Vorwürfe: Lauterbach soll 1995 seinen Lebenslauf „frisiert“ haben

Mehrere Medien erheben Vorwürfe gegen Minister Karl Lauterbach. Dieser soll 1995 nicht verifizierbare Verdienste in seinem Lebenslauf aufgezählt haben.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will Eckpunkte zu der geplanten Krankenhausreform bis zum Sommer vorstellen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach soll in einer Bewerbung aus dem Jahr 1995 nicht verifizierbare Angaben gemacht haben.Foto: Oliver Berg/dpa
Von 13. März 2023

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Archivdokumente, die an die „Welt“ gelangt sind, sollen Unwägbarkeiten in einem 1995 eingereichten Lebenslauf des heutigen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach belegen. Der damals 32-Jährige hatte gerade frisch an der Harvard School of Public Health promoviert. Anschließend bewarb er sich für eine C4-Professur an der Eberhard-Karls-Universität.

Unterlagen zu Projekt in Aachen nicht auffindbar

In diesem Zusammenhang soll er in seinen Lebenslauf Angaben aufgenommen haben, die sich nach Angaben des Blattes nicht verifizieren lassen. Dazu gehört beispielsweise die Darstellung, Lauterbach habe ein Projekt am Tumorzentrum geleitet. Es sei dabei um eine Studie zum Mammakarzinom gegangen. Für dieses Vorhaben habe er zuvor zwei Millionen D-Mark an Fördermitteln eingeworben.

Unterlagen zu einem solchen Projekt sind am Tumorzentrum Aachen, wo dieses stattgefunden haben soll, jedoch nicht mehr vorhanden. Dies gab zumindest dessen ärztliche Leiterin, Angela Spelsberg, an. Spelsberg war die damalige Ehefrau Lauterbachs, die bis heute ein gespanntes persönliches Verhältnis zu ihm aufweist. Dieser Umstand könnte die Gründlichkeit der Suche vor Ort beeinflusst haben. Auf Nachfrage der „Welt“ konnte jedoch auch das Bundesgesundheitsministerium selbst eine solche Studie nicht bestätigen.

Behauptete Förderung in Höhe von zwei Millionen D-Mark

Sowohl Spelsberg als auch das Ministerium bestätigen hingegen, dass es eine Brustkrebsstudie an der RWTH Aachen gegeben habe, die 2002 erschien. Im Jahr 2008 publizierte die Onlinebibliothek „Wiley“ erstmals das bezughabende Periodikum. Die Studie trägt den Titel „Incidence and tumour stages of breast cancer in the region of Aachen, Germany“. Sechs Personen treten dabei als Autoren auf, allerdings nicht Karl Lauterbach.

In seiner damaligen Bewerbung führte Lauterbach unter dem Punkt „Laufende Forschungsprojekte (Drittmittelförderung, Auswahl)“ drei Projekte auf. Eines davon trug den Titel „Qualitätssicherung in der Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms durch das Tumorzentrum Aachen e. V.“. Lauterbach bezeichnete sich als Studienleiter dieses Projekts und schrieb von einer Förderung durch das Bundesgesundheitsministerium in Höhe von zwei Millionen DM.

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache soll Lauterbach der Universität Tübingen auch „einen beträchtlichen Teil“ seiner eingeworbenen Drittmittel in Aussicht gestellt haben. Es könnte sich bei dem genannten Projekt um ein anderes als die von Spelsberg genannte RWTH-Studie gehandelt haben. Allerdings ist der „Welt“ zufolge dem Bundesministerium nichts darüber bekannt und auch im Bundesarchiv sei nichts Entsprechendes dokumentiert.

Tatsächlich war Lauterbach Assistent des Studienleiters

In der Berliner Stadtbibliothek soll es jedoch ein Buch geben, dessen Titel identisch sei mit jenem von Lauterbach in seiner Bewerbung genannten. Es enthalte eine Danksagung an „600 Kollegen, Mitarbeiter und Helfer“. Auch hier taucht Lauterbach jedoch nicht namentlich auf.

Stattdessen habe der damalige Direktor des Instituts für Pathologie der RWTH Aachen, Christian Mittermayer, die Studie geleitet. Dieser konnte sich, so die „Welt am Sonntag“, in einem Telefongespräch mit dem Blatt an Lauterbach noch „gut erinnern“. In Bezug auf dessen Bewerbung wolle er allerdings Stillschweigen bewahren – zudem ihm dazu „geraten“ worden sei.

Im Jahr 1996 habe Mittermayer gegenüber dem Dekan der Universität Tübingen angegeben, Lauterbach habe eine halbe Assistentenstelle am Institut für Pathologie innegehabt. Mittermayer sei bemüht gewesen, „der King of Drittmittel“ zu sein. Möglicherweise hatte er dem als Assistenten tätigen Lauterbach Verantwortung in diesem Bereich übertragen.

Unfertige Publikationen bereits im Lebenslauf angeführt

Auch bezüglich einer anderen Angabe in Lauterbachs Lebenslauf soll es Ungereimtheiten geben. Dieser habe demnach die Einwerbung von 100.000 US-Dollar für eine weitere Studie für sich in Anspruch genommen. Diese habe die Robert Wood Johnson Foundation in Princeton, USA, beigesteuert. Das Thema der geförderten Arbeit lautete: „Cost-Containment and the Diffusion of new Technology in Health Care”.

Diesbezüglich bestritt Studienleiter Alan B. Cohen eine Beteiligung Lauterbachs an der Mittelbeschaffung. Stattdessen habe dieser an der Konzeption und Analyse der Projektphasen mitgewirkt.

Außerdem soll Lauterbach eine 20.000-DM-Förderung der Robert Bosch Stiftung für sein Buch „Ethik und Ökonomie im Gesundheitssystem“ angeführt haben. Eine solche sei jedoch nicht geflossen, weil das Buch noch nicht fertiggestellt war. Ähnliches soll auch für andere im Lebenslauf bereits genannte Publikationen gegolten haben.

Ein Sprecher des Bundesministers lehnte auf Anfrage der „Welt“ eine Stellungnahme zu den Behauptungen ab. Sein Sprecher Hanno Kautz erklärte auf eine detaillierte Anfrage des Blattes hin:

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass nach mehr als einem viertel Jahrhundert die Details zu den von Ihnen erwähnten Studien nicht rekonstruiert werden können.“

Ein Gespräch mit dem Minister in dieser Sache könne man nicht ermöglichen, hieß es weiter.

Lauterbach lehnte die Offerte am Ende ab und ging nach Köln

Das Uniklinikum sei fest entschlossen gewesen, Lauterbach nach Tübingen zu holen, weil man von seinen fachlichen Fähigkeiten überzeugt gewesen sei. Wohl auch deshalb dürfte die Berufungskommission nicht alle Angaben im Detail nachgeprüft haben.

Besondere Pikanterie: Nach längeren Verhandlungen beschloss die Universitätsleitung im Oktober 1997 einstimmig, Lauterbach den begehrten Posten anzubieten. Dieser hatte sich jedoch auch in Greifswald beworben und auch von dort eine Offerte erhalten. Am Ende entschied sich der spätere Bundesgesundheitsminister im April 1998, keines der Angebote wahrzunehmen. Er bewarb sich stattdessen – ebenfalls erfolgreich – um eine Position an der Universität Köln.



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