Was wollen Bund und Länder in der Migrationspolitik ändern?
Zu ihrem Treffen in Berlin haben die Regierungschefs der Länder Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eingeladen. Sie wollen mit ihm darüber sprechen, wie es in der Migrations- und Asylpolitik weitergeht. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Warum sprechen Bund und Länder über Migration?
Das Thema birgt gesellschaftlichen Sprengstoff – vor allem da, wo Kitaplätze und bezahlbare Wohnungen fehlen. Auch die Unterbringung einer größeren Zahl von Asylsuchenden in Gemeinden mit wenigen Einwohnern sorgt mancherorts für Spannungen. Meinungsforscher haben festgestellt, dass die Bereitschaft, geflüchtete Menschen aufzunehmen, zuletzt erheblich gesunken ist.
Geht es vor allem um Geld?
Nicht nur. Bei ihrem Treffen im November haben Scholz und die Ministerpräsidenten vereinbart, dass der Bund seine Zahlungen an die Länder erhöht. Mit einer Pro-Kopf-Pauschale von 7500 Euro pro Jahr für jeden, der erstmals in Deutschland Asyl beantragt, gibt es nun ein System, das eine automatische Anpassung an die Zahl der Asylbewerber vorsieht. Das war Ländern und Kommunen wichtig.
Was steht sonst noch an?
Bund und Länder haben vereinbart, Asylverfahren und Asylklageverfahren zu beschleunigen – damit Menschen ohne Bleiberecht Deutschland schneller wieder verlassen. Das soll auch Kapazitäten freimachen, damit diejenigen, die bleiben dürfen, mehr Unterstützung bekommen – zum Beispiel durch einen Sprachkurs oder bei der Suche nach einem Arbeitsplatz.
Für die Asylverfahren ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verantwortlich, der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) untersteht. Dort liegt die Verfahrensdauer aktuell durchschnittlich bei 7,2 Monaten.
Laut Bundesamt dauerten die Verfahren, in denen sich Asylbewerber gegen einen Bescheid des BAMF juristisch zur Wehr setzen, im vergangenen Jahr alleine in der ersten Instanz durchschnittlich 20,7 Monate. Hier sind die Länder gefordert, denn diese Gerichte liegen in ihrem Verantwortungsbereich.
Inzwischen abgeräumt wurde das Thema Bezahlkarte für Asylbewerber. Hier hat sich die Ampel-Koalition dazu durchgerungen, eine von den Ländern geforderte bundesgesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen. Die Grünen waren anfangs dagegen. Unwahrscheinlich ist ein Beschluss zu einer von einigen Politikern geforderten Arbeitspflicht für Asylbewerber.
Was ist mit einer Begrenzung der Zuwanderung?
Die wird vor allem von der Union vorgetragen, die dazu auch schon mehrfach Zahlen in den Raum gestellt hat. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte zuletzt beispielsweise „50.000 oder 60.000 Flüchtlinge pro Jahr“.
In puncto Grenzkontrollen hat die Bundesregierung geliefert, wenn auch aus Sicht einiger CDU-Politiker zu spät. Mitte Oktober hat Faeser stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet und seither mehrfach verlängert.
Zwar wird nur in Ausnahmefällen jemand an der Grenze zurückgewiesen. Für die Schlepper, die Strafverfolgung fürchten müssen, steigt durch die Kontrollen das Risiko, entdeckt zu werden. Dass sich Schlepper neue Routen suchen können und langfristig vor allem europäische Lösungen wirken, ist den meisten Politikern dennoch klar.
Wie viele Asylbewerber sind es?
Laut BAMF stellten 2023 in Deutschland 329.120 Menschen erstmals einen Asylantrag – die meisten von ihnen kamen aus Syrien, der Türkei und Afghanistan. Das waren rund 50 Prozent mehr Erstanträge als 2022.
Derzeit leben hierzulande zudem infolge des vor zwei Jahren begonnenen russischen Angriffskriegs rund 1,14 Millionen Menschen aus der Ukraine, die keinen Asylantrag stellen müssen.
Im Januar ist die Zahl der neuen Anträge im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Mit 26.376 Erstanträgen lag sie um 9,3 Prozent unter dem Wert vom Januar 2023, allerdings um 14,6 Prozent über dem von Dezember 2023.
Geht es auf EU-Ebene voran?
Bis die im Dezember vereinbarten Reformen umgesetzt sind, dürften noch Jahre vergehen. Beispielsweise müssen an den Außengrenzen der Europäischen Union Zentren errichtet werden, in denen Asylbewerber aus Staaten mit einer niedrigen Anerkennungsquote dann ihre Asylverfahren durchlaufen sollen.
Auf der Liste der Hausaufgaben der EU-Kommission stehen außerdem Gespräche mit der türkischen Regierung darüber, wie das weitgehend bedeutungslos gewordene Abkommen zwischen der EU und der Türkei wieder aktiviert werden kann.
Die Türkei und die EU hatten 2016 einen Flüchtlingspakt unterzeichnet, in dem Ankara zusagte, gegen illegale Migration vorzugehen. Bestandteil der Abmachung war unter anderem, dass die EU Flüchtlinge und Migranten, die ohne Visum über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken konnte.
Im Gegenzug gab es Unterstützung bei der Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei. Neu hinzugekommen ist ein anderes Problem: Immer mehr türkische Staatsbürger beantragen in Deutschland Asyl.
Was wollen die Bundesländer?
Die Bundesregierung hat zugesagt, zu prüfen, ob Asylverfahren nicht in Deutschland, sondern in einem Staat außerhalb der EU, der dazu bereit wäre, durchgeführt werden könnten. Im Sommer soll es hierzu Ergebnisse geben. Jetzt ist noch keine Entscheidung zu erwarten. Genau beobachtet wird seitens der Bundesregierung, wie es mit entsprechenden Projekten Großbritanniens und Italiens vorangeht.
Was ist mit den Abschiebungen?
Faeser verweist auf das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz. Es enthält eine Reihe von Maßnahmen, um den Vollzug der Abschiebung effektiver zu machen und die Ausreisepflicht von Menschen ohne Bleiberecht besser durchsetzen zu können. So erhalten Behörden mehr Möglichkeiten, Ausreisepflichtige aufzufinden, ihre Identität anhand von Dokumenten zu klären und ein Untertauchen zu verhindern. Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams wird von bislang zehn Tagen auf 28 Tage verlängert.
Es gebe bei den Rückführungen bereits eine Steigerung von mehr als 25 Prozent. Dabei werde man weiter zulegen. „Dafür braucht es jetzt das Handeln der verantwortlichen Länder, die die neuen Abschieberegeln nutzen können“, so Faeser weiter. „Die Bundespolizei wird die Länder dabei weiter unterstützen.“
Die Innenministerin sagte, es werde schneller für Klarheit gesorgt, wer in Deutschland bleiben dürfe und wer nicht. „Wie ernst wir das meinen, zeigen wir mit 1.160 zusätzlichen Kräften beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und 300 Millionen Euro zusätzlich für schnellere und digitale Verfahren“, so Faeser. „Das gleiche Tempo brauchen wir in den Ländern bei der Digitalisierung der Ausländerbehörden.“
Außerdem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen. Da das Gesetz erst Ende Februar in Kraft getreten ist, kann man aber noch nicht sagen, welche Wirkung die Änderungen in der Praxis haben werden. Obgleich sich Faeser und der Beauftragte für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), um Vereinbarungen mit Herkunftsländern bemühen, mangelt es bei einigen Staaten an der Bereitschaft zur Rücknahme ausreisepflichtiger Staatsbürger. (dpa/red)
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