Wagenknecht-Partei klagt sich erfolgreich in die ARD-„Wahlarena“
Die „Wahlarena 2024 Europa“ der ARD wird am Donnerstag, 6. Juni, mit Beteiligung des Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) stattfinden. Spitzenkandidat Fabio De Masi wird als achter Teilnehmer an dem in Form eines „Town Hall Meeting“ gehaltenen Formats teilnehmen. Das hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster per Beschluss im Eilverfahren zu 13 B 494/24 entschieden. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht den Eilantrag der Wagenknecht-Partei noch zurückgewiesen.
BSW in abgelaufener Wahlperiode nicht im EU-Parlament – De Masi war aber schon früher dort
Zuständig für die Organisation der Veranstaltung ist der WDR. Dieser hatte Vertreter von SPD, CDU, CSU, FDP, Grünen, AfD und Linkspartei eingeladen. Diese seien bisher im Europäischen Parlament vertreten gewesen. Da Gleiches jedoch auch auf sieben weitere Parteien zutrifft, hat man das „relevante Gewicht in Deutschland“ zur weiteren Voraussetzung der Einladungspolitik erklärt.
Um speziell die Nichteinladung des BSW nicht zu begründen, führte der Sender zudem an, dass man in der Sendung auch auf die ablaufende Wahlperiode zurückblicken wolle. Diesbezüglich könne das BSW, das es noch nicht gegeben hatte, nicht mitreden. Pikanterie am Rande: Spitzenkandidat De Masi war bereits von 2014 bis 2017 Mitglied des Europäischen Parlaments.
OVG Münster: Auch abgestufte Chancengleichheit muss System haben
Anders als das Verwaltungsgericht Köln in erster Instanz betonte zwar auch das OVG das Recht des Senders, das Format seiner Vorwahldebatte selbst zu bestimmen. Allerdings sei auch das Prinzip der Chancengleichheit dabei zu berücksichtigen – die durchaus abgestuft sein könne. Der WDR hatte erklärt, das BSW zwar nicht in die „Wahlarena“ einladen, es aber sonst hinreichend in der Wahlberichterstattung berücksichtigen zu wollen.
Das Gericht ließ auch ein gewisses Maß an Skepsis bezüglich der Begründung des WDR durchklingen. Offenbar schloss man nicht aus, dass der Verweis auf den vorwiegend zurückblickenden Charakter der Sendung eine Schutzbehauptung sein konnte. Immerhin sei „weder aufgrund der Erläuterungen des WDR noch sonst erkennbar, dass ein solcher Ansatz tatsächlich im Vordergrund der Sendung steht“.
Auch zweifelte das Gericht daran, dass das gewählte Format als solches überhaupt geeignet dafür sei, eine vorwiegend auf Rückblicke ausgerichtete Sendung zu gestalten. Vielmehr lasse ein Town-Hall-Format „hauptsächlich zukunftsgerichtete Fragen der in das Konzept eingebundenen Bürger an die anwesenden Politiker erwarten“.
Gericht weist auf Umfragevorsprung des BSW vor FDP und Linke hin
Das OVG sah auch keinen Grund zur Annahme, dass die konzeptmäßige Durchführung der Sendung durch die Anwesenheit eines achten Teilnehmers gefährdet werde. Ausdrücklich wies das OVG auch auf die Bedeutung der Chancengleichheit gerade für neue Parteien hin.
Unter den besonderen Umständen des Einzelfalls lasse sich gerade aus dem Kriterium der Bedeutung der Partei eine Nichteinladung des BSW nicht rechtfertigen. Zumindest sei dies allein schon mit Blick auf die Einladung von Linkspartei und FDP der Fall, die in Umfragen deutlich hinter dem BSW angesiedelt seien.
Insbesondere das Relevanzkriterium rechtfertige vor dem Hintergrund der Wahlumfragen zu EU-Wahl und Landtagswahlen eine Nichtberücksichtigung nicht. Das Gericht führte aus:
„Ungeachtet der eingeschränkten Verlässlichkeit von Umfragen vor einer Wahl lässt sich hieraus jedenfalls eine deutliche Tendenz für die aktuellen Erfolgsaussichten der Antragstellerin herleiten.“
Neben De Masi werden voraussichtlich Katarina Barley (SPD), Daniel Caspary (CDU), Manfred Weber (CSU), Martin Schirdewan (Die Linke), Terry Reintke (Grüne) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) teilnehmen. Für die AfD wird sich der Listendritte René Aust beteiligen, nachdem sich die Listenersten Maximilian Krah und Petr Bystron aus dem Wahlkampf zurückgezogen hatten.
Gerichte urteilten zunehmend zugunsten neuer Parteien
Die Einladungspolitik öffentlich-rechtlicher Sender bei Diskussionen der Spitzenkandidaten vor Wahlen war schon häufig Gegenstand von Kontroversen. Zum Teil entschieden auch Gerichte über deren Angemessenheit. Im Jahr 1982 lud der NDR die Grünen (GAL) nicht zum „Wahlhearing“ vor der Hamburger Bürgerschaftswahl ein. Im Gesamtprogramm, so das Oberverwaltungsgericht, sei die Partei „nicht in unausgewogener Weise“ benachteiligt worden.
Im Jahr 1993 hätte das OVG – ebenfalls in Hamburg – den NDR dazu veranlasst, den Spitzenkandidaten der als rechtsextremistisch eingestuften Deutschen Volksunion (DVU), Rudolf Reimers, zur Wahlsendung „Ins Kreuzverhör“ einzuladen. Das Gericht hatte damals von einer systematischen Bevorzugung der Parteien CDU, SPD, FDP und Grüne gesprochen.
Neben der DVU gaben Umfragen auch den Republikanern und der Statt-Partei Chancen auf einen Landtagseinzug. Der Letztgenannten gelang dieser am Ende auch. Eine Fernsehdebatte gab es jedoch nicht: Die Vertreter der vier Bürgerschaftsparteien sagten aus Protest gegen die Gerichtsentscheidung die Teilnahme ab.
Dreyer wollte 2016 nicht mit der AfD reden
Vor allem Teilnahmen der DVU an Wahldebatten waren in weiterer Folge häufig Gegenstand von Kontroversen und Gerichtsentscheidungen. Ihr gelang es mehrfach, über ein Mandat in Bremerhaven einen Einzug in die Bürgerschaft sicherzustellen. Aber auch die vor der Umgründung stehende Linkspartei PDS musste um ihre Debattenpräsenz kämpfen – sie war nach der Wahl 2002 nicht mehr in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten.
Im Jahr 2016 lud der SWR vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz nur die Spitzenkandidaten von SPD und CDU ein. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hatte gedroht, der Sendung fernzubleiben, sollte die damals noch nicht im Landtag vertretene AfD eingeladen werden. Mittlerweile ist diese in fast allen Landesparlamenten sowie im Bundestag und EU-Parlament repräsentiert.
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