Was wir über den Tatverdächtigen wissen – und was nicht
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Nach dem Anschlag in München mit mindestens 36 Verletzten beleuchten die Ermittler den Lebensweg des tatverdächtigen Afghanen. Die Staatsanwaltschaft sieht nach seiner Vernehmung Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund.
Doch bei der Suche nach dem Motiv, mit einem Auto mitten in einen ver.di-Demonstrationszug zu fahren, gibt es auch noch Fragezeichen. Was bisher bekannt und was noch zu klären ist – ein Überblick:
Wer ist der Festgenommene?
Der Tatverdächtige ist 24 Jahre alt und seit Ende 2016 in Deutschland. Er soll in der afghanischen Hauptstadt Kabul gelebt haben. An seiner Identität gibt es bislang keinen Zweifel.
Bekannt ist, dass er sich zuvor in Italien aufgehalten hatte und einen Reisepass vorlegte, den die deutschen Behörden als echt einschätzten. Kurz nach seiner Ankunft in Deutschland wurde bei dem damals 15-Jährigen nach Informationen der dpa eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.
Das ist bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten nicht selten. Die Ursachen dafür liegen oft in Erlebnissen im Herkunftsland – etwa Kriegsgeschehen – oder in den Umständen der Flucht.
Er besuchte in Deutschland die Schule, die er mit dem Mittelschulabschluss verließ. Anschließend begann er eine Ausbildung, wie aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts in seinem Asylklageverfahren hervorgeht.
In sozialen Medien zeigt er sich als Bodybuilder, der auch an Wettkämpfen teilnimmt. Er teilt auch islamische religiöse Inhalte. Nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat der junge Afghane eine Schule besucht, eine Berufsausbildung gemacht und dann als Ladendetektiv für zwei Sicherheitsfirmen gearbeitet.
Wie lebte er in München?
Der Mann arbeitete laut Generalstaatsanwaltschaft bis zuletzt im Sicherheitsgewerbe und wohnte in einer Mietwohnung. Am Vortag war die Wohnung im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses im Stadtteil Solln durchsucht worden.
Das Auto, mit dem er die Menschen überfuhr, gehörte ihm. Nachbarn sagten, sie kannten ihn nicht. Vorbestraft war er nicht.
In Bayern gab es nach Angaben der Behörden zwar ein Verfahren wegen Arbeitsamtsbetrugs, weil er sich nach dem Ende seiner Arbeitslosigkeit wohl nicht rechtzeitig wieder abgemeldet hatte. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.
Welchen Aufenthaltsstatus hatte er?
Der junge Afghane hatte nach Angaben Herrmanns einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. „Damit war der Aufenthalt des Täters bis zum heutigen Tage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absolut rechtmäßig“, sagt Herrmann.
Nach Angaben der Polizei verfügte er über eine sogenannte Fiktionsbescheinigung als Übergang zwischen zwei gültigen Aufenthaltsgenehmigungen.
Zugleich berichten die Ermittler, dass der Mann nach neuesten Erkenntnissen und entgegen erster Informationen vom Donnerstag nicht wegen Ladendiebstählen und Drogendelikten auffällig geworden war. Seine Tätigkeit als Ladendetektiv habe zu diesem Missverständnis geführt. Laut Polizei war er in entsprechenden Verfahren Zeuge gewesen und hatte selbst Anzeigen erstattet.
Der Afghane beantragte im Februar 2017 Asyl. Sein Antrag wurde abgelehnt. Mit einer Klage dagegen scheiterte er vor Gericht. 2020 wurde sein Asylverfahren endgültig abgeschlossen, mit einem Ablehnungsbescheid und der Aufforderung zur Ausreise. Die Landeshauptstadt München habe dann aber im April 2021 einen Duldungsbescheid erlassen und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis, heißt es.
Das Verwaltungsgericht stufte die von dem Jugendlichen vorgebrachte Verfolgungsgeschichte, wonach sein Vater getötet und die restliche Familie von einer Bande verfolgt worden sei, als unglaubwürdig und voller Widersprüche ein.
In dem Urteil vom Oktober 2020 hieß es, man gehe davon aus, dass er „die Geschichte nur erfunden hat, um ein Bleiberecht zu erhalten“. Es sei unter anderem widersinnig, dass er einerseits angegeben habe, in Kabul als Fliesenleger gearbeitet zu haben, anderseits aber vorbrachte, er habe sich meist zu Hause versteckt.
Was ist über ein mögliches Motiv bekannt?
Das, was der Tatverdächtige nach seiner Festnahme sagte, „lässt auf eine religiöse Tatmotivation schließen“, sagt Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann. Nach seiner Festnahme habe er „Allahu akbar“ (Gott ist groß) gesagt und gebetet.
Laut Innenminister Herrmann gibt es keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit der laufenden Münchner Sicherheitskonferenz hochrangiger internationaler Politiker. „Im Moment gehen wir in der Tat davon aus, dass die Zielgruppe hier, dass die Opfer aus den Reihen dieser Verdi-Demonstration eher zufällig waren“, sagt er. „Aber auch dem muss natürlich nachgegangen werden.“
War der Mann als potenzieller Extremist bekannt?
Nein. Der Tatverdächtige sei „wohl bislang eher unauffällig“ gewesen, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Aus Sicherheitskreisen heißt es, auch ein Blick auf das Umfeld des Tatverdächtigen habe bislang keine Kontakte zu islamistischen Kreisen ergeben.
Er war religiös, betete, ging regelmäßig in eine Moschee, die laut Staatsanwaltschaft nicht für extremistische Prediger bekannt ist. Dass sich der junge Afghane als Bodybuilder leicht bekleidet in sozialen Medien zeigte, spricht eher gegen ein geschlossenes islamistisches Weltbild. (dpa/red)
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