Weniger oder nur zielgerichtetere Kontrolle? BAMF will Überprüfungspraxis von Asylanträgen ändern
Der Rauch um mehrere Fälle von Unregelmäßigkeiten bei der Prüfung von Asylanträgen in der Außenstelle Bremen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat sich noch nicht vollständig verzogen. Dennoch könnte dessen neuer Chef Hans-Eckard Sommer Vorschriften im Bereich der Kontrollpraxis wieder lockern. Überlegungen bezüglich einer selteneren Überprüfung positiver Asylbescheide bestätigte ein Sprecher des Amtes am Donnerstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Wie Sommer bereits in der Vorwoche im Innenausschuss des Bundestages angedeutet hatte, denkt man im BAMF unter anderem daran, die Schutzberechtigung anerkannter Asylbewerber künftig erst nach fünf statt wie bisher nach drei Jahren erneut zu prüfen. „Für eine Verlängerung der Prüffrist auf fünf Jahre spricht, dass sich die Situation im Herkunftsland nach drei Jahren meist nicht geändert hat“, zitiert die dpa einen Sprecher des Flüchtlingsamts.
Diese und weitere Reformvorschläge sollen jedoch, so heißt es aus der Behörde weiter, nicht dem erklärten Ziel von Bundesinnenminister Horst Seehofer zuwiderlaufen, mehr Kontrolle im Asylwesen zu schaffen. Diese Losung hatte Seehofer insbesondere vor dem Hintergrund der Affäre um die Bremer Außenstelle ausgegeben. Berichte über Unregelmäßigkeiten und geleakte E-Mails hatten den Verdacht auf eine möglicherweise sogar systematische Missachtung von formal- und materiellrechtlichen Bestimmungen bei der Asylgewährung aufkommen lassen.
Manipulative Einflussnahmen, aber kein flächendeckender Asylbetrug
Anfangs war damals gar die Rede von mehr als tausend Fällen, in denen dort zu Unrecht Asyl bewilligt worden sein könnte. Die Berichte hatten Seehofer veranlasst, im Juni des Jahres Amtsleiterin Jutta Cordt zu entlassen. Dem Ergebnis einer Prüfung von mehr als 18 000 Akten durch die Innenrevision zufolge habe es dort jedoch keinen „flächendeckenden Asylbetrug“ gegeben. In 145 Akten sei es dennoch zu „bewusst manipulativen Einflussnahmen auf die Asylentscheidung“ gekommen, bedingt durch ein „fehlgeleitetes Amtsverständnis“ einer Amtsleiterin. Fehlentscheidungen infolge von Identitätstäuschungen hätten sich Berichten der „Tagesschau“ zufolge bis dato aber nicht erhärten lassen.
Dennoch soll es bezüglich der Überprüfung von Asylentscheiden künftig veränderte Prioritäten geben, wobei die Frage der Identitätsfeststellung im Fokus stehen soll. Primär sollen, so der BAMF -Sprecher, Asylbewerber überprüft werden, die während der Flüchtlingskrise nicht angehört wurden. Über deren Asylantrag wurde damals nur schriftlich entschieden. Zunächst sollten 80 000 bis 100 000 Fälle aus den Jahren 2015 und 2016 vorgezogen werden. Dabei gehe es insbesondere um Entscheidungen im schriftlichen Verfahren bei Menschen aus Syrien, dem Irak und Eritrea sowie um Antragsteller aus diesen Ländern und Afghanistan, die keine Identitätsdokumente vorgelegt hatten.
Über eine „vernünftige Priorisierung“ der hunderttausenden Verfahren könne man sicherlich sprechen, erklärte auch die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Linda Teuteberg. „Es muss aber in jedem Fall sichergestellt sein, dass in allen Fällen, in denen es Lücken bei der Identitätsfeststellung gab, die Widerrufsprüfung so schnell wie möglich vorgenommen wird.“
Im Frühjahr erst fünf Fachleute zur Prüfung der Echtheit von Dokumenten
Das BAMF setzte nach jüngsten Angaben vom Juli knapp 170 Vollzeitstellen für die Widerrufsprüfungen ein. Die Zahl der Experten zur Überprüfung der Echtheit von Dokumenten dürfte aber erheblich niedriger sein: Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte jüngst erklärt, bei seinem Antrittsbesuch beim BAMF im Frühjahr habe es dort nur fünf Fachleute zur Prüfung der Echtheit von Dokumenten gegeben. Er habe sich für eine Aufstockung eingesetzt.
Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke, die Neuüberprüfungen ohne konkreten Anlass generell als „Schikane“ ablehnt, befürchtet eine „Verunsicherung von Flüchtlingen“ und eine Überlastung der Asylbehörde. Von den knapp 12 000 vorgezogenen Widerrufsprüfungen, die bis Ende Juli abgeschlossen waren, wurden nach einer Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion nur 1,2 Prozent revidiert.
Unterdessen ist bezüglich des Zustroms einer Gruppe von Asylbewerbern, die in der Vergangenheit für besonders intensive Diskussionen gesorgt hatte, eine Entspannung eingetreten. So sei die Zahl der Asylanträge von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im vergangenen Jahr einem Medienbericht zufolge deutlich zurückgegangen. 2017 hätten 9084 allein nach Deutschland gereiste Minderjährige einen Asylantrag gestellt, berichteten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Freitagsausgaben) unter Berufung auf einen Bericht des Bundesfamilienministeriums. Das entspricht einem Rückgang um knapp 75 Prozent im Vergleich zu 2016, als es noch 35 939 waren. Die meisten Anträge stammten demnach von Jugendlichen aus Afghanistan, Syrien, Irak und Eritrea.
Minderjährige werden besonders selten abgeschoben
2017 wurde den Angaben zufolge über 24 930 Asylanträge unbegleiteter Minderjähriger entschieden. „Die Gesamtschutzquote lag bei 77,8 Prozent“, zitiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland aus dem Bericht. 69,3 Prozent der Afghanen, 97,9 Prozent der Syrer sowie 86 Prozent der Iraker erhielten demnach einen Schutzstatus.
Im ersten Halbjahr 2017 wurden laut Bundesregierung 86 unbegleitete Minderjährige an Deutschlands Grenzen zurückgewiesen. Abschiebungen Jugendlicher, die keinen Schutzstatus bekamen, gab es in diesem Zeitraum nicht. Die Hürden für Rückführungen sind bei Minderjährigen besonders hoch: Wenn im Herkunftsland keine Übergabe an ein Familienmitglied oder eine geeignete Aufnahmeeinrichtung gesichert werden kann, ist eine Abschiebung nicht möglich.
Auf Grund einer Reihe von schweren strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, die in der Öffentlichkeit für erhebliches Aufsehen gesorgt hatten, ist besonders mit Blick auf diese Gruppe von Asylsuchenden Argwohn in Teilen der Bevölkerung entstanden. In mehreren der genannten Fälle wurden Personen als Tatverdächtige festgestellt, die bei ihrer Einreise angegeben hatten, minderjährig zu sein. Wie sich herausstellte, war das tatsächliche Alter der Betreffenden, die über keine gültigen Reisedokumente verfügten, zum Teil deutlich höher.
(Mit Material der dpa)
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