Trend in Berlin: Zugewinne für CDU und AfD – „Klares Signal“ an die Bundesregierung
Die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP verlieren im Vergleich zum Gesamtergebnis 2021 bei der Wiederholungswahl in Berlin an Boden. Das ergibt sich aus Angaben der Landeswahlleitung im Internet, wonach Stand 20:45 Uhr rund 97,5 Prozent aller Wahlgebiete ausgezählt waren.
Diese Angaben basieren auf den gültigen Ergebnissen von 2021 und den bereits ausgezählten Ergebnisse der teilweisen Wiederholung am heutigen Sonntag.
CDU und AfD können auf Grundlage dieses noch unvollständigen Zwischenstands mit einem Plus von etwa einem Prozentpunkt rechnen. SPD, Grüne und FDP müssen mit Einbußen von jeweils um die 0,7 Prozentpunkte rechnen. Die Linke bleibt diesen Zwischenergebnissen zufolge etwa stabil.
An der Reihenfolge der Parteien bei der Bundestagswahl 2021 ändert sich demnach zunächst nichts. Beim ersten Anlauf der Wahl in Berlin lag die SPD vor knapp zweieinhalb Jahren vorn (23,4 Prozent der Zweitstimmen), gefolgt von Grünen (22,4), CDU (15,9), Linken (11,4), FDP (9,1) und AfD (8,4).
Kühnert behält Direktmandat
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat sein Bundestagsdirektmandat verteidigt. Kühnert verlor bei den Erststimmen nach Angaben der Landeswahlleitung gegenüber dem ersten Anlauf 2021 zwar leicht, landete im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg im Gesamtergebnis aber mit 26,7 Prozent auf dem ersten Platz.
Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast, die 2021 über die Landesliste der Partei in den Bundestag einzog, kam mit 25,2 Prozent auf den zweiten Platz. Für den CDU-Politiker Jan-Marco Luczak bestätigte sich mit 22,4 Prozent der dritte Platz.
Wegner: CDU-Plus ist Landespartei zu verdanken
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hat den voraussichtlichen Zuwachs seiner CDU auf die Arbeit der Landespartei zurückgeführt „Das liegt vor allem daran, dass wir in Berlin eine gute Regierungsarbeit machen“, sagte Wegner im RBB-Fernsehen. Seine Partei, die in der Hauptstadt zusammen mit der SPD regiert, habe einen intensiven Wahlkampf geführt. „Wir haben eine gute Stimmung für die CDU in der Stadt.“
Wegner sieht im Ergebnis der Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin einen Aufruf an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für einen Kurswechsel. Sich abzeichnende Verluste für die SPD seien ein „klares Signal“ an die Bundesregierung. Er erwarte, „dass der Bundeskanzler hier sein Schweigen bricht, wie er dieses Land wieder auf Vordermann bringen will“.
Wahlbeteiligung niedrig
Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler führt die eher schwache Beteiligung an der teilweisen Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin auf die „ganz schwierigen Bedingungen“ zurück, unter denen diese stattfand.
Viele Bürger hätten nicht gewusst, ob sie wahlberechtigt gewesen seien oder wo ihr Wahllokal sei, sagte Bröchler am Sonntagabend im RBB. Er habe „alle Möglichkeiten angeboten, das herauszufinden“. Aber es seien eben auch nicht alle internetaffin.
Außerdem führte er die voraussichtlich geringe Wahlbeteiligung auf die Winterferien zurück. Viele Berliner seien verreist. „Und natürlich hat der entscheidende Mechanismus gefehlt für demokratische Wahlen, wie er in Deutschland üblich ist: dass die Mehrheitsverhältnisse im Parlament geändert werden können“, fügte Bröchler hinzu.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand wird das vorläufige Wahlergebnis voraussichtlich am frühen Montagmorgen bekannt geben.
In den betroffenen Wahlbezirken gingen laut Landeswahlleiter bis 16:00 Uhr 40,2 Prozent der Stimmberechtigten wählen. Auf ganz Berlin mit den gültigen Ergebnissen von 2021 umgerechnet lag die Wahlbeteiligung damit bei 54,1 Prozent. Dies waren 3,8 Prozent weniger als bei der Ursprungswahl.
