Kassiert der Staat zu Unrecht ab? Wegweisende Verfahren um Doppelbesteuerung von Altersrenten
Der Bundesfinanzhof will am 31. Mai die Entscheidung in zwei für etliche Rentner wegweisenden Verfahren zur verbotenen Doppelbesteuerung verkünden. In der ersten von zwei mündlichen Verhandlungen am Mittwoch ließ das oberste deutsche Steuergericht noch keine Tendenz für die Entscheidung erkennen. Ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums hob hervor, der Bund wolle eine möglichst faire Besteuerung aller Rentner, und erbat sich – falls nötig – vom Bundesfinanzhof rechtliche Hinweise.
Ursprung des Verfahrens ist die im Jahr 2005 von der damaligen Bundesregierung aus SPD und Grünen auf den Weg gebrachte sogenannte nachgelagerte Besteuerung. Für deren Umsetzung gilt eine lange Übergangsphase bis ins Jahr 2040. Die Umsetzung ist steuerrechtlich kompliziert, viele Rentner beklagen eine doppelte Besteuerung zunächst im Arbeitsleben und dann nochmals im Ruhestand.
Doppelbesteuerung ist verfassungswidrig
Solch eine Doppelbesteuerung ist verfassungsrechtlich verboten. Aktuell sind deshalb bei den Finanzgerichten 142.000 Verfahren anhängig. Deren Ausgang hängt stark von den zwei Verfahren vor dem Bundesfinanzhof ab. Sollten die dort klagenden zwei Rentner Recht bekommen, dürften noch zahlreiche weitere Klagen folgen und müssten die Finanzämter ihre Berechnungen überarbeiten.
In dem ersten am Mittwoch verhandelten Fall sind ein ehemaliger Zahnarzt aus Hessen und dessen Frau Kläger. Der Mann trat 2009 in den Ruhestand ein und bezieht seitdem verschiedene Renten – neben der gesetzlichen auch die für Selbstständige gedachte Rürup-Rente sowie rund 20 private Renten.
Bei der Besteuerung dieser Renten sah der Kläger eine doppelte Besteuerung. Er focht den Steuerbescheid seines Finanzamts an. Sollte er für das Klagejahr, in dem er rund hunderttausend Euro versteuern musste, Recht bekommen, würde sich seine Steuerlast um 860 Euro verringern.
In dem von dem Mann vor dem hessischen Finanzgericht verlorenen Verfahren hatte wie zuvor das Finanzamt auch das Gericht eine Doppelbesteuerung festgestellt. Allerdings errechneten die Steuerbehörden eine zu viel gezahlte Steuer von 100,21 Euro und lehnten eine Erstattung wegen Geringfügigkeit angesichts des großen Steuervolumens ab.
Bisher gibt es aber keine definierte Bagatellgrenze. Ob der Bundesfinanzhof diese nun feststellen wird, ist noch unklar. Offen ist nämlich, ob das Gericht überhaupt zu dem Ergebnis kommt, dass eine Doppelbesteuerung vorlag – nur dann müsste sich der Bundesfinanzhof zur Bagatellgrenze äußern. Diese wiederum könnte dann aber für alle Rentner relevant werden.
Möhlenbrock: „Wir wollen die faire Besteuerung der Rentner“
Die Senatsvorsitzende Jutta Förster sagte, die mündliche Verhandlung habe „einige Sachen zu denken gegeben“. Dabei nannte sie die Bedingungen für die sogenannte Öffnungsklausel, die Steuerzahler günstiger stellen soll oder die Frage, ob die Rürup-Rente als Basisrente steuerlich genauso behandelt werden muss wie die gesetzliche Rente.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens und eines weiteren am Mittwoch noch stattfindenden Verfahrens hatte sich das Bundesfinanzministerium zuordnen lassen. Der Leiter der Steuerabteilung des Bundesfinanzministeriums, Rolf Möhlenbrock, sagte als Prozessvertreter, dem Ministerium sei „an einer fairen Besteuerung und Ausrichtung des Systems“ gelegen.
Sollte es an irgendeiner Stelle drücken, würden Korrekturen vorgenommen. Er erhoffe sich entsprechende Hinweise des Bundesfinanzhofs. „Wir wollen die faire Besteuerung der Rentner, da soll keiner in Übermaß in Anspruch genommen werden“, sagte Möhlenbrock.
Sollte der Bundesfinanzhof die bisherigen Regelungen ändern, könnte dies zu Zahlungen an etliche Rentner und in der Folge Milliardenbelastungen des Bundeshaushalts führen. Rückstellungen bildete der Bund dafür bisher noch nicht. (afp)
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