„Wertschätzung sieht anders aus“ – viel Kritik an Lauterbachs Pflegebonus

Eigentlich sollte der Pflegebonus eine Belohnung sein für die Pfleger und Ärzte, die während der Pandemie Übermenschliches geleistet haben. Doch nun ist der Frust riesengroß.
«Jetzt gibt es hier einen Überbietungswettbewerb: Welches Land kann zuerst lockern? Das ist ein Stück weit populistisch»: Karl Lauterbach.
Gesundheitsminiter Karl Lauterbach.Foto: Carsten Koall/dpa
Von 3. Dezember 2022

Viele Beschäftigte im Gesundheitswesen blicken in diesen Tagen ratlos auf ihr Konto. Statt des versprochenen Pflegebonus, der gerade jetzt vor Weihnachten von vielen sehnlichst erwartet wurde, klafft auf ihrem Konto eine Lücke. Denn nicht alle Bedienstete kommen in den Genuss, die Einmalzahlung von 2.200 Euro für Pflegekräfte und 3.300 Euro für Intensivpfleger zu kassieren. Die Anforderungen sind hoch. Nur wer am Patientenbett gearbeitet hat, kommt für die Bonuszahlung infrage – und auch nur unter bestimmten Bedingungen.

„Ein Schlag ins Gesicht“

Was eigentlich als Zeichen von Anerkennung und Dankbarkeit gedacht ist, bedeutet für sehr viele Beschäftigte einen „Schlag ins Gesicht“, kritisiert die Gewerkschaft ver.di. Zu Recht seien die Angestellten von der Politik enttäuscht, so Grit Genster, ver.di-Bereichsleiterin Gesundheitswesen/-politik. „Wertschätzung sieht anders aus“.

„Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen haben während der Pandemie bis zur Erschöpfung gearbeitet und einen Bonus mehr als verdient“, betont die Gewerkschafterin weiter. Nun werde die Prämie aber nur an Pflegekräfte ausgezahlt, die im vergangenen Jahr mindestens 185 Tage im Krankenhaus am Patientenbett gearbeitet haben. Vor allem junge Mitarbeiter, die vorher noch in der Ausbildung waren, blieben damit auf der Strecke.

Ähnlich verhält es sich bei Intensivpflegekräften. Zwar bekommen sie für ihre Leistungen gleich den anderthalbfachen Bonus, aber nur, wenn sie auch eine entsprechende Ausbildung für Intensivpflege oder Anästhesie vorweisen können.

Etliche Pfleger und Ärzte gehen leer aus

Ein weiteres Kriterium ist, dass die Begünstigten am 30. Juni 2020 noch in den Einrichtungen tätig gewesen sein müssen. Damit gehen viele ungeimpfte Pflegekräfte leer aus, die Großartiges in der Pandemie geleistet haben, aber im Zuge der einrichtungsbezogenen Impfpflicht freigestellt oder gekündigt wurden.

Birgit Huber, Geschäftsführerin des DRK-Krankenhauses „Clementinenhaus“ in Hannover, ärgert sich insbesondere darüber, dass die Mitarbeiter in der Notaufnahme beim Pflegebonus generell leer ausgehen, obwohl diese den Erstkontakt mit potenziellen Corona-Patienten haben. Andererseits würden Pflegekräfte die Bonuszahlung erhalten, obwohl sie noch nie einen Corona-Patienten betreut hätten, bemängelt die Klinik-Chefin.

Keinen Cent gibt es auch für die OP-Belegschaft, Reinigungskräfte, Psycho- und Ergotherapeuten, Labore, Beschäftigte von Leiharbeitsfirmen, Dialysestationen, Rehakliniken, Behindertenhilfe und vielen weiteren Bereichen.

Schon zu Beginn der Debatte hatte ver.di klargemacht, dass eine Milliarde Euro für den Pflegebonus hinten und vorne nicht reicht, um die besonderen Belastungen der Beschäftigten im Gesundheitswesen finanziell zu würdigen. Jeweils 500 Millionen waren für Pflegekräfte im Krankenhaus sowie in der ambulanten und stationären Altenpflege vorgesehen. Trotz aller Kritik bestand der Bundestag darauf, die Auszahlung eng zu begrenzen, so ver.di.

Bereits beim letzten Coronabonus waren viele Beschäftigte außen vor geblieben. Damals war es den Einrichtungen selbst überlassen worden, wie sie das Geld verteilten. Der Unmut darüber war so groß, dass die Bundesregierung zwar diesmal klare Kriterien festgelegt hat, „aber von einer Wertschätzung für alle kann leider immer noch keine Rede sein“, so Gewerkschafterin Genster.

Auch bei Sandra Arndt, einer Intensivpflegerin in einem Krankenhaus in der Region Hannover, ist die Enttäuschung über den Pflegebonus groß. Sie konnte die geforderten 185 Tage nicht zusammenbringen, weil sie wegen eines internen Wechsels 155 Überstunden abgebaut hatte.

„Ich habe schon erwartet, dass es auch diesmal wieder ungerecht zugeht“, sagte sie zum „NDR“. Ihr Unmut über die Ungleichverteilung des Corona-Bonus ist noch immer deutlich spürbar.

Rechnungshof deckt Missstände auf

Im September 2022 hatte ein Bericht des Bundesrechnungshofes offengelegt, dass viele Pflegekräfte die im Jahr 2020 versprochene Corona-Prämie nicht erhalten hatten. Grund dafür war das Auszahlungsverfahren, das sich als „missbrauchs- und fehleranfällig“ erwiesen habe. Die Kontrollmöglichkeiten seien unzureichend gewesen. Mit Sorge blickte der Bundesrechnungshof daher auf die nächste Sonderzahlung und befürchtete, „dass sich die Mängel des Verfahrens bei der Auszahlung des Pflegebonus wiederholen“.

Auch die „Welt“ berichtete über die „ungerechte Regelung“ und titelte einen Betrag mit der Überschrift „Lauterbachs vergiftetes Geschenk“. Sie berichtete über den Frust der Pfleger des kommunalen Krankenhausbetreibers Vivantes in Berlin. Viele Fragen zum Pflegebonus seien offen und die Anspruchsgrundlage nicht nachvollziehbar. Über 1.800 Mitarbeiter hatten eine Petition unterschrieben und im Oktober an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gesandt. Eine Antwort blieb aus.

Für ver.di ist es mit dem aktuellen Pflegebonus – der ohnehin nicht allen Beschäftigten im Gesundheitswesen zugutekommt – noch lange nicht getan. Statt Einmalzahlungen für wenige brauche man grundlegende Verbesserungen für alle. Es gelte, die Bedingungen im Gesundheitswesen strukturell zu verbessern und die Arbeit der Beschäftigten nachhaltig aufzuwerten, so Genster. Das bedeute neben einer guten Bezahlung vor allem bessere Arbeitsbedingungen und eine auskömmliche Finanzierung im Gesundheitswesen.

 



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