Wahlhelfer und Plakatierer leben gefährlich – das sagen betroffene Parteien und Kriminalämter

Wer für Parteien Plakate aufhängt oder sich an Wahlständen und in Parteibüros der Öffentlichkeit stellt, muss mit Angriffen rechnen. Epoch Times hat im Vorfeld der Landtagswahlen in Ostdeutschland relevante Parteien, Landeskriminalämter und Innenministerien um ihr Lagebild gebeten. Eine Auswertung.
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Übergriffe auf Helfer im Wahlkampf sind keine Seltenheit.Foto: bizoo_n/iStock
Von 15. August 2024

Der Überfall auf EU-Politiker Matthias Ecke (SPD) führte im Vorfeld der Wahl zum EU-Parlament Anfang Juni 2024 zu einer breiten Debatte um die Sicherheit von Wahlkämpfern und Plakatierern der Parteien im öffentlichen Raum.

Der SPD-Politiker teilte auf seiner Website einen Artikel, der sich mit dem Überfall befasste. Dort heißt es unter anderem, Ecke sei schwer verletzt worden und musste operiert werden. Seine Partei befand:

„Die Reihe von Angriffen durch Schlägertrupps auf Plakatierteams demokratischer Parteien sind ein Angriff auf die Grundfesten unserer Demokratie.“

So neu ist die Debatte allerdings nicht. So meldete etwa der Verfassungsschutz Baden-Württemberg schon im März 2021 den Überfall eines „linksextremistischen Bündnisses“ auf AfD-Wahlhelfer.

Statistiken, die im Zusammenhang mit der Debatte um den Überfall auf Matthias Ecke veröffentlicht wurden, zeigten auf, dass es Angriffe gegen alle relevanten Parteien gibt.

Politisch motivierte Kriminalität

Die Bundesregierung antwortete auf eine Kleine Anfrage, politisch motivierte Kriminalität (PMK) gegen Parteien sei ebenso wie Angriffsziele (Parteirepräsentant/Parteimitglied bzw. Wahlplakat) ab dem 1. Januar 2019 von den Landeskriminalämtern erfasst worden.

So habe man von 2019 bis 2023 bundesweit mehr als 10.000 Straftaten gegen Parteirepräsentanten bzw. Parteimitglieder gezählt. Etwa zwanzigtausendmal wurden im selben Zeitraum Zerstörungen von Wahlplakaten angezeigt. Die Dunkelziffer dürfte höher sein.

Der mdr meldete im Vorfeld zur EU-Wahl, dass 2019 hauptsächlich Vertreter der AfD Ziel von Anfeindungen geworden seien. Aktuell seien jedoch vor allem die Grünen Ziel politisch motivierter Angriffe.

Epoch Times wollte etwas über die Situation im Vorfeld der drei ostdeutschen Landtagswahlen erfahren. Anfragen dazu gingen an die Pressestellen der Landesverbände beziehungsweise Landtagsfraktionen aller relevanter Parteien, an die Innenministerien und an die Landeskriminalämter in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.

Sachsen im Jahresvergleich

Das von Staatsminister Armin Schuster (CDU) geleitete Sächsische Staatsministerium des Inneren antwortete umfangreich. Das Ministerium meldete für das Jahr 2024 bislang 897 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit Wahlen. Dabei seien in 55 Fällen auch Parteirepräsentanten beziehungsweise Parteimitglieder angegriffen worden.

In den meisten Fällen (815) handle es sich allerdings um „einfache Sachbeschädigungen an bzw. Diebstähle von Wahlplakaten“. Das sei ein Anstieg gegenüber den Vorjahren, hauptsächlich seien Plakate der SPD und der AfD betroffen. Bislang wurden 14 Gewaltdelikte gegen Personen registriert. Gegenüber dem Vorjahr sei hier keine Steigerung zu erkennen.

Taskforce Gewaltdelikte

Angesprochen auf Schutzmaßnahmen der Wahlkämpfer und Helfer, etwa beim Aufhängen der Plakate, antwortet das Ministerium, dass diese Problematik „bereits seit Längerem im Fokus“ stehe. So rücke die Polizei über ein gemeinsam mit den Parteien ausgestaltetes Lagebild zu bevorstehenden Wahlkampfveranstaltungen näher an die Wahlhelfer heran.

Auch schaue man verstärkt in die sozialen Medien, „um Gewaltaufrufe vorzeitig zu erkennen“. Parteibüros werden ebenfalls stärker „bestreift“. Zudem unterstütze eine „Task Force Gewaltdelikte“ des LKA die Polizei bei der Bekämpfung von besonders herausgehobenen politisch motivierten Straftaten. Auch gebe es mittlerweile beschleunigte Verfahren, Täter schneller abzuurteilen, „damit die Strafe auf dem Fuße folgt“, wie das Sächsische Staatsministerium weiter mitteilt.

Die meisten Bedrohungen gegen CDU-Politiker

Das Landeskriminalamt Sachsen antwortet auf Anfrage von Epoch Times mit einer tabellarischen Auswertung. Demnach gab es zwischen 2019 und 2023 in 90 Fällen Angriffe, Bedrohungen oder Beleidigungen gegen Parteirepräsentanten und Parteimitglieder der CDU, welche die Statistik damit anführt, dicht gefolgt von der AfD mit 86 registrierten und angezeigten Übergriffen.

Hier steht der Landtagswahlkampf von 2019 besonders im Fokus, der zu deutlich mehr Übergriffen führte als in den Folgejahren. Laut Aussagen eines Polizeisprechers kann man diese Tendenz auch im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl 2024 annehmen, eine endgültige Auswertung stehe in Sachsen allerdings noch an.

