Wer wird 2025 Bundeskanzler in Deutschland?

Eine zweite Legislatur von Bundeskanzler Olaf Scholz ab Herbst 2025 scheint derzeit unwahrscheinlich. Wer aber könnte ihn ablösen? Eine Analyse zum Stand der Dinge.
Markus Söder (r.), derzeit Ministerpräsident von Bayern, liegt nicht nur an der Spitze aller neun abgefragten Top-Politiker, sondern auch klar vor CDU-Chef Friedrich Merz.
Noch immer ist unklar, wer für die Union den Kanzlerkandidaten 2025 stellen wird: Manches spricht für CDU-Chef Friedrich Merz, manches für CSU-Chef Markus Söder (Archivbild).Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 19. Juli 2024

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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will sich nach der Sommerpause entscheiden, ob er 2025 erstmals für ein Abgeordnetenmandat im Bundestag kandidieren will. Das hat Pistorius nach Informationen der Nachrichtenagentur dts im Interview mit der „Rheinischen Post“ und dem „General-Anzeiger“ aus Bonn mitgeteilt. In welchem Wahlkreis er dann womöglich antreten werde, sei noch nicht geklärt.

Eine Kanzlerkandidatur habe der 64-Jährige aber bereits ausgeschlossen: „Ich habe mich sehr schnell für Olaf Scholz ausgesprochen und dabei bleibt es auch“. Vor seinem Aufstieg vom Innenminister Niedersachsens zum Verteidigungsminister Deutschlands hatte Pistorius lediglich ein Landtagsmandat in Hannover besessen, das er 2022 über die Direktwahl in seinem Wahlkreis Osnabrück verteidigen konnte.

Pistorius deutlich populärer als Scholz

Umfragen zufolge ist Pistorius praktisch seit seinem Amtsantritt am 19. Januar 2023 der populärste Politiker Deutschlands. Sein Parteikollege Scholz hatte ihn damals zum Nachfolger der zurückgetretenen Christine Lambrecht (SPD) gemacht.

Schnell war der neue Bundesminister bei den Sympathiewerten am Regierungschef vorbeigezogen: Im Dezember 2023 verlieh ihm der „Tagesspiegel“ rückblickend den inoffiziellen Titel des beliebtesten Politikers des Landes. Und auch bei der jüngsten INSA-Umfrage im Auftrag der „Bild“ lag Pistorius Mitte Juli 2024 mit 52,3 Prozent Zustimmung weit vorn in der Rangliste, gefolgt vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU, 45,0 Prozent), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU, 43,6) und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht (41,5).

Scholz selbst rangiert mit 34,1 Prozent Zustimmung mittlerweile abgeschlagen auf Platz 15 – noch hinter den Kabinettsmitgliedern Robert Habeck (35,5), Christian Lindner (35,3) und Annalena Baerbock (34,7). Kein Wunder, dass Spekulationen über eine mögliche Ablösung des Kanzlers durch Pistorius immer wieder im Raum stehen. Doch die SPD-Parteispitze in persona Saskia Esken und Lars Klingbeil sieht keinen Grund, Scholz als Kandidaten fallen zu lassen.

Merz und Söder wollen K-Frage im Herbst gemeinsam entscheiden

Die mit Abstand größten Chancen auf die Kanzlerschaft ab 2025 hat allerdings die Union. Immerhin liegen CDU und CSU den neusten INSA– und Forsa-Studien zufolge mit 31 beziehungsweise 32 Prozent stabil an der Spitze in der Wählergunst.

Ginge es nach der Beliebtheit im Volk, täte CDU-Parteichef Friedrich Merz (68) gut daran, dem elf Jahre jüngeren Markus Söder (57) den Vortritt als Spitzenkandidat zu lassen. Denn Merz rangiert derzeit als „nur“ fünftbeliebtester Politiker 4,2 Punkte hinter dem Franken. Selbst der Nordrhein-Westfale Hendrik Wüst, der am Freitag seinen 49. Geburtstag feiern wird, war zuletzt um 2,8 Prozentpunkte beliebter als Merz.

Gäbe es die Option, den Kanzler direkt zu wählen, hätten sich nach einer INSA-Umfrage im Auftrag der „Bild“ vor einer Woche 31 Prozent für Friedrich Merz entschieden, aber 37 Prozent für Söder. Zum Vergleich: Der amtierende Kanzler Scholz könnte nur noch auf 17 Prozent zählen.

CDU-Chef Merz hatte am vergangenen Sonntag im ARD-Sommerinterview noch einmal betont, dass er die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur einvernehmlich mit Söder im Herbst „hinter verschlossenen Türen“ treffen wolle. Beide pochen auf ihre jeweils langjährige Erfahrung: Der Jurist und Redakteur Söder blickt nach eigenen Worten auf 17 Jahre Regierungsarbeit zurück, der Jurist Merz auf Jahrzehnte als Führungskraft in Privatwirtschaft und Politik, darunter insgesamt fast fünf Jahre als Oppositionsführer im Bundestag.

In den Augen der Spitzenkräfte aus der deutschen Wirtschaft wäre Merz die erste Wahl: Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und dem Magazin „Capital“ sähen 73 Prozent der Führungsebene am liebsten den Sauerländer im Kanzleramt. Andererseits sind 57 Prozent der Spitzenpolitiker nicht der Meinung, dass Merz ein besserer Kanzler als Scholz wäre.

