Weihnachtsmarkt-Anschlag: Sicherheitsexperten sehen „eklatanten Fehler“ bei Behörden
Zwei Sicherheitsexperten erheben schwere Vorwürfe gegen die Behörden im Anschluss an den Terroranschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Sie sehen „eklatante“ Sicherheitsmängel bei der Absicherung des Marktes vor Fahrzeugangriffen.
Nach den bisherigen Erkenntnissen ist der Täter über einen Flucht- und Rettungsweg auf den zentralen Marktplatz gelangt. Dort habe es bereits erste Verletzte gegeben, erklärte Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg, gegenüber der ARD. Bis zur Festnahme habe die Fahrt rund drei Minuten gedauert.
Laut Aussage des Magdeburger Ordnungsdezernenten Ronni Krug war der Flucht- und Rettungsweg nicht durch Sperren oder Poller geschützt, heißt es dort weiter. Notarzt- und Feuerwehrkräfte sollten über diese Zufahrt bei einem Notfall auf den Marktplatz gelangen können. Dort seien aber mobile Einsatzkräfte der Polizei stationiert gewesen, erklärte Krug weiter.
Laut „Bild“-Zeitung sah das Sicherheitskonzept in Magdeburg allerdings vor, dass ein Fahrzeug der Polizei an der Zufahrt zum Rettungsweg quer stehen sollte. Dies sei allerdings am Tattag nicht der Fall gewesen, so Krug.
Sicherheitsexperte: „Eklatanter handwerklicher Fehler“
Sicherheitsexperte Stephan Biesantz war zuständig für die Sicherheitskonzepte bei den öffentlichen Übertragungen der Europafußballmeisterschaften 2024 in Köln. Er sieht in der Gestaltung des Zufahrtsschutzes bei der Rettungsgasse in Magdeburg einen „eklatanten handwerklichen Fehler der Behörden vor Ort“, erklärte Biesantz im Interview gegenüber „Phoenix“.
Die Euro-2024 in Deutschland habe gezeigt, dass man Rettungszufahrten absichern kann. Bei ganz vielen Spielstätten habe es mobile Sperren gegeben, die durch Sicherheitsdienste kurzfristig zur Seite gebracht werden konnten. „Und so war der Fluchtweg immer frei, wenn notwendig“, so Biesantz. Er könne sich nicht erklären, warum dies in Magdeburg nicht passiert sei.
„Das ist das kleine Einmaleins einer Absicherung einer solchen Veranstaltung“, so der Experte zu „Phoenix“.
Sicherheitsmaßnahmen und Spaß schließen sich nicht aus
Ähnlich äußerte sich auch Christian Schneider, Sachverständiger für Zufahrtsschutz im Interview mit dem MDR. Schneider zufolge habe der Zufahrtsschutz beim Magdeburg Weihnachtsmarkt „nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen“.
Alle offenen Stellen, also alle möglichen Angriffsrouten, müssten so geschützt werden, dass eine unautorisierte Einfahrt gar nicht möglich sei, betonte Schneider. Der Zufahrtsschutz für Rettungswege sei ein zentraler Teil eines Zufahrtsschutzkonzeptes, das nach allgemein anerkannten Regeln der Technik durchgeführt werde. Diese Zufahrten könnten mit baulichen Maßnahmen so ausgeführt werden, dass eine Fahrzeugkontrolle vor der Einfahrt möglich sei.
„Also jetzt zu behaupten und zu sagen, ‚Wir haben da große Löcher lassen müssen, damit die Rettungsfahrzeuge reinfahren können‘, das ist falsch“, erklärt er gegenüber dem MDR.
Als positive Beispiele für einen Schutz der Rettungswege nannte er den Weihnachtsmarkt in Mainz und am Berliner Breitscheidtplatz, wo 2016 erstmalig ein Anschlag mit einem Fahrzeug auf einem deutschen Weihnachtsmarkt stattfand.
„Da sind Poller, die dann zur Seite fahren beispielsweise oder die geöffnet werden oder wo eine Schranke existiert“, zitiert ihn der öffentlich-rechtliche Sender.
Schneider sieht das Vorurteil widerlegt, dass Spaß auf dem Weihnachtsmarkt und ein gutes Sicherheitskonzept sich einander ausschließen würden. „Es ist ein Vorurteil, das unterdessen widerlegt wurde, dass sichtbare, gut ausgeführte Maßnahmen zu einer Festung oder zu einem Beklemmungsgefühl der Besucher führen würden. Genau das Gegenteil ist der Fall“, so der Fachmann.
Sicherheitsexperte sieht keine höhere Gefährdung für Weihnachtsmärkte
Indes sieht Stephan Biesantz nach dem Anschlag in Magdeburg keine erhöhte Anschlagsgefahr für andere Weihnachtsmärkte in Deutschland. Denn so viele potenzielle Nachahmer für solch eine Tat würde es nicht geben, erklärt der Sicherheitsexperte gegenüber „Phoenix“.
Er sieht allerdings ein grundlegendes Problem, wie in Deutschland mit dem Thema Sicherheit umgegangen wird: „Wir sind allerdings kein Präventivvolk, sondern wir reagieren immer. Wir warten auf den Anschlag, wir warten auf die Toten und dann reagieren wir. Und daraus ziehen wir unsere Berechtigung, Maßnahmen zu treffen“, erklärt er gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender.
Bei dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg am Freitagabend, 20. Dezember, raste der Täter mit einem Leihwagen der Marke BMW mit hoher Geschwindigkeit in die Menge. Dabei wurden fünf Menschen – vier erwachsene Frauen und ein neunjähriges Kind – getötet. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt, von denen mindestens 40 schwer verletzt sind und teilweise in Lebensgefahr schweben.
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