Wahlforscher: 20 bis 35 Direktmandate gefährdet – Fokus auf Zweitstimmen

Das neue Wahlrecht wird vor allem die CDU beeinträchtigen. In 20 bis 35 Wahlkreisen könnte es sein, dass die Gewinner nicht in den Bundestag einziehen – weil der Partei die Zweitstimmen fehlen.
Rekorde bei den Landtagswahlen - im Positiven wie im Negativen. (Archivbild)
Das neue Wahlrecht soll zur Verkleinerung des Bundestages führen.Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Epoch Times24. November 2024

Der Friedrichshafener Wahlforscher Joachim Behnke rechnet damit, dass sich das neue Wahlrecht vor allem auf siegreiche CDU-Direktkandidaten auswirken wird. Nach der Wahl werden sie womöglich nicht mehr in den Bundestag einziehen, selbst wenn sie in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen gewinnen.

„Es wird definitiv die CDU sein, die von den Kappungen betroffen sein wird“, sagte der Politikwissenschaftler von der Zeppelin Universität Friedrichshafen der „Welt am Sonntag“.

Er rechne auf Basis der aktuellen Umfragen mit 20 bis 35 Direktmandaten, die nicht von den Zweitstimmen gedeckt sind. „Betroffen dürften Wahlkreise in Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sein. Sie drohen verwaist zu werden.“

In Ostdeutschland werde vermutlich die AfD einige ungedeckte Direktmandate bekommen, allerdings seien die Prognosen hier sehr unsicher. SPD und CSU seien auf Basis der aktuellen Umfragen weniger betroffen.

CDU rechnet mit deutlichen Einbußen

Auch die CDU selbst rechnet im Westen mit deutlichen Auswirkungen, etwa in Baden-Württemberg. „Das neue Wahlrecht der Ampel trifft Baden-Württemberg besonders hart“, sagte der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU).

Viele Bürger würden am Wahlabend nicht wissen, ob der von ihnen mit Mehrheit gewählte Kandidat tatsächlich in den Bundestag einziehe.

Was steckt im neuen Wahlrecht?

Bei der vorgezogenen Neuwahl wird erstmals nach dem neuen Wahlrecht gewählt, das die Ampel-Koalition 2023 beschloss. Um den zuletzt deutlich gewachsenen Bundestag zu verkleinern, gilt künftig eine Obergrenze: Nur noch 630 statt aktuell 733 Abgeordnete dürfen im Parlament sitzen.

Wie bisher sollen die Parteien gemäß ihrem Zweitstimmenanteil vertreten sein. Die mit der Erststimme gewählten Wahlkreissieger können allerdings nicht mehr automatisch in den Bundestag einziehen.

Sondern nur dann, wenn ihre Partei auch bei den Zweitstimmen ausreichend gut abschneidet. Traditionell sind die Unionsparteien bei den Erststimmen stark.

Union setzt auf Zweitstimmen

Angesichts der Änderungen kündigen CDU und CSU an, im Wahlkampf noch stärker auf die Zweitstimmen zu setzen.

„Die CDU Baden-Württemberg wird in allen Wahlkreisen Direktkandidaten aufstellen“, sagte Frei. „Wir werden den Menschen sagen: Wenn ihr einen direkten Draht in den Deutschen Bundestag möchtet, müsst ihr auch mit der Zweitstimme CDU wählen. Die Zweitstimme ist Wahlkreisstimme.“

Alexander Hoffmann, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, sagte: „Wir müssen den Leuten jetzt erklären, dass die Zweitstimme noch wichtiger geworden ist, als sie es ohnehin schon war. Wir werden im Wahlkampf die Botschaft transportieren: `Wenn Sie sichergehen wollen, dass Ihr Direktkandidat in den Bundestag einzieht, dann müssen Sie uns auch die Zweitstimme geben.`“

Leihstimmen an die FDP werde es nicht geben, so Hoffmann: „Die FDP tut jetzt so, als hätte sie mit der `Ampel` nichts zu tun gehabt und als wären wir der geborene Koalitionspartner. Wir haben aber überhaupt kein Interesse, sie auf unsere Kosten über die Fünf-Prozent-Hürde zu hieven.“

Der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm sagte: „Klar ist, dass sich die FDP mit der Wahlrechtsreform ein Ei ins Nest gelegt hat. Wir werden in der Union noch intensiver um Zweitstimmen kämpfen, als es früher schon der Fall war.“ (dts/red)



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