Was der Kanzler und das halbe Kabinett in Indien wollen
Die Ampel-Regierung wird in den nächsten Stunden nach und nach in Neu-Delhi zu den siebten deutsch-indischen Regierungskonsultationen einfliegen.
Zuerst landen heute am frühen Morgen Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der indischen Hauptstadt. Kurz darauf starten Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit einem zweiten Regierungsflieger von Berlin aus nach Indien. Später kommen noch Außenministerin Annalena Baerbock aus Paris und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger nach einem Kiew-Besuch mit Linie nach.
Am Freitag werden sie alle zusammen im Hyderabad House, dem Gästehaus der Regierung in Neu-Delhi, mit Ministerpräsident Narendra Modi und seinem Kabinett beraten. Darum geht es dabei:
Russland: Indien als Mittler zwischen den Lagern
Die Reise hat sehr viel mit Russland zu tun. Indien zählt neben Brasilien und Südafrika zu den drei Ländern der G20-Staatengruppe, die sowohl zu Moskau als auch zum Westen einen guten Draht haben. Modi ist gerade noch im russischen Kasan beim Gipfeltreffen der BRICS-Staaten, die sich als Gegengewicht zur G7 führender westlicher Wirtschaftsmächte verstehen.
Bei den Bemühungen um ein Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine könnte Indien wegen seiner guten Beziehungen in beide Lager eine besondere Rolle zukommen. Kanzler Scholz wirbt seinerseits seit Monaten verstärkt für eine neue Friedenskonferenz, an der dann auch Russland teilnehmen soll.
Sicherheit: Gemeinsames Marine-Manöver
Deutschland und Indien haben vor mehr als 20 Jahren eine strategische Partnerschaft abgeschlossen und wollen ihre Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich nun weiter intensivieren.
Scholz besucht am Samstag in der Provinz Goa die deutsche Fregatte „Baden-Württemberg“ und das Versorgungsschiff „Frankfurt“, die an einem gemeinsamen Manöver mit der indischen Marine teilnehmen. Auch bei der Rüstungskooperation gebe es noch „unerschlossenes Potenzial“, sagte Modi bereits beim letzten Indien-Besuch des Kanzlers im vergangenen Jahr.
Indiens Streitkräfte sind derzeit zu einem Großteil mit russischen Waffen ausgerüstet. Die Bundesregierung würde gerne daran mitwirken, das zu ändern.
Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) hat die Bundesregierung zu Waffenlieferungen an das Land aufgerufen. „Wir sollten Indiens Abhängigkeit von russischen Waffenlieferungen reduzieren, indem wir selbst liefern, und unsere eigene wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringern, indem wir die Wirtschaftsbeziehungen mit Indien ausbauen“, sagte Röttgen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Indien fühle sich von China in seiner Sicherheit zentral bedroht und wolle mit Russland keinen zusätzlichen Gegner haben, auch weil es auf Energie und Waffen aus Moskau angewiesen sei. „Das sind die Rahmenbedingungen indischer Außenpolitik, auf die wir aber durchaus versuchen können, Einfluss zu nehmen“, sagte der CDU-Politiker. „Dafür muss die strategische Bedeutung Indiens für Deutschland endlich konkret sichtbar werden.“
Wirtschaft: Habeck hofft auf Freihandelsabkommen
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) pochte vor seinem Abflug auf einen zügigen Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Indien. „Seit 20 Jahren wird darüber verhandelt, das ist nicht gerade Deutschlandtempo. Mal gucken, ob wir ein paar Knoten lösen können“, sagte der Grünen-Politiker.
Die ersten Verhandlungen über ein solches Abkommen gab es von 2007 bis 2013. Damals scheiterten die Gespräche aber. Hürden waren aus deutscher Sicht etwa Schutzmaßnahmen für den indischen Autosektor. 2022 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen.
Fachkräfte: Heil will Anwerbung voranbringen
Für Arbeitsminister Heil geht es um die Anwerbung von Fachkräften aus Indien. Das bevölkerungsreichste Land der Welt sei dabei ein „idealer Partner“, sagte der SPD-Politiker vor dem Abflug.
„In Indien kommen pro Monat eine Million Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt.“ Vergangenen Mittwoch beschloss das Kabinett eine Strategie zur leichteren Anwerbung der Fachkräfte, deren Umsetzung bei der Reise vorangetrieben werden soll. (dpa/dts/red)
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