Wegen Ukraine-Kriegs: Bundeswehrverband will alle wehrfähigen Menschen erfassen

Weiterhin tobt ein Krieg im Osten Europas und die Bundeswehr beklagt einen Personalengpass. Daher schlägt der Bundeswehrverband jetzt vor, wieder zu mustern. Werden demnächst die Daten aller wehrfähigen Menschen erfasst?
Wegen Ukrainekrieg: Bundeswehrverband will alle wehrfähigen Menschen erfassen
Kommt die Wehrpflicht wieder nach Deutschland?Foto: iStock
Von 11. Mai 2024

Der Bundeswehrverband hat die Bundesregierung aufgefordert, mehr für die Verteidigungsfähigkeit von Deutschland zu tun. Dazu hat sich der Verbandsvorsitzende, Oberst André Wüstner, dafür ausgesprochen, sämtliche wehrpflichtigen Menschen im Land zu erfassen.

Diese Forderung steht mit einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht und des Ersatzdienstes in Zusammenhang, die beide im Jahr 2011 ausgesetzt wurden. Für diesen Schritt muss laut Wüstner eine sicherheitspolitische Begründung vorliegen, wie die „Berliner Zeitung“ berichtet. Mit dem weiterhin laufenden Ukraine-Krieg „ist die momentan eindeutig gegeben“, so der Verbandsvorsitzende.

Datenerfassung bis spätestens Herbst 2025

Wüstner befürwortet die Vorgehensweise von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die Bundeswehr umzustrukturieren. Sein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Landes- und Bündnisverteidigung, berichtet der „Focus“.

Das funktioniere allerdings nur, wenn auch ausreichend Personal zur Verfügung stehe. „Ich merke nur, dass in der Personalgewinnung auch mit Blick auf eine Reserve die aktuellen Konzepte nicht ausreichen.“

Wüstner teilte jedoch klar mit, dass die Wehrpflicht – sollte sie denn zurückkehren – nicht wie in ihrer früheren Form umgesetzt werde. „Dennoch müssen wir überlegen, in welcher Art und Weise wir erfassen oder wieder mustern“, so der Oberst.

Der Bundeswehrverband fordert, dass die Bundeswehr noch in dieser Legislaturperiode die Daten aller wehrfähigen Menschen erfassen darf. Dazu will der Verband diese anschreiben und über den Dienst in der Bundeswehr in Kenntnis setzen.

CDU befürwortet Rückkehr zur Wehrpflicht

Die oppositionelle CDU hat sich ebenfalls für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen, wie BR berichtet. „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen.“ Das teilte die Unionspartei am 7. Mai in einem Beschluss ihres Parteitags in Berlin mit.

Weiter heißt es: „Bis zu dieser Umsetzung fordern wir zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr die Einführung einer Kontingentwehrpflicht.“

Bei einem Kontingentmodell kann die Bundeswehr selbst mitteilen, wie viel Personal sie benötigt. Wenn die Bundeswehr einen gesamten Jahrgang mustert, ziehe sie lediglich das benötigte Kontingent ein.

Caritas appelliert auf Freiwilligkeit

Kritik an einer möglichen neuen Wehrpflicht äußerte hingegen Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbands. Es sei letztlich „vielleicht doch klug, bei der bisherigen Regelung zu bleiben und den Wehrdienst nicht wieder einzuführen.“ In diesem Zusammenhang erwähnte sie die Wehrgerechtigkeit.

Ihrer Ansicht nach solle die Bundeswehr auf Freiwilligkeit setzen und stattdessen neue Wege finden, um junge Menschen für die Dienste zu motivieren. Die Caritas habe mit solch einer Strategie seit 2011 positive Erfahrungen gemacht.

Welskop-Deffaa sagte hierzu: „Überraschenderweise haben wir mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr und dem Bundesfreiwilligendienst die Lücke sofort schließen können.“ Sie wolle somit das Recht auf einen freiwilligen Dienst für junge Menschen stärken.

Verband will „Machtwort“ von Scholz

Wüstner forderte zudem weitere Finanzmittel von der Bundesregierung und diesbezüglich ein „Machtwort“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

„Wenn für unsere Regierung Worte wie Verteidigungsfähigkeit, Schutz oder Wehrhaftigkeit nicht bloße Worthülsen sein sollen, muss Bundeskanzler Scholz seine Richtlinienkompetenz wahrnehmen und ein Machtwort sprechen. Tut der das nicht, muss die Zeitenwende zumindest in der Bundeswehr für beendet erklärt werden“, so der 50-Jährige.

„Zeitenwende“: Bundeswehr „kriegstüchtig“ machen

Die Bundesregierung hat als Reaktion auf den Ukraine-Krieg eine militärische Zeitenwende ausgerufen. Erklärtes Ziel von Pistorius ist es, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen.

Die Bundesregierung hat zudem zugesagt, dass Deutschland den in der NATO vorgesehenen Mindestanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel – erreichen wird, erstmals wieder im laufenden Jahr. Mittel dazu ist das 100-Milliarden-Euro umfassende und kredit- oder schuldenfinanzierte Sondervermögen für die Bundeswehr.

Derzeit sind laut Verteidigungsministerium rund 80 Prozent des Sondervermögens „gebunden“. Dieser Begriff umfasst verbindliche Entscheidungen wie Verträge, verbindliche Aufträge oder auch politische Festlegungen. Bis Ende dieses Jahres werden laut den Planungen 100 Prozent so gebunden sein.

Dann können keine neuen Vorhaben aus dem Sondervermögen finanziert werden, allerdings sehr wohl aus dem mehr als 50 Milliarden Euro umfassenden Verteidigungsetat. Ende des Jahres 2027 ist dann das Sondervermögen dem Stand der Planungen nach „verausgabt“. Das Geld ist dann abgeflossen oder für Restzahlungen geblockt.

100 Milliarden Euro fast aufgebraucht

„Gut, dass mittlerweile viele in der Regierungskoalition und auch in der Opposition davon sprechen, den Verteidigungsetat zu erhöhen. Besser wäre, sie würden es tatsächlich tun!“, forderte Wüstner. „Ohne eine entsprechende Erhöhung des Verteidigungsetats nämlich – der Verteidigungsminister hat einen Mehrbedarf von rund 6,7 Milliarden Euro formuliert – würde Deutschland den gerade erst angelaufenen, schwierigen Prozess des Kapazitätsaufbaus in der Rüstungsindustrie abwürgen.“

Seine Sorge zielt darauf ab, dass der Kuchen aus Sicht der Industrie dann gewissermaßen verteilt sein könnte.

Wie Epoch Times berichtet hatte, sei das Sondervermögen schon fast zur Gänze aufgebraucht. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte in Berlin: „Es stimmt. Das Sondervermögen ist verplant. Und das ist unsere Aufgabe, uns darüber Gedanken zu machen, wie wir diese Mittel bestmöglich im Sinne der Zeitenwende für kriegstüchtige, für verteidigungsfähige Streitkräfte einsetzen.“ Der Verteidigungsminister habe den Mehrbedarf eingebracht. „Eine Pause können wir uns hier nicht leisten“, sagte der Sprecher.

Unklar ist noch, wo zusätzliches Geld nach 2027 herkommen soll. Wüstner warnt nun vor den Folgen dieser Situation. „Wir würden weiterhin eine nur bedingt verteidigungsfähige Bundeswehr unterhalten und wie schon nach den Gipfelbeschlüssen von Wales 2014 und Warschau 2016 erneut als wenig zuverlässiger Verbündeter innerhalb der NATO dastehen“, sagte er der dpa.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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