Wahlrechtsreform: So will die Ampel den aufgeblähten Bundestag verkleinern
Die Ampel-Regierung plant eine Verkleinerung des Bundestags von aktuell 736 auf dauerhaft 630 Abgeordnete nach der nächsten Wahl 2025. Am Freitag stimmt der Bundestag über das Projekt ab. Ein Überblick:
Warum ist der Bundestag derzeit so groß?
Dies liegt an Überhang- und Ausgleichsmandaten. Ein Überhangmandat entsteht, wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr laut Zweitstimmenergebnis Sitze im Bundestag zustehen. Bisher ziehen alle Wahlkreisgewinner in den Bundestag ein. Allerdings soll die Zusammensetzung des Parlaments trotzdem das Ergebnis laut Zweitstimmen, mit denen die Parteien gewählt werden, korrekt abbilden. Deshalb gibt es im Falle von Überhangmandaten für die anderen Parteien Ausgleichsmandate.
Was soll sich nun ändern?
Die Ampel will, dass es keine Überhangmandate mehr gibt – und damit auch keine Ausgleichsmandate. Die Bundestagssitze sollen komplett anhand der Mehrheitsverhältnisse bei den Zweitstimmen vergeben werden. Das Parlament soll damit immer 630 Mitglieder haben.
Nach der Wahl werden laut aktuellem Entwurf wie bisher auch die den Parteien zustehenden Bundestagssitze auf die Bundesländer umgerechnet. Im einzelnen Land kommen dann zunächst die erfolgreichen Wahlkreiskandidaten der Partei zum Zuge. Sind danach noch Mandate zu vergeben, kommen die Kandidaten auf der Landesliste an die Reihe.
Und wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr laut Zweitstimmenergebnis Sitze zustehen?
Für die Wahlkreisgewinner jeder Partei gibt es ein Ranking – wer die meisten Stimmen bekommt, steht ganz oben. Nach diesem Ranking werden die Bundestagsmandate verteilt. Wenn die Partei mehr Wahlkreisgewinne verbucht, als ihr laut Zweitstimmenverteilung Sitze zustehen, schauen die Wahlkreissieger in die Röhre, die besonders wenige Stimmen bekommen haben. Eine Ausnahme soll es nur für parteiunabhängige Direktkandidaten geben: Wenn sie die meisten Erststimmen im Wahlkreis auf sich vereinen, kommen sie auf jeden Fall in den Bundestag.
Kritikern der neuen Regelung ist die Koalition etwas entgegengekommen: Im ersten Entwurf sollte der Bundestag nur 598 Mitglieder haben; das entsprach der jetzigen Regelgröße laut Bundeswahlgesetz. Nun sind es 630. Die Anhebung wird damit begründet, dass sich so die Wahrscheinlichkeit erhöhe, „dass Wahlkreisbewerber, auf die die meisten Erststimmen entfallen, einen Sitz erhalten“.
Die Ampel-Fraktionen halten es zudem für unwahrscheinlich, dass ein Wahlkreis am Ende gar keinen Bundestagsabgeordneten hat. Sie verweisen darauf, dass in der Regel mehrere Abgeordnete aus einem Wahlkreis kommen.
Was ändert sich noch?
Neu in der jüngsten Version des Entwurfs ist die Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel. Sie besagt, dass auch eine Partei mit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen in Fraktionsstärke in den Bundestag kommt, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnt. In der alten Version des Reformplans sollte dies beibehalten werden – nun streicht die Ampel die Klausel.
Verabschiedet hat sich die Koalition hingegen von dem Vorhaben, die bisherige Zweitstimme, mit der die Parteien gewählt werden, an erste Stelle auf den Wahlzettel zu setzen und Hauptstimme zu nennen. Die bisherige Erststimme sollte Wahlkreisstimme heißen. Stattdessen bleibt es nun bei den bisherigen Begrifflichkeiten und der althergebrachten Reihenfolge.
Welche Kritik gibt es?
Die Union stört sich an der Möglichkeit, dass Wahlkreissieger ohne Bundestagsmandat bleiben. Insbesondere die CSU, die viele Direktmandate gewinnt und daher von Überhangmandaten profitiert, sieht einen Verstoß gegen das Grundgesetz. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte das Vorgehen der Ampel „schlichtweg respektlos und unfair“, es müsse „deswegen aus unserer Sicht vom Verfassungsgericht überprüft werden“.
Die Linke wiederum ist seit der Bundestagswahl 2021 nur aufgrund der Grundmandatsklausel in Fraktionsstärke im Parlament – die Abschaffung dieser Klausel kritisiert sie daher scharf. „Ich sage ganz klar: Da werden wir auch das Bundesverfassungsgericht bemühen“, sagte der Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch den Sendern RTL/ntv. Man werde alles versuchen, dass dieses Gesetz so nicht Realität werde – letztlich sei das ein Angriff auf die Demokratie. (afp/dpa/dl)
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