Warten auf das Bundesverfassungsgericht: Entscheidung noch vor Donnerstag?

Scheitern die Pläne von CDU, CSU und SPD zu einer schnellen Grundgesetzänderung für neue Milliardenschulden mit dem Personal des alten Bundestags an den Karlsruher Verfassungsrichtern? Oder vielleicht auch am Widerstand der Grünen? Bis Donnerstag ist nicht mehr viel Zeit.
Das Bundesverfassungsgericht hat zu Zuschlägen für Nacharbeit geurteilt (Archivbild).
Das Bundesverfassungsgericht soll sich nach dem Willen von drei Klägern möglichst schnell mit der Verfassungsmäßigkeit der Sitzungen des „alten“ Bundestags beschäftigen (Archivbild).Foto: Uli Deck/dpa
Von 10. März 2025

Wird das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Pläne von CDU, CSU und SPD zu einer schnellen Grundgesetzänderung mit den Stimmen des alten Bundestags noch kurzfristig kippen? Oder machen am Ende die Grünen dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung?

Das BVerfG bestätigte gegenüber der Epoch Times den Eingang eines Eilantrags von fünf Angehörigen der AfD-Fraktion im Bundestag. Auch eine weitere Verfassungsbeschwerde nebst Eilantrag eines Bürgers sollen dem Gericht vorliegen. Beide Schriftstücke wollen erreichen, dass Karlsruhe die beiden Sondersitzungen für eine Grundgesetzänderung nach den Wünschen der mutmaßlichen Koalitionspartner untersagt.

Umstritten: Was darf der „alte“ Bundestag überhaupt noch beschließen?

Nach Recherchen der Epoch Times handelt es sich im ersten Fall um eine „Organklage gegen die Einberufung des 20. Deutschen Bundestags am 13. März 2025 und die dort beabsichtigte Änderung des Grundgesetzes“, die der AfD-Bundestagsabgeordnete Dr. Christian Wirth, zugleich der staats- und verfassungsrechtliche Sprecher seiner Fraktion, laut seinem X-Kanal am vergangenen Freitag auf den Weg gebracht hatte.

„Es geht dabei auch um die Klärung der Frage, was ein ‚alter‘ Bundestag zwischen der Neuwahl und der Konstituierung des ‚neuen‘ Bundestags noch beschließen darf. Diese Frage ist bisher vom Bundesverfassungsgericht noch nicht geklärt worden“, so Wirth.

Wirth: „Das Bundesverfassungsgericht hat alle Zeit der Welt“

Der Rechtsanwalt bestätigte gegenüber der Epoch Times, dass er bereits ein Aktenzeichen aus Karlsruhe erhalten habe. Er rechne in der Kürze der Zeit aber nicht mit einer mündlichen Verhandlung. Ob es noch bis zum Donnerstag zu einer Entscheidung ohne weitere Anhörung kommen werde, sei ebenfalls nicht gesichert: „Das Bundesverfassungsgericht hat alle Zeit der Welt“, so Wirth. Es dürfe Anträge sogar ohne Begründung ablehnen.

Im zweiten Fall dürfte es sich um ein Verfahren des früheren FDP-Politikers Marcel Luthe  handeln, der sich zusammen mit der scheidenden Bundestagsabgeordneten Joana Cotar (fraktionslos, Ex-AfD) ebenfalls gegen die Pläne von Union und SPD wendet. Beider Hauptargument: Die Fristen, um eine Grundgesetzänderung im Plenum in nur sechs Tagen durchzupeitschen, seien zu kurz, um sich einarbeiten zu können.

Wie angekündigt: AfD bringt dritte Klage auf den Weg

Zusätzlich wird die AfD-Fraktion im Bundestag im Lauf des Montags eine eigene „Organklage nebst Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht einreichen“. Das gab die Fraktion am frühen Nachmittag des 10. März auf ihrer Website bekannt. Es wäre somit der dritte Versuch, die milliardenschwere Neuverschuldung der Bundesrepublik zumindest vorläufig zu verhindern.

