Vorwurf Vetternwirtschaft und Boni: Neue Ermittlungen gegen RBB-Führungsriege

Der „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (RBB) sieht sich seit 2022 mit schweren Vorwürfen der Verschwendung und Vetternwirtschaft konfrontiert, die insbesondere die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger betreffen. Jetzt hat die Berliner Generalstaatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ausgeweitet und nimmt weitere Beschuldigte unter die Lupe.
Nach RBB-Intendantin Patricia Schlesinger wird auch die Leiterin der Intendanz den Sender gehen müssen.
Nachbeben: Immer mehr Skandale müssen nach RBB-Intendantin Patricia Schlesinger aufgearbeitet werden.Foto: Monika Skolimowska/dpa
Von 15. Januar 2025

Der „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (RBB) sieht sich seit 2022 mit Vorwürfen der Verschwendung und Vetternwirtschaft konfrontiert, die insbesondere die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger betreffen. Diese wurde im Rahmen des aufkommenden Skandals im August 2022 ihres Postens als Intendantin des öffentlich-rechtlichen Senders enthoben.

Auf ihre Entlassung hin forderte Schlesinger gerichtlich ein sofortiges und lebenslanges Ruhegeld von rund 18.400 Euro pro Monat. Der RBB erhob Widerklage und will gerichtlich Schadensersatz von der Ex-Intendantin erwirken. Aus der Amtszeit 2016 bis 2022 summierte sich der Schaden für die Rundfunkanstalt, so die Ansicht des Senders, mittlerweile auf weit über 250.000 Euro. Vor Gericht werden 240.000 Euro ins Feld geführt, enthüllte „Business Insider“ im April 2023 und nannte es „Showdown in der RBB-Affäre“.

Nun könnte es wirklich zum Showdown kommen. Heute beginnt der Prozess vor dem Berliner Landgericht, bei dem Schlesinger dieses Ruhegehalt einklagen und der RBB Schadensersatz geltend machen will.

„Goldener Handschlag“ für RBB-Chefredakteur

Unterdessen hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin gegen weitere Beschuldigte Verfahren eingeleitet, so auch gegen den ehemaligen Chefredakteur des Senders, Christoph Singelnstein, dem Beihilfe zu schwerer Untreue vorgeworfen wird. Nach seinem Ausscheiden aus dem RBB zum 1. April 2021 widmete der Sender ihm sogar eine eigene Sendung zum Abschied. Die damalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger bescheinigte ihm, er habe „sich stoisch und ungebrochen eingesetzt für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie“, und dass sie sich sehr freue, dass er dem Sender als Berater verbunden bleibe.

Was die Senderspitze zu der Zeit nicht sagte, war, dass Singelnstein vom RBB dafür zu seinem Ruhegeld in Höhe von 8.700 Euro monatlich zusätzlich einen mit 6.300 Euro dotierten Beratervertrag bekam – für maximal fünf Arbeitstage pro Monat.

Geplant war das bis Ende 2023, so lange wie auch sein ursprünglicher Vertrag als Chefredakteur des RBB lief. Damit hätte Singelnstein bis zu diesem Zeitpunkt Bezüge in Höhe seines ursprünglichen Chefredakteurgehalts bekommen.

Der Landesrechnungshof hatte nach der Berichterstattung und dem damit verbundenen Bekanntwerden von Vorteilsnahmen und Vetternwirtschaft innerhalb der RBB-Führungsriege auch diesen Vertrag geprüft und dafür gesorgt, dass dem ein Riegel vorgeschoben wurde. Unter der Nachfolgerin von Schlesinger, der Interimsintendantin Katrin Vernau, wurden die Überweisungen im Dezember 2022 gestoppt.

Seilschaft von Selbstbedienern: Bonussystem auf dem Prüfstand

Weitere Ermittlungen betreffen ein Bonussystem, durch das die RBB-Führungsriege auf ihr Grundgehalt noch einmal circa 20 Prozent on top bekam. Für Intendantin Schlesinger, unter deren Führung dieses System eingeführt wurde, bedeutete das bis zu 60.000 Euro zusätzlich zu ihrem Grundgehalt von 303.000 Euro.

Allein in der Amtszeit der ehemaligen Intendantin Schlesinger sollen durch dieses Bonussystem Mehrkosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro entstanden und in die Gehaltstüten der Begünstigten rund um Schlesinger geflossen sein.

