VW-Absatzkrise: Große Unsicherheit in Wolfsburg

Kürzlich schloss der VW-Vorstand aufgrund einer Absatzkrise die Schließung zweier deutscher Werke und betriebsbedingte Entlassungen nicht aus. Die Angestellten zeigen sich verunsichert – genau wie die Landesregierungen in den Bundesländern mit VW Betriebsstätten.
Ein VW ID.5 bei der Vorstellung des Modells. Auch dieses Elektroauto wird vom Kraftfahrtbundesamt als SUV geführt.
Ein VW ID.5.Foto: Ronald Bonss/dpa-Zentralbild/dpa
Von 24. Oktober 2024

Volkswagen, der zweitgrößte Autokonzern der Welt, steckt in einer Absatzkrise. Zu ihm gehören die Marken Volkswagen, Audi, SEAT, CUPRA, Škoda, Bentley, Lamborghini, Porsche, Ducati, MAN, Scania und Volkswagen Nutzfahrzeuge.

Vor allem in Asien schwächelt das Geschäft. „Besonders intensiv ist die Wettbewerbssituation in China, was der Hauptgrund für den globalen Rückgang unserer Auslieferungen ist“, sagte Audi-Vertriebschef Marco Schubert laut Mitteilung. Er ist auch im Gesamtkonzern für das Ressort zuständig.

In China, für VW wichtigster Automarkt, gingen die Auslieferungen um 15 Prozent nach unten, in den übrigen Ländern Asiens sogar um 23,4 Prozent. In Westeuropa ging es 7 Prozent nach unten. Auch hier spüre man „deutlichen Gegenwind aus dem Markt“, sagte Schubert. Zuwächse in Amerika und Afrika/Nahost konnten das nicht ausgleichen.

Dennoch verzeichnete VW im Jahr 2023 einen satten Gewinn von über 18 Milliarden Euro. Davon gingen 4,5 Milliarden Euro über Dividende an die Aktionäre.

Effizienzprogramm soll Wettbewerbsfähigkeit steigern

Das hielt die Konzernführung nicht davon ab, im selben Jahr ein Effizienzprogramm zu starten. Es soll bis 2026 insgesamt 10 Milliarden Euro an Einsparungen bringen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Damit verbunden schloss der Konzern die Schließung zweier deutscher Werke und betriebsbedingte Entlassungen nicht aus. Dagegen gibt es erbitterten Widerstand vom Betriebsrat und von der IG Metall.

Auch vier Bundesländer mit VW-Standorten – Niedersachsen, Sachsen, Hessen und Berlin – kündigten kürzlich an, gemeinsam daran zu arbeiten, dass der kriselnde Autobauer keine Standorte schließt. Der vollumfängliche Erhalt aller Standorte sei das erste Ziel der Wirtschaftsminister dieser Länder, heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier vom 10. Oktober.

Die VW-Mitarbeiter in Deutschland sind aufgrund der Ankündigung zu Einsparungen und der Aufkündigung der seit Jahrzehnten geltenden Beschäftigungssicherung mit den Gewerkschaften in Deutschland verunsichert. Sie galt eigentlich bis 2029, nun endet sie bereits 2025.

Große Unsicherheit in VW-Stadt Wolfsburg

Besonders in der VW-Stadt Wolfsburg macht sich das bemerkbar. Hier arbeitet fast jeder für Volkswagen oder hat Verwandte oder Bekannte, die für den Autokonzern arbeiten.

Insgesamt sind es mehr als 60.000 Menschen, die in der Stadt mit rund 120.000 Einwohnern für VW arbeiten.

Von dem hohen Lohnniveau der Angestellten und der lukrativen Unternehmenssteuer von VW profitierte die Stadt seit Jahrzehnten und auch die dortigen Geschäfte und Gastronomie.

Jetzt befürchten die Einwohner einen Niedergang der erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Industriestandort angelegten Stadt.

Man spüre die große Unsicherheit vor Ort, so die in Wolfsburg ansässige Immobilienmaklerin Kristin Rößer gegenüber der „Deutschen Welle“ (DW).

Es riefen VW-Arbeiter bei ihr an, entschlossen, ihre Häuser zu „verkaufen, bevor sie an Wert verlieren“.

Andere Kunden hätten ihre Kaufverträge auf den letzten Drücker storniert. „Die Leute zögern, ein neues Haus zu kaufen, und wollen ihr Geld zusammenhalten, bis sie wissen, was VW entscheidet“, gibt DW Rößer wieder.

Die Marke Volkswagen beschäftigt in Deutschland etwa 120.000 Menschen, davon mehr als 100.000 in Niedersachsen. Das Land Niedersachsen hält zudem 20 Prozent der Stimmrechte im VW-Konzern.

Betriebsrat plant Infoveranstaltungen an allen VW-Standorten

Auch in Baunatal bei Kassel, dem zweitgrößten Produktionsstandort von VW in Deutschland, mit rund 15.500 Beschäftigten zeigt sich die Arbeiterschaft ebenfalls besorgt, wie HNA berichtet.

Am Montag, 28. Oktober, soll in Baunatal ein erster Zwischenstand zu den laufenden regulären Tarifverhandlungen zwischen Vorstand und IG Metall mitgeteilt werden.

Die nicht öffentliche Informationsveranstaltung des Betriebsrates soll unter dem Motto „Es ist kurz vor 12“ vor dem Haupttor des Werkes stattfinden.

Auch an den anderen VW-Standorten sind aufgrund der Verunsicherung der Arbeiter und der „mangelhaften Informationspolitik des Vorstandes“ Infoveranstaltungen durch die Betriebsräte geplant, heißt es vom Gesamtbetriebsrat.

