Was halten die Berliner vom arbeitsfreien Frauentag?

Vor einem Berliner Einkaufszentrum befragten wir Berliner, was sie vom Frauentag als gesetzlichen Feiertag halten. Dabei gab es erstaunliche Antworten.
Titelbild
Ein Paar auf einer Sitzbank.Foto: iStock
Von 7. März 2023

Am 8. März ist der Internationale Frauentag. Seit 2019 ist er in Berlin ein gesetzlicher Feiertag und seit diesem Jahr erstmals auch in Mecklenburg-Vorpommern. Im Stadtteil Tegel, gelegen im Nordwesten Berlins, fragten wir Passanten, was für eine Bedeutung der Tag für sie hat.

Eine Berlinerin in den 60ern erklärt dazu: „Na, dass mal an die Frauen gedacht wird. Und dass sie auch fleißig sind, genau wie die Männer und die Gleichberechtigung – das ist eigentlich auch wichtig.“

Allerdings würde sie es lieber haben, dass alle an dem Tag arbeiten müssten: „Weil wir ja heute die Situation haben, dass es zu wenig Arbeitskräfte gibt.“ Dass die Frauen an dem Tag geehrt werden, findet sie „wunderbar“. „Aber dafür unbedingt einen arbeitsfreien Feiertag einzurichten, halte ich nicht für so wichtig.“ Sie wird sich morgen einen schönen Tag machen. Gemütlich frühstücken und entspannen.

„Tag hat nicht so eine große Bedeutung“

Für Sabina Banda (50) hat der Tag „nicht so eine große Bedeutung“. „Eigentlich sollte jeder Tag auch irgendwie ein Frauentag sein“, findet sie. Die Personalvermittlerin von medizinischen Fachkräften würde ihn auch nicht vermissen, wenn es ihn gar nicht gäbe.

Da sie selbstständig sei, spiele es auch keine Rolle, dass arbeitsfrei ist. Sie wird morgen „auf jeden Fall“ trotzdem arbeiten. „Es ist ganz nett, weil keiner an dem Tag wirklich anruft, dann hat man seine Ruhe und kann den Schreibkram abarbeiten.“

Auch für eine Frau in den 70ern hat der Tag keine große Bedeutung. „Nein, es ist ja jetzt neu, dass er überhaupt frei ist. Das war ja bis jetzt eigentlich nicht.“ Sie findet es nicht richtig, dass nur in zwei Bundesländern die Menschen an diesem Tag nicht arbeiten gehen. „Also entweder soll es überall so sein oder gar nicht. Dass die Leute jetzt wieder sagen ‚wir haben frei, komm’ wir fahren nach Brandenburg und gehen dort einkaufen‘, finde ich albern.“ Man sollte sich endlich mal einig sein mit den ganzen Feiertagen, so die Berlinerin. Und was wird sie am freien Tag machen: „Na, nichts Spezielles.“

„Frauen wollen ja heute sein wie Männer“

Ein Herr, 75 Jahre alt, früher Seemann, Kneipenbesitzer und Blumenhändler, möchte sich auch gerne zum Thema Frauentag äußern. Er ist Witwer und lebt mit einer neuen Partnerin seit 23 Jahren zusammen. „Und selbst die findet den Frauentag auch nicht besonders gut.“

„Ich meine, Frauen wollen ja heute sein wie Männer.“ Wenn er mal einer Frau die Tür aufhalte, hieße es gleich: „Das kann ich selber.“ „Aber wenn sie Vorteile haben, dann wollen sie auf einmal Frauen sein.“ Er findet es nicht richtig, dass es einen Frauentag gibt, „weil es ja auch keinen Männertag gibt“.

Auch finanziell ergibt es für ihn keinen Sinn, weil ja auch die Männer am Frauentag freihaben. Was es für Geld koste, wenn ein ganzes Land einen gesetzlichen Feiertag einrichte. „Wenn Sie das mal hochrechnen, wenn die ganzen Leute nicht arbeiten.“

Auf die Frage, wofür braucht Deutschland einen Frauentag, antwortet eine 82-jährige ehemalige Mitarbeiterin der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte: „Vielleicht schwappt es irgendwie rüber in andere Länder, dass die davon lernen. Ich weiß es nicht.“ Oder dass sie ein bisschen beeindruckt wären, dass man auch etwas für die Frauen tun könne. Viel Hoffnung habe sie allerdings nicht, wenn sie sich zum Beispiel den Iran und die Situation für die Frauen dort anschaut.

