Darum will Scholz bei der Rentenreform „keinerlei Aufschub dulden“

Die Ampel ist Geschichte, die SPD ist in Umfragen weit von der 20-Prozent-Marke entfernt. Die einzige Chance von Bundeskanzler Scholz besteht nun darin, Zeit zu gewinnen – und eigene Gewinnerthemen im Wahlkampf zu entwickeln. Seine große Hoffnung ist dabei die Rente.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wirbt für eine Fortsetzung der Ampel-Koalition trotz aller Schwierigkeiten.
Bundeskanzler Scholz will mit seinem Reformpaket den Wahlkampf an sich ziehen.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 10. November 2024

Seit Mittwoch, 6. November, ist das Experiment einer Ampelkoalition in Deutschland Geschichte. Obwohl die SPD sowie die noch im Kabinett verbliebenen Grünen über keine parlamentarische Mehrheit mehr verfügen, scheint es Bundeskanzler Olaf Scholz mit Neuwahlen nicht eilig zu haben. Erst am 15. Januar will er die Vertrauensfrage stellen, im März soll gewählt werden. Bis dahin möchte er im Bundestag noch wichtige Gesetze durchbringen, die „keinerlei Aufschub dulden“. Eines davon ist die von ihm angestrebte Reform der Rente.

FDP galt beim Thema „Rente“ als große Verliererin

Bereits im Jahr 2021 hatte Scholz das Thema „Respekt“ in diesem Bereich ins Zentrum seines Wahlkampfs gerückt. In Deutschland leben 21 Millionen Rentner – und bei diesen handelt es sich um eine gewichtige Wählergruppe, die zudem in überdurchschnittlichem Maße zu SPD und Union tendiert. Taktisch hat die SPD, die in den Umfragen weiterhin kaum über 15 bis 16 Prozent hinauskommt, hier kurzfristig das größte Potenzial.

Zudem wirkt das Scholz-Narrativ von der FDP, die durch eine Blockadepolitik weitere Erfolge der Ampel vereitelt hätte, in diesem Bereich mit am glaubwürdigsten. Tatsächlich hatte Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner noch im Mai zusammen mit Bundessozialminister Hubertus Heil das sogenannte Rentenpaket II vorgestellt.

In weiterer Folge hatte Lindner jedoch mehrfach im Kabinett dessen Umsetzung blockiert und Forderungen gestellt, die für die SPD unannehmbar waren. Dazu gehörte ein Ende der Möglichkeit für besonders langjährig Versicherte, nach 45 Beitragsjahren ohne Abschläge in Rente zu gehen. Diese sogenannte Rente mit 63 war den Liberalen ebenso ein Dorn im Auge wie die erst im Jahr 2014 eingeführte „Mütterrente“.

Nach vielen Debatten kommt das Tariftreuegesetz voran. (Archivbild)

Ein Bild aus besseren Ampelzeiten: Heil und Lindner bei der gemeinsamen Präsentation ihres Rentenkompromisses. Foto: Michael Kappeler/dpa

Eine Aktienrente, die keine ist

Vor allem aber war das Rentenpaket für die FDP auch politisch ein Verlustgeschäft. Die Stabilisierung eines Rentenniveaus von 48 Prozent eines Durchschnittslohns bis 2039 würde durch eine Erhöhung der Rentenbeiträge auf 22 Prozent erkauft. Neben den bereits steigenden Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wäre dies ein weiterer Beitrag zu immer höheren Lohnnebenkosten.

Das zweite Kernelement des Rentenpakets war zumindest dem Namen nach ein Entgegenkommen gegenüber der FDP. Tatsächlich hat die sogenannte Aktienrente mit einer Möglichkeit, durch Anlage von Rentenbeiträgen in Aktien die eigene künftige Rente aufzubessern, nichts zu tun.

