betriebe und auch unbegrenzten Schutz der Kombinationshaltung.
Sie sprachen von einem Widerspruch, der aktuell den Milchbauern die Arbeit erschwert. Welcher ist das?
Der Widerspruch liegt darin, dass unsere Gesellschaft uns auf den freien Markt entlassen hat, was ja grundsätzlich nicht falsch ist. Freier Markt heißt offener Warenverkehr über Grenzen innerhalb Europas und auch über Europa hinaus.
Allerdings funktioniert dies nicht, wenn man gleichzeitig für uns heimische Milchbauern einseitig die Standards hochzieht, die Produktion verteuert und keinerlei Schutzmechanismen einbaut, sodass man gegen Billigimporte aus dem Ausland geschützt ist. Damit schließt man uns praktisch aus dem Wettbewerb aus.
Aber das eigentliche heimische System in der Milchwirtschaft und die Preispolitik dort, das hat sich doch bewährt, oder?
Ich sehe kein besseres Milchwirtschaftssystem als bei uns. Ich kommuniziere hier auf der Grünen Woche mit sehr vielen Menschen auch aus anderen Ländern. Es gibt kein besseres System. Also Marktwirtschaft ist grundsätzlich richtig. Nur Marktwirtschaft braucht aus Sicht unserer Strukturen auch eine soziale Komponente.
Und die gilt es über die Agrarpolitik zu steuern, was ja bisher, wenn man mal die vergangenen Jahrzehnte anschaut, gar nicht mal so schlecht lief. Allerdings haben wir jetzt eine Agrarpolitik mit überzogenen Forderungen an Standards.
Sind die Milchbauern also mit den Milchpreisen zufrieden?
Grundsätzlich muss man die ganze Historie der Agrarpolitik sehen. Wir haben uns in den 2000er-Jahren von der ursprünglichen Marktordnung verabschiedet. Das heißt, bis 2008 oder 2009 herrschte bei uns der europäische Milchpreis. Seit 2009 hat man einen globalen Milchpreis. Wir folgen allen Tendenzen der im vierzehntägigen beziehungsweise dreiwöchigen Rhythmus stattfindenden internationalen Handelsplattform GDT (Global Dairy Trade) für Milchstandardprodukte.
Zum anderen ist es so, dass in dem Maße, wie sich weltweit die [protektionistischen] Marktinstrumente reduziert haben, das natürliche Niveau des Weltmarktes erhöht. Das ganze Weltmarktniveau wurde durch protektionistische Maßnahmen künstlich niedrig gehalten.
Die jetzigen hohen Milchpreise des vergangenen Jahres kommen nur aus dem höheren Niveau des Weltmarktes. Die sind nicht durch den heimischen Markt durch eine stärkere Nachfrage entstanden. Nein, die sind weltmarktgetrieben. Weltweit ist die Nachfrage nach Milch gestiegen, sodass man im letzten Jahr mit der Produktion nicht hinterherkam und mit dem Angebot die Nachfrage nicht decken konnte.
Dadurch konnten wir unsere Margen, obwohl sich die Kostenstruktur durch den Krieg in der Ukraine verändert hat, erhöhen. So sind die Futtermittelpreise gestiegen und die Energiekosten, also die Strom- und Dieselpreise.
Die Erlöse durch die Milchpreise sind daher gut. In Summe war das letzte Jahr von der Marge her besser als die Jahre zuvor. Die Differenz zwischen Aufwand und Ertrag war jahrelang immer viel zu dünn und viele Betriebe haben aus der Reserve gelebt. Das ist jetzt besser geworden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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