„Wem das nützt, sehe ich nicht so richtig“

Für den verheirateten zweifachen Vater Tobias Klein (46) ist die Situation etwas paradox. Die Familie wohnt in Berlin, jedoch arbeitet seine Frau außerhalb von Berlin im Land Brandenburg, wo der Frauentag kein gesetzlicher Feiertag ist.

„Das heißt, da stehen wir vor der lustigen Situation, dass sie zwar arbeiten muss, aber ich nicht einkaufen gehen kann.“ Das beträfe in seinen Augen noch mehr Menschen. Auch fand er die Vorgeschichte, wie Berlin den Frauentag zu einem arbeitsfreien Feiertag machte, etwas sonderbar.

„Es hieß, man könnte eigentlich den Arbeitnehmern einen zusätzlichen Feiertag gönnen. Aus finanzieller Sicht erschien das irgendwie opportun: Da Berlin das Bundesland mit den wenigsten arbeitsfreien Feiertagen bundesweit sei, könnte man da mal was ändern und einen zusätzlichen Feiertag schaffen.“

„Dass man da ausgerechnet den Internationalen Frauentag auswählte, das erschien mir nicht so richtig überzeugend“, so der Freiberufler, der sich aktuell hauptsächlich um die zwei kleinen Kinder zu Hause kümmert.

Ob Deutschland ein großes Defizit, was die Gleichberechtigung betrifft, hat und man diesen Tag braucht, verneint er. „Vor allem sehe ich nicht diese Symbolfunktion von so einem Tag. Wem das letztendlich nützt, das sehe ich auch nicht so richtig.“ Als Katholik hätte er lieber so etwas wie Fronleichnam, „aber das ist in Berlin natürlich nicht mehrheitsfähig“, so der freie Autor und Journalist.

„Muss zu Hause alles machen“

Für die 21-jährige junge Mutter namens Cecilia geht es beim Frauentag einfach um die Wertschätzung für die Frau. „Ansonsten hat er gar keine Bedeutung und ist ein Tag wie jeder andere.“

Sie sieht hier in Deutschland Defizite bei der Wertschätzung gegenüber Frauen. „Das merke ich selber bei meinem Mann zu Hause.“ Als Frau müsse sie zu Hause alles machen. „Der Mann ist der Mann und die Frau ist die Frau“, so die gelernte Altenpflegerin. Und fügt hinzu: „Also die Frauen machen immer alles.“

Keiner kennt die Herkunft des Feiertages

Was auffällt, ist, dass keiner der Befragten die Herkunft dieses Feiertages kennt und wo seine Anfänge liegen.

Der Frauentag geht auf die sozialistische Arbeiterinnenbewegung Mitte des 19. bis zum 20. Jahrhundert zurück. Erste entscheidende Momente sollen Demonstrationen und Streiks von Textilarbeiterinnen in den USA seit 1858 gewesen sein. Sie hätten mehrfach gestreikt, da sie für die gleiche Arbeit nur einen Bruchteil des Lohnes der Männer verdienten: für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, für kürzere Arbeitszeiten und gegen unzumutbare Wohn- und Lebensbedingungen.

Somit hätten nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Ergebnis nordamerikanische Arbeiterinnen bereits am 20. Februar 1909 einen nationalen Frauentag begangen.

Clara Zetkin und die Internationale Sozialistische Frauenkonferenz

In Europa beschloss dann die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentages. Es nahmen mehr als 100 Delegierte aus 17 Ländern teil. Das Treffen kam auf Initiative der deutschen Sozialistin und revolutionär-marxistisch eingestellten Clara Zetkin am 27. August 1910 in Kopenhagen zustande.

Von Jahr zu Jahr schlossen sich dann mehr Frauen in Frankreich, Schweden und den Niederlanden, aber auch in Russland der Idee des Frauentages an und gingen auf die Straße, um für eigene Rechte zu demonstrieren.

Am 8. März 1917 demonstrierten auch Frauen anlässlich des Internationalen Frauentages in St. Petersburg. In Textilfabriken streikten die Arbeiterinnen und forderten andere Betriebe auf, sich anzuschließen. Auch Beschäftigte aus großen Rüstungsfabriken der Stadt folgten. Sie forderten bessere Lebensbedingungen.

Infolge des Ersten Weltkriegs gab es in Russland nicht mehr ausreichend Lebensmittel, die Inflation galoppierte. Am 12.03.1917 mündete die Unzufriedenheit in einen Aufstand: die blutige Februarrevolution. Der Zar dankte ab, eine provisorische bürgerliche Regierung übernahm die Staatsführung. Aufgrund der Bedeutung dieses Ereignisses wurde der Internationale Frauentag auf den 8. März festgelegt.



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