Der ehemalige Chefredakteur Singelnstein steht auch in Bezug auf dieses Bonussystem nicht nur als Nutznießer im Fokus. Er soll als Teil der Geschäftsleitung an der Einführung desselben mitgewirkt haben. Nicht nur gegen Singelnstein, auch gegen die ehemaligen Direktoren Jan Schulte-Kellinghaus (Programm) und Christoph Augenstein (Produktion) ermittelt die Staatsanwaltschaft in Bezug auf das Bonussystem und Beihilfe zur Untreue.

Abfindungen, Sonderdeals und geheime Mails

Nach öffentlichem Druck traten Schlesinger und mehrere Führungspersonen zurück, darunter Jan Schulte-Kellinghaus. Dieser erhielt inmitten des Skandals um Misswirtschaft und finanzielle Verfehlungen nach seinem Ausscheiden eine Abfindung von mehr als 400.000 Euro. Die Höhe dieser Zahlung steht ebenfalls in der Kritik und wird jetzt im Rahmen der Ermittlungen beleuchtet.

„Business Insider“ hatte den Dienstvertrag des RBB-Direktors und damit dessen Konditionen öffentlich gemacht, der dem Programmchef wie auch den anderen Direktoren ab dem ersten Tag beim RBB ein lebenslanges Ruhegeld garantierte. Im Fall Schulte-Kellinghaus wären das knapp 10.000 Euro im Monat bis zum Ende seines Lebens gewesen.

Außerdem wurden E-Mails bekannt, in denen Schulte-Kellinghaus Personalvorschläge von seinem privaten Account an Patricia Schlesinger machte, wodurch der Eindruck von Vetternwirtschaft entstand. So schlug er beispielsweise vor, den Ehemann der Berliner Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne), Oliver Jarasch, zum kommissarischen Leiter einer neuen Hauptabteilung zu ernennen, weil damit eine Ausschreibung möglicherweise umgangen werden konnte.

Auch Produktionsdirektor Augenstein im Fokus

Eine außerordentliche Kündigung im Rahmen des Skandals hatte der RBB auch gegen Produktions- und Betriebsdirektor Augenstein ausgesprochen. Dieser klagte gegen die Kündigung und forderte eine Abfindung sowie Ruhegeldzahlungen. Der RBB musste Augenstein sein Gehalt bis zum regulären Vertragsende im August 2023 nachzahlen – rund 100.000 Euro. Hinzu kommen Ruhegeldzahlungen von monatlich 8.900 Euro bis zum Renteneintritt im Jahr 2030 – insgesamt rund 750.000 Euro, rechnete „Bild“ zusammen. Die Schadensersatzforderungen von Augenstein in Höhe von 455.000 Euro wurden durch das Gericht allerdings abgewiesen.

Zu den Gründen der fristlosen Kündigung hieß es, er habe es „pflichtwidrig unterlassen, über Kostensteigerungen beim damals geplanten Digitalen Medienhaus des RBB aufzuklären“, berichtete der „Deutschlandfunk“. Außerdem habe er sich nicht dienstlich veranlasste Reisekosten gewähren lassen sowie eine Zulage für den ARD-Vorsitz bekommen.

ARD-Zulage rechtswidrig?

Auch diese monatliche ARD-Zulage von 1.700 Euro für Führungskräfte des RBB soll jetzt im Rahmen der aktuellen Ermittlungen untersucht werden. Die Zulage wurde mit angeblicher Mehrarbeit während der ARD-Vorsitzphase des RBB begründet. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft prüft, ob die Zulagen ohne ausreichende Grundlage gewährt wurden und ob tatsächlich ein entsprechender Mehraufwand vorlag.

„Besonders pikant“ nennt der „Berliner Kurier“, dass diese Zahlungen für angebliche Mehrarbeit bereits Monate vor der eigentlichen Übernahme des ARD-Vorsitzes durch den RBB im Jahr 2022 flossen, „und das ohne jede rechtliche Grundlage“. Laut den Arbeitsverträgen der Direktoren waren mit den außertariflichen Gehaltszahlungen „alle Tätigkeiten für den Sender und Aufsichtsratsfunktionen abgegolten“ und die Sonderzahlungen somit unrechtmäßig, schreibt der RBB selbst im Nachgang.

Der BZ zufolge summierten sich die Zusatzzahlungen an die vier Ex-Direktoren und die Intendanzleiterin auf 122.400 Euro.

„Zum Schutz der laufenden Ermittlungen“ schweigt die Staatsanwaltschaft in Berlin zu den weiteren Details, berichtet die „Bild“ (hinter Bezahlschranke). Ursprünglich sollte das Verfahren Ende 2024 abgeschlossen werden. Doch Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss in Brandenburg und neue Informationen zu den Sonderauszahlungen hätten die Ermittlungen erweitert und zu einer Verlängerung geführt.



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