Tritt Habeck für die Grünen an?

Nach dem kürzlich verkündeten Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur durch Außenministerin Annalena Baerbock läuft es bei den Grünen – wenn überhaupt – auf eine Spitzenkandidatur von Robert Habeck hinaus. Den Bundeswirtschaftsminister hatten bei der jüngsten INSA-Umfrage allerdings nur 16 Prozent bei der Frage genannt, wen sie im Fall einer Kanzlerdirektwahl ankreuzen würden. Angesichts dieser Aussicht bleibt es bis auf Weiteres fraglich, ob die Grünen tatsächlich einen offiziellen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken werden.

Die Beliebtheitswerte würden aktuell eher für den Bundesagrarminister Cem Özdemir sprechen: Er erreichte beim INSA-Ranking der „Bild“ 39,0 Prozent, also 3,5 Punkte mehr als Habeck und 4,3 Punkte mehr als Baerbock. Habeck hatte nach dem Rückzug von Baerbock erklärt, dass alles Weitere noch „in den Gremien beraten“ werde. Einen Zeitpunkt nannte Habeck nicht. Bei Forsa und INSA konnten die Grünen zuletzt bundesweit die Zwölf-Prozent-Marke nicht mehr überspringen.

AfD: Klarheit womöglich erst im März 2025

Die Alternative für Deutschland (AfD) will zur Bundestagswahl 2025 erstmals einen Spitzenkandidaten aufstellen. Ginge es nach AfD-Co-Bundessprecher Tino Chrupalla, so wäre seine Co-Bundessprecherin Alice Weidel dafür die erste Wahl. Im ZDF-Sommerinterview hatte Weidel vor wenigen Wochen erklärt, dass sie sich noch weitere Kandidaten vorstellen könne. Auf jeden Fall liege es in der Hand des AfD-Bundesparteitags oder der Parteimitglieder, einen Kandidaten zu nominieren. Der nächste Parteitag der AfD soll nach Angaben der Partei voraussichtlich im März 2025 stattfinden.

Die beiden Parteichefs Weidel und Chrupalla liegen im Hinblick auf Wählerbeliebtheit allerdings noch hinter den meisten Politikern der übrigen Parteien: Für Weidel reicht es mit 32,7 Prozent derzeit zu Platz 18 im INSA-Ranking, für Chrupalla zu 30,3 Prozent. Beim AfD-Bundesparteitag in Essen Ende Juni hatten die Delegierten Chrupalla dagegen etwas stärker unterstützt: Er wurde mit 82,7 im Amt bestätigt, Weidel erreichte 79,8 Prozent.

Obwohl die AfD laut INSA mit 18,0 Prozent weiter die zweitstärkste Kraft im deutschen Parteienspektrum darstellt, scheint eine Kanzlerschaft zurzeit von vorneherein ausgeschlossen: Noch immer will keine andere etablierte Partei mit den Blauen koalieren.

Wagenknecht stünde wohl bereit

Auch der Newcomer unter den Parteien könnte womöglich Ambitionen auf das Kanzleramt anmelden: Sahra Wagenknecht hatte bereits im März 2024 mitgeteilt, dass sie eine Kandidatur für ihr „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) nicht ausschließen würde.

Die Ex-Linke Wagenknecht gilt derzeit laut INSA-Ranking als die beliebteste deutsche Politikerin: 43,6 Prozent der Bürger finden sie gut – 0,7 Prozentpunkte mehr als Friedrich Merz. Realistisch ist eine Kanzlerin namens Wagenknecht derzeit allerdings nicht: Das BSW erreichte in der jüngsten Sonntagsfragerunde von INSA 8,5 Prozent, bei Forsa nur 7,0 Prozent.

Auf eine Koalition mit der Union als Trostpreis könnte Wagenknecht ebenfalls kaum hoffen: Friedrich Merz hatte schon vor einigen Wochen Nein zu einem Bündnis auf Bundesebene gesagt. Lediglich in den Bundesländern wolle er seinen Landesverbänden mehr Entscheidungsfreiraum lassen, schob Merz wenig später nach.

Weitere Bewerbungen unwahrscheinlich

Bei der dritten Kraft der Ampelregierung, der FDP, dürfte sich die Frage nach einer offiziellen Kanzlerkandidatur ebenso erübrigen wie bei den Linken. Die FDP muss mit derzeit glatt fünf Prozent um den Wiedereinzug in den Bundestag fürchten. Die Linken würden mit derzeit drei Prozent keine Rolle mehr spielen.

Letztlich läuft es beim Stand der Dinge darauf hinaus, dass die Union sich im Herbst 2025 ihren Bündnispartner wird aussuchen können, denn sie allein steht aktuell so stark da wie die drei Ampelparteien zusammen. Bei der Bundestagswahl 2021 hatten SPD, Grüne und FDP zusammen noch 52 Prozent geholt.

Die spannendste Frage bleibt, ob Merz oder Söder in einem guten Jahr eine neue Koalition mit der SPD (derzeit 14,0 bis 15,0 Prozent) oder mit den Grünen (derzeit 11,0 bis 11,5 Prozent) ausloten werden – womöglich sogar mit beiden. Die rot-grün-gelbe Ampel aber wird wahrscheinlich bis auf Weiteres ein einmaliges Experiment in der Geschichte der Bundesrepublik bleiben.



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