„Wahlarena“: Merz will nicht mit Scholz in ein Kabinett – Weidel gibt private Einblicke

Vier Kanzlerkandidaten, viele Fragen – und ein bunter Mix an Themen. Zwei Stunden lang stellten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Herausforderer Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) am Montagabend den Fragen des Publikums in der ARD-Sendung „Wahlarena“. Scholz warb für eine Rentengarantie, Merz kündigte massive Kürzungen beim Bürgergeld an, Weidel spricht über das „soziale Leitbild“ der Familie und Habeck forderte mehr Beachtung für den Klimaschutz.
Die vier Kandidaten standen nacheinander dem Publikum Rede und Antwort. Die Bürger konnten die Themen ihrer Fragen selbst wählen. Es ging um große Themen wie Migration, Alterssicherung und Kita-Betreuung – aber auch um sehr spezielle Fragen wie Probleme bei der Therapeutenausbildung oder Bürokratiebelastung im Bäckerhandwerk.
Merz kann man in der Berliner S-Bahn antreffen
Zuerst musste Merz, der in Umfragen führt, die Finanzierbarkeit seines Parteiprogramms erklären. Der Unionskanzlerkandidat verwies auf ein massiv steigendes Wirtschaftswachstum, das seine Partei anpeile und stellte Kürzungen beim Bürgergeld in Aussicht, erneut jedoch ohne konkrete Zahlen.
Als jemand nach dem Deutschlandticket fragte, ließ Merz wissen: „Ich fahre hier in Berlin relativ häufig S-Bahn und U-Bahn, meine Sicherheitsleute mögen das mittlerweile nicht mehr, aber ich fahre hier sehr viel.“ Er sprach sich grundsätzlich dafür aus, das Deutschlandticket über das laufende Jahr hinaus zu erhalten. Man müsse sich mit den Ländern darüber verständigen, wie das zu bezahlen sei, „denn das ist ein ziemlich teures Projekt“. Merz schränkte zudem ein, das Ticket sei „vor allen Dingen etwas für die Ballungsräume“.
Merz verteidigte zudem seinen harten Kurs in der Migrationspolitik. Die Zahl der Zuwanderer sei „zu hoch“, und wer kein Aufenthaltsrecht habe, müsse ausreisen, sagte er. Mit klarer Ablehnung reagierte der CDU-Chef auf die Forderung einer Zuschauerin im Studio, die psychologische Betreuung von Migranten zu verbessern, um Straftaten zu verhindern. „Wir können doch nicht für hunderttausende Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben, psychiatrische Hilfe zur Verfügung stellen“, sagte Merz.
Der Unionskanzlerkandidat machte auch klar, dass er bei seinen Plänen zu Streichungen beim Bürgergeld mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht rechne. Darauf wolle er es ankommen lassen. „Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten könnten, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen“, sagte Merz.
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Blick hinter die Kulissen: Zuschauer verfolgen die „Wahlarena“. Ralf Hirschberger/AFP via Getty Images
Scholz und Merz wollen nicht gemeinsam in einem Kabinett sitzen
Mit Kanzler Scholz war sich Merz einig, dass in einem künftigen Bundeskabinett kein Platz für sie beide sei. „Das halten wir beide für relativ unwahrscheinlich“, sagte Merz auf die Frage, ob beide gemeinsam einer Regierung angehören könnten. Scholz stimmte Merz zu: „Wo er recht hat, hat er recht. Ich will Kanzler bleiben, er will es werden.“
Scholz versuchte anschließend vor allem bei den Themen Rente, soziale Gerechtigkeit und Außenpolitik zu punkten. Der Kanzler sicherte zum Beispiel zu, in einer zweiten Amtszeit die Festschreibung des Rentenniveaus zu verlängern. Diese bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens liegende sogenannte Haltelinie läuft dieses Jahr aus. „Wenn man einen sozialdemokratischen Kanzler hat, wird es verlängert“, sagte Scholz dazu.
In der Außenpolitik betonte der Kanzler die Rolle eines geeinten Europas im Zollstreit mit den USA. „Gerader Rücken hilft da auch in dieser Sache“, sagte Scholz. Wenn sich die europäischen Staaten miteinander verständigten, „ist es für die USA gut und für uns auch“, fuhr Scholz fort. „Wenn jemand vorschlägt, mit Zöllen auf Europa einzuwirken, können wir zurückwirken, damit wir am Ende nicht so einen Zollstreit haben.“
Weidel gibt private Einblicke
AfD-Kanzlerkandidatin Weidel sprach sich in der Sendung für Fachkräftezuwanderung aus. Zugleich forderte sie: „Illegale sind in unserem Land nicht mehr willkommen. Wir werden sie ausweisen.“
Ein Zuschauer, der sich als katholischer Krankenhauspfarrer aus Kiel vorstellte, äußerte die Sorge, dass die AfD mit ihrer Rhetorik und ihrer Forderung nach Remigration dringend benötigte Pflegefachkräfte aus dem Ausland verunsichere.
Die AfD-Politikerin räumte ein, dass ihre Partei fordere, dass geduldete Zuwanderung ohne Asylrecht keine Arbeit und keinen Ausbildungsplatz annehmen könnten. Dies gelte auch für Geduldete, die eine Pflegeausbildung machen, sagte sie auf Nachfrage. Ein solcher Mensch aus dem Ausland könne aber, wenn er eine Pflegeausbildung absolviert hat, als Arbeitskraft zuwandern: „Wenn er eine Ausbildung hat, ist er herzlich willkommen.“
Auf Nachfrage einer Zuschauerin im Publikum gab die AfD-Vorsitzende auch Einblick in ihre privaten Lebensverhältnisse. Sie sei überzeugt, „dass Lebenspartnerschaften von Homosexuellen – Frau und Frau, Mann und Mann – gleichgestellt sein sollten, ohne das Institut der Ehe zu berühren“, sagte sie. Dass sie selbst mit einer Frau zwei Söhne großziehe, sei für sie kein Widerspruch zum Programm der AfD, in der die Familie mit Vater und Mutter als Leitbild dargestellt wird.
„Ich kann als Frau, die mit einer Frau zusammen ist, als Politikerin genau dieses Leitbild vertreten, weil ich glaube, dass die Familien in Deutschland unter die Räder gekommen sind“, sagte Weidel. Sie glaube, „dass die Familie die Keimzelle unserer Gesellschaft ist“. Der Staat solle sich aber nicht in Partnerschaftsmodelle einmischen.
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Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, vor der ARD-Sendung „Wahlarena“ in Berlin – am 17. Februar 2025. Foto: Ralf Hirschberger/AFP via Getty Images
Habeck: Klimaschutz wird im Wahlkampf zu selten thematisiert
Der Grünen-Kandidat Habeck wurde wenig zum Thema Klimaschutz befragt, sondern eher zu den Bereichen Wirtschaft und Finanzen. Der amtierende Wirtschaftsminister plädierte dabei insbesondere für eine „Investitionsprämie“, um Unternehmen, insbesondere in der Industrie, nach Deutschland zu locken oder sie hier zu halten. Davon erhoffe er sich einen „Kickstart“ für die schwächelnde Konjunktur.
Auf die Frage, welches Thema im Wahlkampf zu wenig Beachtung gefunden habe, sagte Habeck: „offensichtlich Klimaschutz“. Er kritisierte Merz für dessen Forderung nach „Technologieoffenheit“ in den Bereichen Verkehr und Heizen: „Hinter dem Wort ‚technologieoffen‘ verbirgt sich der Angriff auf die Klimaziele. Es ist eine Schimäre, ein trojanisches Pferd, das nicht meint, was es sagt.“

Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, in der „Wahlarena“. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Knappe Staffelübergabe zwischen den Kandidaten
In der Sendung „Wahlarena 2025 zur Bundestagswahl“ hatten Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, ihre Fragen live an die Kanzlerkandidaten zu richten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte vergeblich versucht, sich auf juristischem Wege einen Platz in der Sendung zu erstreiten.
Längere Gespräche zwischen den vier Kanzlerkandidaten, die nacheinander befragt wurden, sah das Format der Sendung nicht vor. (afp/dpa/red)
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