Wehrbeauftragte Högl: Keine Pflicht zum Waffendienst – Kritiker sehen „Wehrpflicht durch die Hintertür“

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, sieht in einer Wehrpflicht viele Vorteile, selbst für Unternehmen. Die Deutsche Friedensgesellschaft hingegen will jungen Leuten Tipps an die Hand geben, um eine Musterung zu vermeiden.
Titelbild
Eva Högl, Wehrbeauftragte der Bundesregierung.Foto: David Hecker/Getty Images
Von 15. Juni 2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat angekündigt, an alle jungen Männern und Frauen eines Jahrgangs einen Musterfragebogen zu verschicken, um ihre Wehrbereitschaft abzufragen. Aus Sicht der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl (SPD), ist eine Freiwilligkeit wichtig. Perspektivisch brauche es aber eine Verpflichtung, sagte sie in einem Interview mit dem „Stern“. Allen müsse deutlich werden: „Jeder und jede in unserer Gesellschaft muss einen Beitrag leisten.“ Die Deutsche Friedensgesellschaft sieht eine „Wehrpflicht durch die Hintertür“ kommen.

Mit der Diskussion um eine Wehrpflicht wächst jedoch bei Eltern die Befürchtung: „Muss ich mein Kind in den Krieg schicken?“ Diese Sorge könne Högl „selbstverständlich“ nachvollziehen. Der Krieg in der Ukraine mache jedoch den Auftrag der Bundeswehr deutlich. Es gehe nicht um Amtshilfe bei Hochwasser oder in der Pandemie, sondern darum, „dieses Land, notfalls im Gefecht zu verteidigen – unter Einsatz des eigenen Lebens“.

Nach Ansicht der beiden SPD-Politiker reicht zunächst die Pflicht, dass junge Leute zumindest einen Musterungsfragebogen beantworten. Anschließend würden sich viele freiwillig zum Wehrdienst melden, sodass man ausreichend Personal für die Bundeswehr bekomme.

Gleichzeitig zeigt Högl Verständnis für alle, die keine Waffe in die Hand nehmen wollen. Für diese Personen müsse es andere Verwendungen geben, etwa beim Technischen Hilfswerk, im Krankenhaus oder in weiteren sozialen und kulturellen Bereichen.

Zum Dienst an der Waffe wird bei uns niemand verpflichtet. Wir sind aber auch nicht im Krieg. Wir sind im Frieden“, so Högl.

Högl: Wehrpflicht vermittelt Werte

Die Befürchtung, dass eine Wehrpflicht den Fachkräftemangel erhöhen könnte, sieht die Wehrbeauftragte nicht. Im Gegenteil.

„Die Unternehmen sollten es vielmehr als Vorteil ansehen, wenn ihre jungen Mitarbeiter eine militärische Grundausbildung vorweisen können“, erklärte sie gegenüber dem „Stern“.

Bei der Bundeswehr lernt man Struktur, Kameradschaft, Pflichtbewusstsein, fachliche Qualifikation. All das seien Eigenschaften, von denen auch die Wirtschaft profitiere.

Gleichzeitig appellierte sie an die Unternehmen, den Reservedienst noch mehr zu unterstützen, und schob eine erneute Diskussion zur Änderung der Altersgrenze an. Diese liegt aktuell bei 65 Jahren.

Debatte um Reservistenalter

Bereits während der Corona-Pandemie hatte sich die starre Altersgrenze von 65 Jahren als nachteilig erwiesen. Frühere Bundeswehrärzte, die sich freiwillig meldeten und unterstützen wollten, wurden abgewiesen, wenn sie über 65 Jahre alt waren.

Am 24. Juni 2021 war ein Antrag der FDP-Fraktion zur Abschaffung des Höchstalters für den freiwilligen Reservistendienst vom Bundestag mit Stimmen von CDU/CSU, SPD und Linken gegen die Stimmen von AfD und FDP abgelehnt worden. Bündnis 90/Grüne hatten sich bei der Abstimmung enthalten.

Begründet hatte die FDP ihren Antrag in der Sitzung vom 9. Juni 2021 mit einem konkreten Beispiel: „Der Oberfeldarzt Dr. Ulrich Graf wurde in diesem Frühjahr 65 Jahre alt und muss deshalb zwingend das Sanitätsregiment 5 in Rennerod verlassen. Ein eingespieltes Team wird ohne Not zerrupft – wegen einer starren Altersgrenze im Gesetz.“

Viele Menschen fühlen sich nach Aussage des Abgeordneten Alexander Müller (FDP) mit 65 noch topfit und empfinden den Rauswurf mit 65 Jahren als „eine Art von Altersdiskriminierung“. Dabei gehe es weniger um Infanteristen oder Kampfschwimmer, sondern um erfahrene IT-Experten, sachkundige Logistiker und medizinisches Fachpersonal. Warum sollte also ein 65-jähriger Lungenarzt oder Anästhesist, der gern helfen möchte, bloß wegen seines Alters nicht mehr geeignet sein? Das Gegenteil sei der Fall: „Die ganze Lebenserfahrung der älteren Mediziner ist unschätzbar wertvoll für junge Kameraden.“

Högl betonte: „Ich bin gegen eine starre Altersgrenze. Dass man mit über 90 keinen Reservedienst mehr leisten kann, ist klar.“ Grundsätzlich würde sie aber sagen: Wer über 65 Jahre alt ist, aber geistig und körperlich fit ist, sollte nach einem Medizincheck auch weiter als Reservist dienen können.

Friedensgesellschaft lehnt Wehrpflicht ab

Die Pläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zur Aufstockung der Bundeswehr von 180.000 auf 200.000 Soldaten hat die Organisation „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V.“ zurückgewiesen. Ziel des eingetragenen Vereins, dessen Anfänge im Jahr 1892 liegen, ist: „die Institution des Krieges beseitigen und eine Welt sozialer Gerechtigkeit zu schaffen, in der Mensch und Natur in Einklang leben“.

Die Gesellschaft sieht in der Versendung des Fragebogens an die jungen Leute, in denen sie sich zur Bereitschaft eines Grundwehrdienstes positionieren, eine „Reaktivierung der Wehrpflicht durch die Hintertür.“

„Bereits heute schreibt die Armee junge Menschen mehrmals im Jahr an – die Daten dafür werden der Bundeswehr alljährlich von den Meldebehörden übermittelt“, erklärte Bundessprecher Ralf Buchterkirchen. Dieser Datenweitergabe könne man aktuell widersprechen.

Die Organisation will „alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, um die Pläne von Pistorius zu verhindern. Außerdem will der Verein „Lösungswege“ zum jeweiligen Fragebogen herausgeben, um eine Musterung zu vermeiden.

Der Friedensverband fordert eine grundlegende Debatte über Sicherheitspolitik. „Wir lehnen Zwangsdienste ab und fordern statt einer Ausweitung des Militärischen endlich zivile Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung ausreichend zu fördern, um ‚friedensfähig‘ statt ‚kriegstüchtig‘ zu werden“, so der Bundessprecher.

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion