Weniger als 20 Prozent der Beschäftigten sind noch in einer Gewerkschaft
Die Deutschen halten starke Gewerkschaften für wichtig – die meisten sind aber nicht Mitglied. Nur 18,5 Prozent der Beschäftigten gehören laut einer Umfrage noch einer Gewerkschaft an; in den Jahren vor der Wiedervereinigung waren es über 30 Prozent. In Ostdeutschland liegt der Organisationsgrad bei nur 13,4 Prozent, in Westdeutschland bei 19,6 Prozent, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Donnerstag hervorhob.
Von der Gewerkschaftsarbeit profitieren Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie Mitglied sind oder nicht, heißt es in der IW-Studie von Tarifpolitik-Expertin Helena Schneider. Handeln Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften Löhne und Tarifverträge aus, gilt das für alle Mitarbeiter, die nach Tarif bezahlt werden – und nicht nur für diejenigen, die bereit sind, ein Prozent ihres Bruttomonatsverdienstes für eine Mitgliedschaft auszugeben.
„Ja, ich bin Mitglied“, sagten nur 18,5 Prozent der im Rahmen der allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (Allbus) interviewten Arbeitnehmer im Jahr 2016. Werden auch Rentner, Arbeitslose, Hausfrauen und Schüler berücksichtigt, sind laut IW 26 Prozent der Bevölkerung Gewerkschaftsmitglied. Fast ein Drittel der Gewerkschaftsmitglieder seien also gar nicht erwerbstätig – die meisten (90 Prozent) von ihnen seien Rentner.
Vor allem junge Arbeitnehmer, Frauen, Teilzeitbeschäftigte mit weniger als 30 Arbeitsstunden je Woche und Migranten treten laut der IW-Studie selten einer Gewerkschaft bei. In der Gruppe der 18- bis 30-Jährigen etwa betrage der Anteil nur 14,5 Prozent, bei den über 50-Jährigen seien es dagegen 22,5 Prozent, heißt es in der IW-Studie. Der Organisationsgrad bei Teilzeitbeschäftigten mit weniger als 30 Stunden pro Woche liegt demnach bei 11,5 Prozent, bei außerhalb Deutschlands geborenen Arbeitnehmern sind es 15,6 Prozent.
Dennoch stimmten fast 70 Prozent der 2016 Befragten der Aussage zu, dass Arbeitnehmer starke Gewerkschaften brauchen. Studienautorin Schneider erklärte, das Verhalten vieler Arbeitnehmer könne als „riskantes Kalkül“ bewertet werden – denn starke Gewerkschaften könne es nur so lange geben, wie es noch genügend Arbeitnehmer gebe, die sich für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft entscheiden. Dies bestimme auch die Verhandlungsmacht in Tarifgesprächen.
Welcher Organisationsgrad allerdings mindestens erforderlich sei, damit Gewerkschaften ausreichend handlungsfähig sind, sei „theoretisch offen“. Autorin Schneider sieht aber ein „positives Signal“ in den relativ stabilen Mitgliederzahlen der letzten Jahre und ein „erstes Anzeichen dafür, dass sich die Gewerkschaften ihrer Probleme annehmen“.
Aktuell werden mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland nach Tarif bezahlt, wie das IW erklärte. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte vergangene Woche vorgeschlagen, Anreize für eine höhere Tarifbindung zu schaffen und Steuerrabatte sowie die Bevorzugung bei öffentlichen Ausschreibungen genannt. Wirtschaftsverbände reagierten empört. (afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion