Wenn Sozialbeiträge die Hälfte des Gehalts verschlingen – Linnemann fordert Deckelung

CDU-Generalsekretär Linnemann will die Debatte über die Begrenzung der Sozialbeiträge forcieren. Aus den Arbeitgeberverbänden sind schon seit Längerem Warnungen vor einem Zusammenbruch des Sozialsystems zu vernehmen. Konkrete Lösungsoptionen sind jedoch kaum in Sicht.
Laut der VdK-Präsidentin Bentele leben viele Rentner längst von Erspartem, sofern sie dies überhaupt haben.
Gesundheitskosten „laufen aus dem Ruder“, so CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Symbolbild.Foto: Marijan Murat/dpa
Von 17. April 2024

Ein zuletzt deutlicher Anstieg der Zahl an Pflegefällen weckt Argwohn hinsichtlich einer bevorstehenden Anpassung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Dies hat nun auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf den Plan gerufen. In „Bild“ klagt er:

„Die Kosten in unserem Gesundheitssystem laufen aus dem Ruder.“

Die CDU wolle daher die Sozialausgaben wieder bei 40 Prozent des Bruttolohns deckeln. Derzeit seien es – je nach Familienstand – bereits bis zu 41,7 Prozent.

Ausgaben im Sozialbereich vor deutlichen Steigerungen – und damit auch Sozialbeiträge

Mit seiner Einschätzung steht Linnemann nicht allein. Der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, sieht bereits einen Anteil von 45 Prozent in Sichtweite. Der Verband Die jungen Unternehmer hatte erst im Februar ein Gutachten der WHU – Otto Beisheim School of Management präsentiert.

Diesem zufolge droht ein Anstieg der Beiträge zu gesetzlicher Rentenversicherung, Krankenversicherung sowie Arbeitslosen- und Pflegeversicherung auf 50 Prozent bis 2050. Aus Sicht des Verbandes käme das dem endgültigen Ende einer Motivation zu sozialversicherungspflichtiger Arbeit gleich – zumindest zu legaler.

Der im März erschienene sogenannte Tragfähigkeitsbereich, der einmal pro Legislaturperiode im Auftrag des Bundesfinanzministeriums vorgelegt wird, enthielt keine deutlich besseren Nachrichten. Dort hieß es, der sinkende Anteil an Erwerbstätigen lasse Steuern und Sozialbeiträge weiter ansteigen. Gleichzeitig stiegen die Leistungen für Rente, Gesundheit, Pflege und Familie. Von derzeit 27,3 Prozent könnten sie bis 2050 auf bis zu 36,1 Prozent der Wirtschaftsleistung anwachsen.

Oberflächenkosmetik in der gesetzlichen Rentenversicherung

Während die Bundesregierung in der Ära von Sozialminister Norbert Blüm trotz bereits eingetretenen Geburtenrückgangs darauf beharrte, dass „die Rente sicher“ sei, verabschiedete die Regierung Schröder das Alterseinkünftegesetz. Dieses sah die Förderung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge vor.

Gleichzeitig wurde jedoch das Rentenniveau abgesenkt, um einen dramatischen Anstieg der Beiträge abzuwenden. Zum damaligen Zeitpunkt rechnete man mit einem Anstieg von 19,5 auf mehr als 30 Prozent des Bruttoeinkommens im Jahr 2030. Bereits das Kabinett Merkel I – mit dem damaligen Arbeits- und Sozialminister Olaf Scholz – beschloss 2009 jedoch eine Rentengarantie.

Die Höhe der ausgezahlten Renten orientierte sich seither nicht mehr automatisch an der Entwicklung der Einkommen, sondern nur noch daran, wenn diese stiegen. Während die Demografie es als höchst unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass das Umlagesystem dauerhaft tragfähig bleiben wird, versucht die Ampel nun, die Finanzierung der Bundeszuschüsse abzusichern. Dies soll über eine – kreditfinanzierte – „Aktienrente“ funktionieren, deren Anlagestrategie streng nach ESG-Richtlinien ausgelegt sein soll.