Die höchste Wahlbeteiligung wurde um 16:00 Uhr mit 61,1 Prozent aus dem Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf gemeldet, die niedrigste aus dem Wahlkreis Pankow mit 45,4 Prozent, wie der Landeswahlleiter mitteilte.
Drei Wahllokale fielen auf
Im Wahllokal 605/606 fehlte heute Morgen im Bezirk Pankow ein Schlüssel für einen Raum mit den Wahlunterlagen, erklärt Landeswahlleiter Stephan Bröchler dpa. Unterlagen seien dann vom Bezirk geliefert worden, das Wahllokal öffnete mit 40 Minuten Verspätung. Zudem wurde in einem Wahllokal der Wahlvorstand gegen seine Stellvertreterin ausgewechselt – weil er möglicherweise angetrunken war.
In Kreuzberg verspätete sich ein Wahlvorstand wegen eines Unfalls mit einem Taxi. Auch hier öffnete das Wahllokal später.
Landeswahlleiter bedankt sich bei Wahlhelfern
Landeswahlleiter Stephan Bröchler besuchte zusammen mit Bundeswahlleiterin Ruth Brand Wahlvorstände in Pankow und Mitte. Dabei bedankte sie sich bei den Wahlhelfern. „Der Aufwand ist für Sie ja genauso groß wie bei einer vollen Bundestagswahl im ganzen Bundesgebiet“, sagte Brand.
Dafür sei genau so viel Engagement erforderlich. Für eine lebendige Demokratie sei das extrem wichtig. Brand überreichte den Helfern Becher mit dem Aufdruck „Wer wählt, mischt mit!“ als Dank.
Besonderheiten der Wahl
Die Wahl hat einige Besonderheiten. Die Parteien durften keine neuen Kandidaten aufstellen, der Stimmzettel hatte so auszusehen wie 2021. Das führte beispielsweise dazu, dass formell die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann erneut antritt, die es 2021 nicht in den Bundestag geschafft hatte.
Sie wurde im Dezember 2022 bei einer Razzia festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr Mitgliedschaft und Unterstützung einer (rechts-)terroristischen Vereinigung vor.
SPD-Kandidat Michael Müller stand mit der Berufsbezeichnung Regierender Bürgermeister auf dem Stimmzettel. 2021 war er das noch, heute hat er das Amt längst nicht mehr inne.
Merkel hat gewählt
Gewählt wurde in allen zwölf Berliner Bundestagswahlkreisen, in unterschiedlichem Maße. In Pankow waren 85 Prozent der Urnenwahlbezirke betroffen, in Charlottenburg-Wilmersdorf 42 Prozent. Dagegen waren es in Lichtenberg nur 2,9 Prozent, in Treptow-Köpenick 3,4 und in Marzahn-Hellersdorf 6 Prozent.
Unter den betroffenen Wählern war auch die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Merkel hat von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch gemacht, wie das Büro der Bundeskanzlerin a. D. im Januar auf Anfrage mitgeteilt hatte.
Unter den Berliner Senatoren war Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) die Einzige, die zur Wahl aufgerufen war. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die anderen Senatsmitglieder waren nicht wahlberechtigt.
Teilwiederholung in einem Fünftel der Wahlbezirke
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember entschieden, dass die Bundestagswahl deshalb in 455 von 2256 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden muss. Laut Landeswahlleiter wurden rund 800.000 Stimmzettel für die Wiederholungswahl gedruckt. 9.000 Helfer organisieren und unterstützen die Stimmabgabe.
Wegen einer befürchteten geringen Beteiligung an der Wiederholung hatte Landeswahlleiter Stephan Bröchler in den vergangenen Tagen immer wieder zur Stimmabgabe aufgerufen. Seine Behörde organisierte auch eine Kampagne mit Prominenten unter dem Motto „Berlin braucht Deine Stimme!“. 2021 hatte die Wahlbeteiligung in ganz Berlin bei 75,2 Prozent gelegen, bundesweit waren es 76,6 Prozent.
Es ist die erste durch das Bundesverfassungsgericht angeordnete Wahlwiederholung in der Geschichte der Bundesrepublik.
An den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag wird der Wahlgang in der Hauptstadt nichts ändern. Der Anteil der am Sonntag in Berlin Wahlberechtigten an deren Gesamtzahl auf Bundesebene beträgt nur 0,9 Prozent.
(dpa/afp/red)
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