Wie der „Obergrenzen-Minister“ Seehofer die Grenzen selbst offen hält
Vor der Wahl war vom jetzigen Innenminister Seehofer zu lesen, dass er sich für eine Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen, mindestens aber für „Obergrenzen“ in der Höhe von zwei Großstädten jährlich, einsetzen wolle.
Für manche wenig überraschend, ist es nun er selbst, der die deutschen Grenzen weiter für jene offen hält, die behaupten, Schutz zu suchen. Die Welt vom 13.04.2018 berichtete hierzu:
Die Bundesregierung hatte sich auf dem Höhepunkt der Migrationskrise entschieden, niemanden an der Grenze zurückzuweisen, der angibt, auf der Suche nach Schutz zu sein – und diesem Kurs wird noch heute gefolgt.“
Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick in das Gesetz, das durch die Bundesregierung und insbesondere durch den Innenminister ohne irgendeinen formellen Beschluss des Bundestages seit über zweieinhalb Jahren praktisch außer Kraft gesetzt ist.
Was wäre rechtlich vorgeschrieben?
Danach ist einem Asylsuchenden die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat einreist oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der EU für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 18 Abs. 2 AsylG).
Da Deutschland vollständig von sicheren Ländern umgeben ist, die bereits im Rahmen der Dublin-III-Verordnung der EU für das Asylverfahren zuständig wären, müsste danach eigentlich jeder Asylsuchende zurückgewiesen werden.
Selbst die Bundesregierung hat gegenüber dem Bundestag mehrfach bekräftigt, dass solche Zurückweisungen an der Grenze im Rechtsrahmen der Dublin-III-Verordnung und des § 18 AsylG eigentlich zulässig sind (BT-Drs. 18/7510, S. 29; BT-PlPr 18/154, S. 15166 A; BT-Drs. 18/7311, S. 5.)
Die Grenzöffnung der Bundesregierung besteht also in der mündlichen und unveröffentlichten Anordnung (BT-Drs. 19/883, S. 3) des damaligen Innenministers, diese gesetzlichen Regelungen zur Zurückweisung von Asylsuchenden nicht mehr anzuwenden ( BT-Drs. 18/7311, S. 2).
Selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestages stellt dies fest
Damit sind die gesetzlichen Regelungen zur Zurückweisung ohne Gesetzesänderung des Bundestages faktisch zeitlich und mengenmäßig unbegrenzt außer Kraft gesetzt.
Wie die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages nachgewiesen haben, hat die Bundesregierung bis heute nicht einmal eine exakte Rechtsgrundlage hierfür benannt (WD 3 – 3000 – 109/17, S. 10).
Genau an dieser lediglich mündlich angeordneten Grenzöffnung hält auch der angebliche „Obergrenzen-Minister“ Seehofer weiter fest.
Prof. Hans-Werder Sinn: Die rechtliche Obergrenze für neue Asylanträge liegt bei Null, nicht 200.000
Prof. Hans-Werner Sinn hat dies klar und deutlich kritisiert:
Das Grundgesetz ist eindeutig. Es besagt, dass Flüchtlinge, die aus einem sicheren Drittland, ob EU-Land oder nicht EU-Land, einreisen, nicht das Recht auf Asyl in Deutschland beanspruchen können.“
Er schreibt weiter:
Das Asylgesetz, das darauf aufbaut, besagt, dass Flüchtlinge, die aus einem sicheren Drittland einreisen, um Asyl zu beantragen, an der Grenze zurückzuweisen sind.“
Prof. Sinn weiter:
Das ist ein klarer Imperativ. Womit die rechtliche Obergrenze für neue Flüchtlinge, die auf dem Landwege Deutschland erreichen, praktisch null ist. Nicht etwa 200.000.“
Verfassungswidrig geltendes Recht außer Kraft gesetzt
Noch viel bedeutender als die Wählertäuschung Seehofers ist die Tatsache, dass die freiwillige, zeitlich und mengenmäßig unbegrenzte Außerkraftsetzung von geltendem Recht zur Zurückweisung von Asylsuchenden ohne formellen Beschluss des Bundestages formell verfassungswidrig ist.
Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung kann eine lang andauernde Außerkraftsetzung dieser gesetzlichen Regelungen aufgrund der enormen gesellschaftlichen Auswirkungen der Einreise und Versorgung von weit über 1,5 Millionen bisher und hunderttausenden jährlich erwarteten Asylsuchenden nur durch das Parlament beschlossen werden.
Der damalige bayerische Ministerpräsident Seehofer sprach insoweit sogar selbst, untermauert durch ein umfangreiches Rechtsgutachten, von einer „Herrschaft des Unrechts“.
Rechtswissenschaftler: „Krise des Rechts“
Aber auch darüber hinaus kritisierten Rechtswissenschaftler „rechtsfreie Räume“ bei der Sicherung der Außengrenzen, sprachen von einer „Krise des Rechts und der parlamentarischen Demokratie in Deutschland“ und fürchteten, der Rechtsstaat sei
im Begriff, sich im Kontext der Flüchtlingswelle zu verflüchtigen“.
Andere meinten, einen „fortwährenden Rechtsbruch“ oder eine „selbstherrliche Kanzler-Demokratie“ zu erkennen, gingen sogar von einer Strafbarkeit der Bundeskanzlerin wegen Beihilfe zur illegalen Einreise aus und forderten die „Rückkehr zum Recht“ durch eine Entscheidung des Bundestages beziehungsweise ein „parlamentarisches Gesetz“, da die Kanzlerin keine Kompetenz habe, „geltendes Recht außer Kraft zu setzen“.
Die Kanzlerin war nicht dazu befugt, allein zu entscheiden
Bildhaft auf den Punkt bringt es der Rechtsanwalt und ehemalige SPD-Bundesinnenminister Schily (Stern vom 15.09.2016, S. 112):
Die Bundeskanzlerin hat ganz allein darüber entschieden. Sie hat vollendete Tatsachen geschaffen, eine Million Flüchtlinge ins Land gelassen und anschließend die anderen europäischen Länder aufgefordert, jetzt bitte Solidarität zu zeigen und uns Flüchtlinge abzunehmen.“
Schily erklärt weiter:
Das war weder europäisch, noch hat es irgendetwas mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu tun.
Und ganz deutlich:
Die Kanzlerin ist nicht befugt, aus eigener Machtvollkommenheit darüber zu entscheiden, ob Personen illegal einreisen dürfen oder nicht.“
Interessiert das die Parteien im Bundestag nicht?
Auch in jüngerer Zeit hat die Grenzöffnung umfassende juristische Kritik erfahren (siehe auch hier, hier und hier).
Die Abgeordneten tun jedoch so, als sei dies Sache der Bundesregierung und – wie vielfach geschehen – Deutschland sowieso aufgrund der Verfassung, europäischem Recht oder der Genfer Flüchtlingskonvention zu offenen Grenzen für Asylsuchenden gezwungen.
Das Schweigen der erstmals in den Bundestag eingezogenen Parteien
Warum schweigen die 2017 wieder bzw. erstmals in den Bundestag eingezogenen Parteien?
Sie könnten die Aufrechterhaltung der Grenzöffnung jederzeit durch ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen, sehen aber der Nichtbeteiligung des Bundestages an der fortdauernden Außerkraftsetzung der Gesetze zur Zurückweisung nun tatenlos zu.
Seehofer könnte sofort die Lage ändern
Will Innenminister Seehofer von seiner als Ministerpräsident kritisierten „Herrschaft des Unrechts“ nichts mehr wissen?
Jetzt hätte er die Möglichkeit, die formell verfassungswidrige Anweisung an die Bundespolizei aufzuheben.
Er könnte sofort sicherstellen, dass diese die geltenden Gesetze zur Zurückweisung von Asylsuchenden, die bereits in vielen Ländern auf ihrer Reise nach Deutschland in Sicherheit vor Krieg und Gewalt waren, wieder anwenden.
(ks)
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