Überfälle auf Grünen-Politiker mehr als verdoppelt

Waren Wahlhelfer und Mandatsträger von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen 2019 weniger häufig Ziel von Überfällen, haben sich die Angriffe laut Statistik 2023 mehr als verdoppelt. So wurden im vergangenen Jahr 16 Parteirepräsentanten und Parteimitglieder von Bündnis 90/Die Grünen angegriffen, bedroht oder beleidigt – gegenüber 13 der AfD.

Im Deliktbereich „Angriffsziel Parteigebäude/-einrichtungen“ wird die Statistik in Sachsen von politisch motivierter Kriminalität von „links“ angeführt. Waren es 2019 noch überwiegend Einrichtungen der AfD, wurden 2023 überwiegend solche von Bündnis 90/Die Grünen angegriffen.

Eine Anomalie in der Statistik der Übergriffe gegen Politiker und Wahlhelfer in Sachsen ist bei der FDP für das Jahr 2023 erkennbar. Hier führen die Liberalen die Statistiken entgegen den Vorjahren plötzlich an. Bei der sächsischen Polizei nachgefragt, wird auf ein prominentes FDP-Mitglied verwiesen, dessen Namen man nicht nennen will. Aber eine Reihe expliziter Hinweise („graues Haar“) soll hier offenbar in Richtung einer bestimmten fernsehbekannten Politikerin weisen.

Wahlkämpfer und Plakatkleber

Epoch Times bat die Landesverbände von sieben relevanten Parteien in Thüringen, Sachsen und Brandenburg um Auskunft über Straftaten gegen ihre Wahlkämpfer und Plakatkleber.

• Welche Straftaten gab es?
• Wie viele waren es?
• Gegen wen – bzw. bei welchem Anlass – gerichtet?
• Gibt es besondere Maßnahmen, was den Schutz von Wahlkampfhelfern am Stand bzw. beim Plakatkleben betrifft?

Eine Auswahl der Antworten in der Reihenfolge ihres Eingangs:

Monika Larch, die Pressesprecherin der CDU-Fraktion Brandenburg, berichtete gegenüber Epoch Times, dass Frau Dr. Awemo, die Kandidatin in Cottbus, betroffen sei: „Sie wurde durch eine Angreiferin tätlich angegriffen.“ Ansonsten sei die CDU im ganzen Land davon betroffen, dass Wahlplakate abgerissen worden seien.

Was die Sicherheitslage angeht, schreibt die CDU-Pressesprecherin: „Beim Aufhängen der Plakate sind unsere Ehrenamtlichen meist in der Gruppe unterwegs. Das bietet Sicherheit, die, wie im Fall in Cottbus, leider nicht ausgereicht hat.“

Zum Glück keine Angriffe

Gerlinde Krahnert (Die Linke) ist stellvertretende Regierungssprecherin der Landesregierung in Potsdam. Ihre Antwort war umfangreich. Sie berichtete gegenüber Epoch Times, dass es während des laufenden Landtagswahlkampfes „zum Glück bislang keine Angriffe“ auf ihre Plakatierer gegeben habe, allerdings während des zurückliegenden Kommunal- und Europawahlkampfes.

Frau Krahnert beschreibt in dem Zusammenhang einen Fall aus Schöneiche, wo Kandidierende direkt aus einer größeren 20-köpfigen Gruppe heraus angegriffen worden seien. Mindestens einer der Angreifer sei hier der extremen Rechten zugeordnet worden.

Schuld sei ihr zufolge die AfD. Solche Vorfälle seien „Ausdruck der Verrohung politischer Auseinandersetzungen und wachsender Gewaltbereitschaft, wie sie von der AfD und ihren Gesinnungsgenossen aktiv vorangetrieben und mittlerweile an vielen Stellen ganz offen proklamiert wird.“

Krahnert schildert einen weiteren Angriff im Zusammenhang mit der Kommunalwahl in einem Wahlkreis in Frankfurt/Oder. Was die Sicherheit beim Plakatieren angehe, sichere man sich ab, indem immer zwei Helfer gemeinsam unterwegs seien. Weitere Sicherungsmaßnahmen habe man bislang nicht eingeleitet.

Die FDP aus Thüringen antwortet Epoch Times, man habe zur Landtagswahl „erfreulicherweise noch keine Übergriffe auf Wahlkampfhelfer. Derzeit verzeichnen wir ‚nur‘ Sachbeschädigungen an Plakaten.“

Sicherheit insgesamt verstärkt

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Landeswahlkämpfe 2024 in allen drei Bundesländern noch einmal verstärkt wurden. Die Polizei patrouilliert ebenfalls häufiger als zuvor. Zudem wurden spezielle Ermittlungsgruppen eingerichtet, um Übergriffe auf Wahlkämpfer aufzuklären.

Die Befragten sind sich überwiegend einig, dass Übergriffe auf Wahlkämpfer und Plakatkleber ein ernstes Problem seien. Eine signifikante Steigerung gegenüber den Landtagswahlkämpfen 2019 lässt sich indes entlang der Meldungen aus den Ländern für 2024 bisher nicht erkennen.

Allenfalls kann von einer Verlagerung die Rede sein. So waren es entlang der Statistiken 2019 noch überwiegend AfD-Politiker, die betroffen waren. Mittlerweile stehen zunehmend auch die Grünen im Fokus politischer Gewalttäter, was wiederum zu einer breiteren medialen Beachtung führte.



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