„Werte statt Gießkanne“ – FDP will Entwicklungsministerium abschaffen

Offiziell, um die Schuldenbremse abzusichern, fordert die FDP-Bundestagsfraktion eine Abschaffung des Entwicklungsministeriums. Stattdessen solle die Entwicklungszusammenarbeit zum Instrument der Außenpolitik gemacht werden – „konditioniert an Kerninteressen und -werten“.
Titelbild
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP)Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Von 13. August 2024

Die Debatte um den Haushalt 2025 in der Ampelregierung tritt in eine entscheidende Phase – und die FDP will einen neuen Ansatz gefunden haben, um die Schuldenbremse stabil abzusichern. Die Abgeordneten Michael Link und Otto Fricke haben vorgeschlagen, künftig das Entwicklungsministerium als solches einzusparen. Dies hätte einen „Zugewinn an Effektivität und Effizienz“ zur Folge, der „enorm“ sei.

Entwicklungshilfe der vergangenen Jahre als Beispiel für Gießkannenpolitik?

Über den Vorstoß berichtete als Erstes die Plattform „Politico“. Es dokumentiert auch das dazugehörige unveröffentlichte Papier, das als „Argumentationshilfe“ durch die Bundestagsfraktion ging. Eine offizielle Position der Fraktion stellt es nicht dar, aber eine öffentliche Debatte ist damit angestoßen.

Das Papier sieht „Deutschlands Einfluss in der Welt“ abhängig von „Wirtschaftskraft und soliden Staatsfinanzen“. Historisch seien dies auch die Faktoren gewesen, die dem Westen den Sieg im Kalten Krieg „durch Investitionen in die Verteidigung und damit Abschreckung“ ermöglicht hätten. In der aktuellen geopolitischen Lage müsse diese Erfahrung „als Vorbild dienen“.

Anschließend wird beklagt, dass sich Deutschland in der Zeit der Großen Koalition „international verzettelt“ habe, weil es „die Mittel in der Außenpolitik mit der Gießkanne verteilt“ habe. Obwohl es in dem Papier nicht ausschließlich um dieses Thema geht, sieht man in der FDP-Fraktion offenbar die Entwicklungszusammenarbeit als wesentlichen Faktor dafür an.

Lindner hatte vorerst nur Sparsamkeit angemahnt

Zuvor hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner lediglich erklärt, man müsse „mit Blick auf Geld für andere Teile der Welt über Zielgenauigkeit und Umfang sprechen“. Nun heißt es, das Entwicklungsministerium solle generell kein eigenständiges Ressort mehr sein. Dies sei auch in allen anderen Staaten der EU und der G7 der Fall.

Stattdessen solle die Entwicklungspolitik mit ihren Ressourcen „als Instrument der Außenpolitik verstanden und konsequenterweise ins Auswärtige Amt eingegliedert werden“. So werde auch die Schuldenbremse zu einem, „Hebel, um die Ausgaben in der Außen- und Entwicklungspolitik einer kritischen Inventur zu unterziehen“.

Kluge Entwicklungszusammenarbeit, so das Papier weiter, zeichne sich „unter anderem durch eng mit der Wirtschaft abgestimmte Fachkräfteausbildung und faire Rohstoffpartnerschaften“ aus. Auch schaffe sie Perspektiven vor Ort und bekämpfe dadurch Fluchtursachen.

Keine Entwicklungshilfe mehr für „regelverletzende“ Partner

Allerdings impliziert eine Entwicklungszusammenarbeit im Dienste der Außenpolitik, dass sich diese notfalls als Druckmittel verwenden ließe. Dies wird auch recht unverblümt im Papier der FDP-Fraktion gefordert. So heißt es dort, es solle eine „Konditionierung an Kerninteressen und -werten“ stattfinden.

Dies bedeute, dass „die Koppelung der Mittelvergabe an Werte und Interessen“ in weiterer Folge „selbstverständlich“ werden müsse. Entsprechend müsse die Zusammenarbeit mit „regelverletzenden Partnern“ auch „konsequent sanktioniert sowie, wenn möglich, beendet werden“. Wer dabei welche „Regeln“ definiert, lässt das Papier offen.

Der letzte Bundesentwicklungsminister der FDP und nunmehrige Rheinmetall-Vorstand Dirk Niebel zeigte sich von dem Vorstoß sehr angetan. Er erklärte gegenüber „Politico“, die Frage nach einer Zusammenlegung der Ressorts habe sich „schon immer gestellt“. Niebel dazu:

„Beides geht. Ein eigenes Ressort oder eine Integration mit Kabinettsrang im Außenministerium.“

Uneinheitliche Reaktionen in sozialen Medien

Im Gespräch sei ein ähnlicher Vorschlag auch schon 2009 im Vorfeld der schwarz-gelben Koalitionsbildung gewesen. Gescheitert sei er am persönlichen Widerstand von Altkanzlerin Angela Merkel. Diese habe erklärt, sie wolle sich „nicht mit 2.500 NGOs und beiden Kirchen“ anlegen.

Die Reaktionen auf den Vorstoß in sozialen Medien sind uneinheitlich. Einerseits sehen zahlreiche Bürger tatsächliche Einsparungspotenziale in diesem Bereich. Genannt werden dabei Mittel für China in Höhe von zuletzt 630 Millionen Euro. Die Forderung, entwicklungspolitischen Druck auf Länder auszuüben, die ausreisepflichtige Staatsangehörige nicht zurücknehmen, kam jüngst auch aus Unionskreisen. Andererseits regt sich auch Kritik an einem möglichen Erpressungspotenzial gegenüber ärmeren Ländern.

Ein Beispiel für „Koppelung der Mittelvergabe an Werte und Interessen“ in der Entwicklungszusammenarbeit hatte jüngst Schweden vorexerziert. Das Land strich Mali und Kenia die entsprechenden Mittel, weil diese angeblich in „korrupte Strukturen“ fließen. Mali reagierte mit einer Ausweisung des schwedischen Botschafters und einer weiteren Annäherung an Russland.



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