Vielmehr bleibt das Umlagesystem selbst unverändert. Das sogenannte Generationenkapital soll lediglich dem Bund helfen, künftige Zuschüsse an die gesetzliche Rentenversicherung zu finanzieren, um das Rentenniveau zu stabilisieren.

Betriebliche Altersvorsorge soll Ausbau erfahren

Dazu soll der KENFO – der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung – Aktien ankaufen, die zusätzlich noch sogenannten ESG-Vorgaben unterliegen. Da deren Anschaffung durch Kredite finanziert werden soll, drohen zudem Zinsen, mögliche Erträge zu reduzieren. Pro Jahr sind Ankäufe im Umfang von etwa 12 Milliarden Euro geplant.

Immerhin soll die von Scholz initiierte Reform die Möglichkeiten im Bereich der Betriebsrente ausweiten. So will der Kanzler die Einkommensgrenze für die steuerliche Förderung von derzeit 2.575 Euro auf künftig 2.718 Euro ausweiten. In weiterer Folge ist geplant, die maximale Förderungshöhe an die Einkommensentwicklung zu koppeln.

Nicht tarifgebundene und kleinere Unternehmen sollen ebenfalls von diesem Modell profitieren können. Rentner sollen ihre Betriebsrente künftig auch mit einer Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung kombinieren können. Außerdem sollen Pensionskassen mehr Spielraum bei der Kapitalanlage haben, um höhere Renditen erzielen zu können.

Union hat eigene Pläne zur Rente

Obwohl es zumindest in diesem Bereich mehr Chancen für eine echte Aktienrente gäbe, hält die FDP das Paket für eine unzumutbare Belastung aktiver Erwerbstätiger und künftiger Generationen. Auch in den Wirtschaftsverbänden überwiegt die Skepsis. Die geplanten Maßnahmen sorgten für eine weitere Belastung der Erwerbstätigen durch Lohnnebenkosten, ohne grundlegende Antworten auf das Problem der Überalterung zu liefern.

Scholz setzt nun seine Hoffnungen auf die Union. Mit ihr zusammen hätte er klare Mehrheiten. Sie würden ihm helfen, auch ohne FDP das Rentenpaket und weitere Maßnahmen wie den Abbau der kalten Progression, Sofortmaßnahmen für die Industrie oder die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu veranlassen. Außerdem könnten gemeinsame Beschlüsse wichtiger Gesetzesvorhaben das Vertrauen der Wähler in eine künftige Große Koalition steigern.

Die Union scheint jedoch andere Pläne zu haben. Sie fordert unter anderem eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Entwicklung der Lebenserwartung. Für die SPD käme jede Erhöhung in diesem Bereich einem Affront gleich. Dies könnte dazu führen, dass Scholz mit seinen Plänen zur Rente ohne Mehrheit bleibt.

Ex-Rentenversicherungschef Ruland zeigt sich skeptisch

Immerhin würde ihm dies im Wahlkampf ermöglichen, anderen Parteien die Verantwortung für ein Scheitern anzulasten. Der Kanzler und die SPD als einsame Kämpfer für „Respekt“ vor der älteren Generation – das könnte zumindest die Mobilisierung potenzieller Betroffener sicherstellen.

Unterdessen äußerte sich der frühere Chef der Deutschen Rentenversicherung, Franz Ruland, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) skeptisch mit Blick auf das Rentenpaket. Es sei „eine der teuersten Reformen, nur um eine ohnehin schon ordentliche Absicherung weiter aufzubessern“. Ohne die geplante Absicherung des Rentenniveaus würden die Renten nicht sinken. Sie würden nur „etwas langsamer als die Löhne“ steigen.

Auch das Generationenkapital stößt bei Ruland auf Argwohn. Das Vorhaben „kann, muss aber nicht gut gehen“. Es ist ungewiss, ob die Politik einen Fonds in diesem Umfang langfristig „unangetastet lässt und ihn weiter ausbaut“ – oder dieser eines Tages als Sparschwein für anderweitige Investitionen herhalten muss.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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