Die AfD hatte sich aufgrund der Weigerung der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), ihre Einladung zurückzuziehen, dazu entschlossen – wie zuvor angekündigt.

Der AfD-Eilantrag stütze sich „auf die Verletzung von Organisations- und Mitwirkungsrechten, wenn in fehlerhafter Weise das Alt-Parlament zu einer Sondersitzung einberufen wird, obwohl in vergleichbarer Geschwindigkeit das bereits gewählte, neue Parlament einberufen werden könnte“, heißt es auf der Website. Immerhin könne Bas den neugewählten Bundestag bereits in der kommenden Woche einberufen: Dadurch würde „kein wesentlicher zeitlicher Verzug entstehen“.

Stephan Brandner, der Justiziar und Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, kritisierte Bas: „Sie hat bereits formell fehlerhaft einberufen, ignoriert mit ihrer Entscheidung den Wählerwillen, der sich bei der Bundestagswahl vor zwei Wochen gezeigt hat, und untergräbt damit weiter das Vertrauen in die parlamentarischen Prozesse.“

Bas sieht sich rechtlich verpflichtet

Die Bundestagpräsidentin, die zuvor selbst an den Sondierungsgesprächen von Union und SPD teilgenommen hatte, hatte am Morgen des 10. März im ARD-„Morgenmagazin“ erklärt, sie habe rechtlich keine andere Möglichkeit, als den „alten“ Bundestag einzuberufen. Dazu sei sie verpflichtet, wenn ein Drittel der Abgeordneten dies beantrage. Dies sei aufgrund eines von Union und SPD gestellten Antrages der Fall, meinte Bas.

Im entsprechenden Grundgesetz-Artikel 39 heißt es in Absatz 3: „Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.“

Wirth sieht formalen Fehler: „Regelung ist eindeutig“

Nach Auffassung von Dr. Christian Wirth und seinem Mitstreiter Martin Sichert, dem gesundheitspolitischen Sprecher der AfD im Bundestag, ist allerdings keine der drei möglichen Optionen aus Artikel 39 GG formal erfüllt. Es habe ja kein Drittel der MdBs ihren Antrag an Bas gestellt, sondern lediglich die beiden Fraktionen der Union und der SPD, so Sichert auf seinem X-Account. „Die Regelung ist eindeutig“, hieß es in Wirths Schreiben an das BVerfG.

Die Grafik zeigt einen Ausschnitt aus dem Schreiben von Dr. Christian Wirth an das Bundesverfassungsgericht. Demnach seien die Fraktionen von Union und SPD „nicht antragsbefugt“, um gemäß Artikel 39(3) GG um eine Sitzung des „alten“ Bundestags zu bitten. Foto: Bildschirmfoto/X/Dr. Christian Wirth

Die Grafik zeigt einen Ausschnitt aus dem Schreiben von Dr. Christian Wirth an das Bundesverfassungsgericht. Foto: Bildschirmfoto/X/Dr. Christian Wirth

Wirth erklärte gegenüber der Epoch Times, dass die beiden Fraktionen zwar zusammen tatsächlich mehr als ein Drittel der Abgeordneten ausmachen könnten. Da es aber schon Widerstand in der Unionsfraktion gegeben habe, könne niemand sagen, ob tatsächlich alle diese Abgeordneten dahinter stünden. Von daher sei die Ladung durch Bas „formal nicht ordnungsgemäß“ erfolgt. Nun liege es am BVerfG, unter anderem darüber zu urteilen – neben einem Urteil „in der Sache“.

Staatsrechtler Vosgerau: Bundestag ist „aufgelöst“, deshalb Sonderfall

Zu einem ähnlichen Schluss war auch der Staatsrechtslehrer Dr. Ulrich Vosgerau (CDU) gelangt. In einer umfangreichen juristischen Analyse hatte er am Sonntagnachmittag auf seinem X-Kanal dargelegt, dass es ja „irgendeinen Sinn“ haben und „irgendeinen Unterschied“ machen müsse, wenn in Artikel 68 GG ausdrücklich von einem „aufgelösten“ Bundestag infolge eines „negativen Ausgang[s] der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers“ die Rede sei – während Artikel 39 auf den Normalfall des regulären Zeitablaufs einer Legislatur abhebe.

