Widerstand von Studentenvertretern: Humboldt-Universität zieht sich aus Diktaturforschungs-Projekt zurück
Der auf Russland und marxistischen und stalinistischen Terror spezialisierte Historiker und Gewaltforscher Jörg Baberowski wollte ein „Interdisziplinäres Institut für vergleichende Diktaturforschung“ an der Humboldt-Universität (HU) in Berlin gründen, berichtet der „Deutschlandfunk“. Baberowski ist seit 2002 Professor für Geschichte Osteuropas an der HU.
Gemeinsam mit acht Historikern – allesamt Experten für die Geschichte des Nationalsozialismus, für Diktaturen in Italien, Spanien, Südosteuropa, Lateinamerika und China – und fünf Staatsrechtlern wollte Baberowski näher erforschen, warum und wie Diktaturen entstehen. Die Fakultätsräte der Philosophie und der Rechtswissenschaften unterstützten Baberowskis Pläne und stimmten der Institutsgründung zu.
Im Akademischen Senat kam es zum Eklat
Es fehlte nur noch die Zustimmung des Akademischen Senats, der sich aus Hochschullehrern, akademischen Mitarbeitern und Studierenden zusammensetzt und über aktuelle Entwicklungen der Universität bestimmt. Seine Mitglieder treffen Entscheidungen über die Steuerung und inhaltliche Ausrichtung der Universität.
Hier kam es zum Eklat. Denn alle vier Studentenvertreter im akademischen Senat stellten sich gegen das Diktaturforschungs-Projekt Baberowskis.
Diktaturforschungszentrum „ist nicht genügend interdisziplinär“
Anfang Januar twitterte einer von den vier studentischen Mitgliedern des Akademischen Senats Passagen aus einem externen Gutachten der Historiker Ulrich Herbert und Thomas Lindenberger zu dem geplanten Diktaturforschungszentrum.
Beide Gutachter sahen das geplante Zentrum kritisch. Es sei „nicht genügend interdisziplinär“ und mit zu wenig Kapazitäten für die Forschung ausgestattet, so die Gutachter.
Doch tatsächlich scheinen eher Baberowskis Aussagen zur 2015 einsetzenden Massenmigration und Deutschlands Migrationspolitik und damit verbunden seine konservative Grundhaltung eine entscheidende Rolle für den Widerstand bei den Studierenden gegen das Diktaturforschungs-Institut zu sein.
Studentin: „Baberowski, fiel durch sehr konkrete politische Aussagen auf“
So äußerte Bafta Sarbo eine Sozialwissenschaften-Studentin, die das Diktaturforschungszentrum nicht unterstützen will gegenüber dem Deutschlandfunk:
Es geht natürlich auch um die Person Baberowski, der in der Vergangenheit durch sehr konkret politische Aussagen auch schon aufgefallen ist, zum Beispiel durch Aussagen, die wir als flüchtlingsfeindlich bezeichnen würden. Und in diesem Zusammenhang sehen wir einfach nicht, dass ein Institut, das von Herrn Baberowski maßgeblich politisch gestaltet wird, vereinbar ist mit den Prinzipien, die diese Universität für sich formuliert hat, also Antidiskriminierung und Diversität.“
Studentenvertreterin: „Forschungszentrum distanziert sich nicht genug von rechtspopulistischen Strömungen“
Bafta Sarbo, ist eine in Deutschland geborene Tochter von geflüchteten Oromo – einer Volksgruppe – die in Äthiopien und Kenia sesshaft ist. In Frankfurt am Main aufgewachsen berichtet sie, dass sie Mitglied im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD Bund) sei und sich schwerpunktmäßig mit Marxistischer Gesellschaftstheorie, (Anti-)Rassismus und Migrationspolitik beschäftigt.