Bloße Grundrente für alle als mögliche Zukunftsvision?

Arbeitgeberverbände fordern derweil eine Erhöhung des Renteneintrittsalters, die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer eine „Rente mit 70“ und ein „Abschmelzen besonders hoher“ Rentenansprüche. Bereits in den 2000er-Jahren gingen private Rentenversicherer davon aus, dass es eines Tages nur noch eine geringe Grundrente in Deutschland geben werde.

Was darüber hinausgehe, müsse in Eigeninitiative angespart werden. Ein solches System würde jedoch das Ende der Umlagefinanzierung bedeuten – weshalb selbst Politiker, die für sich in Anspruch nehmen, „Klartext“ zu reden, augenscheinlich vor der Ansprache dieser Option zurückscheuen.

Während das zunehmende Missverhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern in der gesetzlichen Rentenversicherung absehbar ist, ist der jähe Kostenanstieg im Gesundheitssystem eher ein Phänomen jüngerer Zeit.

Bessere Qualität der medizinischen Versorgung geht mit höheren Kosten einher

Die Ursache ist dabei eine eigentlich begrüßenswerte Entwicklung: Deutschland vollzieht die technologischen Entwicklungen in der Spitzenmedizin mit. Diese wird dadurch effizienter, die Lebenserwartung der Menschen steigt – allerdings auch die Häufigkeit und die Kosten von Behandlungen.

Der allgemeine Beitragssatz war mit 14,6 Prozent des Bruttolohns über längere Zeit hinweg dabei recht stabil. Allerdings waren die Zusatzbeiträge merklich angestiegen. Nun will Bundesminister Karl Lauterbach die Finanzierung der Krankenanstalten über einen von Bund und Ländern gleichermaßen getragenen „Transformationsfonds“ absichern.

Die klamme Haushaltslage nährt jedoch den Argwohn aufseiten der Experten, dass dieser Ansatz nicht ausreichen wird und an Beitragserhöhungen kein Weg vorbeiführen werde. Ähnliches gelte für die Pflegeversicherung, die aufgrund der zunehmenden Überalterung deutliche Mehrausgaben zu befürchten hat.

Weniger Sozialbeiträge durch Entlastung von Überstundenarbeit?

Während Linnemann jetzt die Bundesregierung dazu auffordert, „stärker auf Effizienz und Prävention“ zu setzen, fordert Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ein Ende der „Vollkaskomentalität“. Es brauche „mehr Eigenverantwortung“ auch bei der sozialen Vorsorge. Zudem müsse die telefonische Krankschreibung abgeschafft werden.

Ob dieser Schritt tatsächlich mehr Effizienz bewirken würde, ist ungewiss. Befürworter sehen darin eher eine Form der Prozessoptimierung, da die Arztpraxen leerer werden, weniger Bürokratie anfällt und die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden können.

Einen möglichen weiteren Weg, Erwerbstätigen höhere Einkünfte zu ermöglichen, ohne diese durch Steuern und Sozialbeiträge zu belasten, kam jüngst von Bundesfinanzminister Christian Lindner. Er forderte eine entsprechende Entlastung von Überstundenarbeit. Carsten Linnemann und Unternehmer Martin Herrenknecht hatten dies ebenfalls bereits vorgeschlagen.

Widerstand dagegen kommt von den Gewerkschaften. DGB-Chefin Yasmin Fahimi spricht von „verrückten Ideen“. Diese würden dazu einladen, „entweder Vollzeitarbeit zu verdrängen oder die geschlechterungleiche Verteilung von Arbeit noch weiter anzukurbeln“. Die Lokführergewerkschaft GDL oder die IG Metall fordern sogar noch eine weitere Arbeitszeitverkürzung.



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