Eine bereits vollzogene Auflösung des Bundestags – wie jüngst geschehen – markiere aus seiner Sicht von daher einen „Sonderfall“, so Vosgerau. „Und daher wird die angeblich entscheidende Vorschrift aus Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG hier schon in Gemäßheit des Auslegungsgrundsatzes lex specialis derogat legi generali (die speziellere Vorschrift verdrängt die allgemeine) von Art. 68 GG überlagert“.

Dem neuen Bundestag den Vorzug geben

Vosgerau hält es ebenfalls für „mithin schon mehr als zweifelhaft, ob sich ein vom Bundespräsidenten explizit aufgelöster Bundestag danach überhaupt noch versammeln“ dürfe. „Ganz im Gegenteil: unter Legitimitätsgesichtspunkten wäre offensichtlich jedenfalls immer dann der neue Bundestag einzuberufen, wenn dies technisch möglich erscheint“, so der Staatsrechtler.

Die Bundestagspräsidentin sei zudem keineswegs verpflichtet, den alten Bundestag einzuberufen, da sie nach Paragraf 1 (1) der Geschäftsordnung auch für die erstmalige Einberufung des neuen Bundestages zuständig sei. Dies sei „spätestens ab der Feststellung des endgültigen Ergebnisses der Bundestagswahl durch den Bundeswahlausschuß, die nach derzeitigem Stand am 14. März stattfinden soll“, möglich.

Auch dem Wunsch eines Antragstellers auf ein bestimmtes Datum müsse die Bundestagspräsidentin gar nicht unbedingt folgen. Vosgerau:

Beantragen also die Abgeordneten eine Bundestagssitzung am 13. März, so wäre die Bundestagspräsidentin durch nichts gehindert, den Bundestag mit Rücksicht auf die bevorstehende Feststellung des endgültigen Ergebnisses der Bundestagswahl [am 14. März] für den 15. März (Samstag) oder auch den 17. März (Montag) einzuberufen. Und dann selbstverständlich den neuen, welchen denn sonst!“

Nach einigen weiterführenden Erklärungen gelangt Vosgerau zu dem Fazit: „Es spricht daher – anders, als es derzeit in den Medien teils transportiert wird – eigentlich alles für die Einberufung des neuen und nichts für die geplante Einberufung des alten Bundestages.“

Grüne verlangen mehr Zugeständnisse

Noch mehr Gegenwind scheint den Fraktionen der Union und der SPD vonseiten der Grünen-Fraktion entgegenzuwehen. Nach Informationen des „Tagesspiegel“ wollen die Grünen am Donnerstag ihre Stimme zu einer Grundgesetzänderung versagen – es sei denn, der mutmaßliche nächste Kanzler Friedrich Merz (CDU) gewährt weitere Zugeständnisse für den Klimaschutz.

„Wenn Union und SPD dafür nicht die Kraft finden, muss auf jeden Fall ein großer Teil des Sondervermögens für Klimaschutz eingeplant werden, ansonsten ist das für uns nicht zustimmungsfähig“, zitiert der „Tagesspiegel“ etwa den grünen Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner. Auch die Spitze der grünen Bundestagfraktion in Gestalt von Katharina Dröge und Britta Haßelmann hätten bereits Ablehnung signalisiert.

Sollten die Grünen sich nicht umstimmen lassen oder sich das Bundesverfassungsgericht von den Argumenten von Wirth, Luthe oder der AfD-Fraktion überzeugen lassen, käme das geplante schwarz-rote Finanzierungspaket wahrscheinlich nicht durch.

Das wiederum könnte weitere Koalitionsverhandlungen schwer belasten, wenn nicht gar verunmöglichen.



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