Die Geschichtsstudentin Juliane Ziegler, Mitglied im Akademischen Senat der HU vermisst laut „Deutschlandfunk“ eine klare Distanzierung des geplanten Diktaturforschungszentrum, von „rechtspopulistischen Strömungen“. Ziegler ist neben dem Akademischen Senat auch im Referenten-Rat der HU, den sie als eine linke Studierendenvertretung bezeichnet, „die sich gegen die AfD und ihre Politik stellt“, tätig.
Baberowski: „Das Deutschland, an das wir uns gewöhnt haben, wird verschwinden“
Im Dezember 2015 äußerte Baberowski auf dem Höhepunkt der Massenmigration gegenüber dem „Focus“:
Das Deutschland, an das wir uns gewöhnt haben, wird verschwinden. All das, was uns lieb und teuer war, womit wir unserem Leben bislang einen Halt gegeben haben.“
Das liege daran, dass Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis kämen auch andere Vorstellungen davon hätten, wie wir leben sollen. Deutschland müsse nun einen gemeinsamen Nenner finden, auf den sich das Leben der Vielen bringen lasse, so Baberowski damals.
Wie das geschehen soll, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es nicht einfach werden wird. (…) Für diese Entwicklung ist Deutschland überhaupt nicht gerüstet (…).“
Die Juristische Fakultät zog aufgrund des Widerstandes der Studentenvertreter ihre Unterstützung für das Projekt zurück. Im Juni wurde im Akademischen Senat lediglich noch festgestellt, dass der ursprüngliche Antrag zurückgezogen worden sei.
Baberowski: „Universität wollte kein negative Schlagzeilen wegen der Exzellenzinitiative“
Von offizieller Seite heißt es durch Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität dazu:
Es ist zu einer Indiskretion im Umgang von Gutachten gekommen, die über dieses Zentrum für Diktaturforschung vorlagen. Das war etwas, was zu klären war durch die Universitätsleitung und durch den Vorsitz des Senates – und somit auch der Grund überhaupt, das Verfahren auszusetzen.“
Jörg Baberowski sieht sein Projekt wegen des Widerstands der Studentinnen und Studenten als gescheitert an. Seiner Meinung nach müsse die Universität ein Ort des „wilden und ungebundenen, unbeschränkten Denkens“ sein.
Seiner Ansicht nach hätten die Studenten die Universität medial unter Druck gesetzt, woraufhin die Universität eingeknickt sei. Und dass, weil die Universität in der Exzellenzinitiative keine Öffentlichkeit bräuchte, keine negative Öffentlichkeit.
Zudem wäre das Diktaturforschungs-Projekt und die Wissenschaftsfreiheit für die Universität nicht so wichtig, „wie die Ruhe, die die Universität gerne haben möchte“.
Baberowski vermisst Unterstützung durch Leitung der Humboldt-Universität
Baberowski vermisst die klare Unterstützung der Leitung der Humboldt-Universität für sein Projekt, berichtet der „Deutschlandfunk“ weiter. Er bedauere, dass es im Entscheidungsgremium nie zu einer inhaltlichen Diskussion über das Zentrum für Diktaturforschung gekommen ist.
Für ihn sei das eigentlich nur „großes Gebrüll und Geschrei“, vor dem alle in die Knie gehen würden. Es bräuchte nur jemand irgendetwas hinauszurufen in die Welt, was als anstößig gelten könne – sofort würden alle einknicken und versuchen, der Sache aus dem Weg zu gehen, so der Historiker.
HU-Dekanin hält Projekt für wissenschaftlich seriös und politisch notwendig
Eine Befürworterin des Projekts ist Gabriele Metzler, Dekanin der Philosophischen Fakultät an der HU. Sie erklärt, sie habe Baberowskis Vorhaben immer befürwortet.
„Ich habe dieses Institut von Anfang an unterstützt. Ich habe im Fakultätsrat dafür gestimmt, und ich hätte auch im Akademischen Senat sehr dezidiert dafür Stellung bezogen, weil ich das Unternehmen für sinnvoll halte, für wissenschaftlich seriös und obendrein für politisch notwendig.“ (er)
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