Waffenexporte künftig nach „Werte“-Maßstäben: Habeck teilt Welt in „Täter“ und „Opfer“

„Werte“ sollen künftig entscheidend für die Genehmigung deutscher Waffenexporte sein. Das hat Minister Habeck in einem aktuellen Interview verkündet.
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Ein Teilnehmer des Ostermarsches hält ein Plakat mit der durchkreuzten Aufschrift „Waffenexporte“ hoch.Foto: picture alliance / dpa/dpa
Von 2. März 2023

Genehmigungen für Waffenexporte sollen in Deutschland künftig deutlich „selektiver“ gehandhabt werden – und eine starke „moralische“ Komponente erfahren. Dies kündigt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ an.

Es sei künftig in diesem Zusammenhang zu fragen, wer „Täter“ und wer „Opfer“ sei. Entsprechend will Habeck vor allem Länder beliefern, „die uns wertemäßig nahestehen, die unsere Partner sind“. Hingegen wolle man gegenüber Ländern, die Deutschland als „Diktaturen“ wahrnimmt, eher „zugeknöpft“ sein.

Habeck: „Waffenlieferungen an die Ukraine sind richtig“

In vergangenen Bundestagswahlkämpfen hatte seine Partei, Bündnis 90/Die Grünen, noch damit geworben, keine Waffenexporte in Kriegsgebiete zulassen zu wollen. Nun erklärt Habeck im Gespräch mit der „Wirtschaftswoche“:

Dass das pauschale Tabu von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete gefallen ist, halte ich mit Blick auf die Ukraine für richtig.“

Eine „Werte“-mäßige Diskrepanz sieht der Minister diesbezüglich offenbar nicht – obwohl schon vor Beginn der russischen Militäroperation seit 2014 mehr als 10.000 Menschen durch Kampfhandlungen im Osten des Landes ums Leben gekommen waren.

Auch das Verbot mehrerer oppositioneller Parteien und Medien, die Ermordung regierungskritischer Journalisten durch Neonazis oder die Repression gegen die russisch-orthodoxe Kirche schaden nicht. Immerhin zählt die Ukraine zu Habecks Kategorie der „Opfer“.

Zuletzt Waffenexporte für mehr als sechs Milliarden Euro genehmigt

Allein im Vorjahr hatte Deutschland Rüstungslieferungen im Gegenwert von 2,24 Milliarden Euro an die Ukraine genehmigt. Darunter fanden sich auch schwere Waffen wie 30 Flugabwehrpanzer Gepard, 14 Panzerhaubitzen 2000, fünf Mehrfachraketenwerfer oder das Flugabwehrsystem Iris-T. Im Januar und Februar des laufenden Jahres genehmigte die Bundesregierung zudem die Ausfuhr von insgesamt 192 Leopard-2-Panzern.

Aber auch abseits der Lieferungen an die Ukraine genehmigte die Bundesregierung im Vorjahr Waffenexporte im Wert von mehr als sechs Milliarden Euro. Diese Marke überschritt die Vorgängerregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel lediglich in fünf von 16 Regierungsjahren.

Bereits 2021 genehmigte die Bundesregierung Waffenexporte im Umfang von 9,35 Milliarden Euro, wobei jene in Drittstaaten rückläufig waren. Allerdings hatte die scheidende Regierung Merkel in der Schlussphase ihrer Amtszeit noch Rüstungsausfuhren für fast fünf Milliarden Euro genehmigt.

Wird Ägypten künftig noch deutsche Rüstungsgüter erhalten?

Die meisten deutschen Waffenexporte gingen vor Beginn des Ukraine-Kriegs in NATO-Mitgliedsländer – an der Spitze die Niederlande, die USA und Großbritannien. An vierter Stelle lag jedoch bereits Ungarn und damit ein Land, das nach deutscher Lesart zu den „autoritären Demokratien“ gehört.

Ähnliches gilt für die Türkei, die mit Rüstungsgütern für 1,1 Milliarden Euro noch 2019 zu den wichtigsten Kunden deutscher Rüstungskonzerne zählte. Ob die Ankündigung Habecks auch für diese Länder Konsequenzen haben wird, ist noch nicht absehbar.

Im Jahr 2021 erhielt auch Ägypten Kriegsschiffe, Luftabwehrsysteme und andere Rüstungsgüter für 4,34 Milliarden Euro. Dort gelangte General Abd al-Fattah as-Sisi 2013 durch einen blutigen Militärputsch gegen die gewählte Regierung von Präsident Mohammed Mursi an die Macht. Die Regierung in Kairo unterstützt im libyschen Bürgerkrieg den abtrünnigen General Khalifa Haftar.

Deutsche Waffenexporte verlieren weltweit an Bedeutung

Zu Zielländern deutscher Waffenexporte, die nach den von Habeck skizzierten Maßstäben als problematisch anzusehen wären, gehörten auch Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die beiden Letztgenannten sind seit mehreren Jahren in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt – in Libyen und im Jemen.

Inwieweit eine deutsche Wende zu einer „werteorientierten“ Waffenexportpolitik weltweiten Einfluss zeitigen würde, bleibt offen. Zwar lag Deutschland im Zeitraum 2017 bis 2021 noch auf Platz fünf der weltweit größten Rüstungsexporteure. Allerdings war der Abstand zu den USA, der Russischen Föderation, Frankreich und China bereits deutlich.

Zudem haben viele frühere Importeure von Rüstungstechnologie massiv in die eigene Waffenproduktion investiert. Im Bereich der Kampfdrohnen gehört beispielsweise die Türkei mittlerweile selbst zur Weltspitze.

(Mit Material von AFP)



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