Wer zahlt die Rechnung für die „zukunftsblinde Sozialpolitik“?

Die Wirtschaftsjournalistin Dorothea Siems weist angesichts von Wahlversprechen wie Olaf Scholz' „Rentenversprechen“ auf eine Entwicklung hin, die Deutschland „viel härter“ treffen werde als die Klimaproblematik.
Von 27. September 2021

Die Wahl ist vorbei, die SPD blieb auch im Finale vor der Union, wenn auch nicht in dem Umfang wie bei den Umfragen zuvor. Mit dem Absturz der Linkspartei zerschlägt sich die Option einer Koalition von SPD, Grünen und Linken.

In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass eine große Koalition wohl nicht mehr zustande kommen wird. Starke Karten halten hingegen die Grünen und die FDP in der Hand, da sie sich nun von den beiden großen Parteien als potenzielle Partner umwerben lassen. Als Nächstes gehen die Parteien in die Sondierungsgespräche.

Neben der Klimadebatte ist ein weiteres wichtiges Themenfeld die Rentenpolitik. Wie soll es angesichts der demografischen Alterung der Bevölkerung in Deutschland weiter gehen und wie soll das finanziert werden? Schon vor der Wahl gab es Experten zufolge dazu mehr politische Parolen als Antworten. Während der Klimaschutz laut und auffällig auf den Straßen und in den Parlamenten erörtert wird, wird der demografische Wandel eher stiefmütterlich behandelt.

Corona-Krise dagegen nur ein „laues Lüftchen“

Dorothea Siems, Chefökonomin der Zeitung „Die Welt“ und vierfache Mutter, glaubt, dass diese Krise „Deutschlands Wirtschaft und Wohlstand in den nächsten Jahren unter Garantie viel härter trifft“ als die Klimaproblematik.

Schon im Jahr 2026 werde die demografische Entwicklung „mehr als ein Drittel der deutschen Wachstumskraft“ auffressen, erklärte die promovierte Volkswirtin aufgrund einer Mittelfrist-Projektion des Instituts für Weltwirtschaft.

Von den durchschnittlich 1,4 Prozent Wachstum wie bisher blieben zukünftig nur noch 0,9 Prozent übrig. Immer weniger Erwerbstätige müssen dann eine rasch wachsende Zahl an Rentnern tragen.

Die katastrophale Botschaft lautet: In den 15 darauffolgenden Jahren entfaltet der demografische Wandel seine volle Wucht“, so Siems.

Auch danach noch, nach 2040, werde die Gesellschaft dauerhaft überaltert bleiben. „Verglichen mit dieser Veränderung gleicht die Coronakrise – ökonomisch gesehen – einem lauen Lüftchen.“

Die Weitsicht der „Zukunftsblinden“

Ihre Kritik an der bisherigen Regierung lautet: „Statt die Rentenversicherung, die Pflege und das Gesundheitswesen auf diese seit 30 Jahren absehbare Entwicklung vorzubereiten, hat die große Koalition den langen Aufschwung vor der Pandemie nicht zur Vorsorge genutzt.“

Genau das Gegenteil sei passiert, so die Wirtschaftsjournalistin. SPD und Union hätten in allen drei Sozialversicherungen immer mehr Wohltaten und damit dauerhaft wirksame Kostentreibsätze eingebaut.

Siems nennt dies eine „zukunftsblinde Sozialpolitik“, im Wahlkampf von SPD, Linken und Grünen versprochen, und dass es in den nächsten Jahren so weitergehen soll.

Die „Rentengarantie“ von Olaf Scholz stehe einer Realität gegenüber, die Siems eine „Nach-uns-die-Sintflut-Strategie“ nennt. Renommierte Ökonomen und Forschungsinstitute hätten immer wieder vor den verheerenden Kosten einer solchen Strategie gewarnt. Finanzminister Scholz rügte dann dem Vernehmen nach diese als unseriös.



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