Versammlungen sind in Wolfsburg, Kassel, Braunschweig, Chemnitz, Dresden, Emden, Hannover, Kassel, Osnabrück, Salzgitter und Zwickau sowie bei den Financial Services in Braunschweig geplant.

Die Veranstaltungen seien geboten, um die Belegschaft über die bisherigen Krisengespräche zwischen Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeberseite ins Bild zu setzen. „Denn immer noch nimmt der Vorstand Werksschließungen, Massenentlassungen und Tarifeinschnitte nicht vom Tisch“, heißt es.

Audi schnitt besonders schwach ab

Der Hintergrund für die Krise sind deutlich weniger Verkäufe im dritten Quartal. In den Monaten Juli bis September lieferte der Konzern weltweit 2,18 Millionen Fahrzeuge aller Konzernmarken aus, 7,1 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, wie die Wolfsburger mitteilten.

Damit fiel der Rückgang noch einmal deutlich stärker aus als im bereits schwachen Vorquartal, als es um 3,8 Prozent nach unten gegangen war.

Besonders schwach schnitt erneut Audi ab. Der Absatz der VW-Tochter brach um 16 Prozent ein. Im Ringen mit BMW und Mercedes um Platz eins der deutschen Premiumhersteller ist Audi damit weit abgeschlagen.

Im dritten Quartal wurden nur 402.600 Fahrzeuge ausgeliefert, die beiden Konkurrenten kamen trotz Rückgängen jeweils auf mehr als 500.000. Die Kernmarke Volkswagen büßte 6,6 Prozent ein. Einzig Skoda und Lamborghini sowie die Lkw-Tochter Traton mit den Marken Volkswagen Nutzfahrzeuge, MAN, Scania und International legten zu.

Porsche kam auf sieben Prozent Minus. Schuld war auch dort vor allem das schwache China-Geschäft, wo die Stuttgarter in den ersten neun Monaten 29 Prozent weniger Sport- und Geländewagen verkauften.

E-Autos kaum gefragt

Einen Dämpfer gab es erneut beim Absatz von Elektroautos. Im dritten Quartal lieferte der Konzern weltweit nur noch 189.400 E-Modelle aus, 9,8 Prozent weniger als im selben Zeitraum 2023. In China legte der bisher schwache E-Auto-Absatz um 5,2 Prozent zu, in Westeuropa ging es dagegen um 11,9 Prozent nach unten.

Der Auftragsbestand bei E-Autos liege in Westeuropa aber unverändert bei rund 170.000 Fahrzeugen, heiß es.

VW hat daher den Preis für den kompakten Elektrowagen ID.3 ab Oktober gesenkt und bietet ihn bis Ende des Jahres zum Aktionspreis von knapp unter 30.000 Euro an. Bisher lag der Einstiegspreis bei fast 37.000 Euro. Erstmals seit dem Ende des Kleinwagens E-Up vor einem Jahr gibt es damit wieder einen Elektro-Volkswagen für unter 30.000 Euro.

VW ist auf einen höheren E-Auto-Anteil angewiesen, um 2025 das strengere CO₂-Flottenziel der EU zu erreichen. Andernfalls drohen hohe Strafzahlungen.

Der Konzern hatte Ende September bereits seine Absatzprognose für das Gesamtjahr nach unten korrigiert. Statt eines Anstiegs der Auslieferungen um bis zu 3 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 9,2 Millionen Fahrzeugen rechnen die Wolfsburger nun nur noch mit rund 9 Millionen Verkäufen.

Neue staatliche Kaufanreize sollen Nachfrage ankurbeln

Der abrupte Wegfall der E-Auto-Prämie im vergangenen Jahr hatte die Nachfrage nach Batterieautos in Deutschland einbrechen lassen. Für VW bedeutet das, dass seine Werke nicht ausgelastet sind.

Die Wirtschaftsminister der vier Bundesländer mit VW-Werken werben deshalb auch für neue Kaufanreize, die der deutschen Autoindustrie wieder Schwung verleihen sollen. Konkret ist von einem Absatzförderprogramm die Rede, „das zuvorderst der heimischen Automobilindustrie zugutekommt und gleichzeitig Mitnahmeeffekte und soziale Ungerechtigkeiten ausschließt“.

„Der Stopp der Kaufprämie für E-Autos war falsch und hat in einer Lage, in der viele Menschen ihr Konsumverhalten sowieso schon hinterfragen, für noch mehr Zurückhaltung gesorgt“, kritisierte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Der Bund solle daher den Umweltbonus schnell wieder einführen. „Kaufprämien waren und sind von starker Bedeutung, um die Verbreitung von Elektroautos und damit die Produktion anzukurbeln.“

Absenkung der CO₂-Flottengrenzwerte

Darüber hinaus fordern die vier Länderminister unter anderem eine schrittweise statt sprunghafte Absenkung der CO₂-Flottengrenzwerte und niedrigere Energiepreise für die Industrie. Auch der Ausbau von E-Ladesäulen und günstiger Ladestrom an öffentlichen Ladepunkten, etwa in Form einer Senkung der darauf anfallenden Steuer, werden gefordert.

Kritik am geplanten Verbrenner-Aus, wie sie etwa von der Union und AfD kommt, weisen die SPD-Minister derweil zurück. Debatten um ein Zurück zum Verbrenner verunsicherten sowohl Käufer als auch Unternehmen und Investoren, schreiben sie.

„Ich habe schon oft gesagt, dass Technologieoffenheit zu Orientierungslosigkeit führt. Und gerade die können wir in dieser Phase und in den nächsten Jahren gar nicht gebrauchen“, sagte Lies.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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