Vorsitzende des Landesschulbeirates: „Für mich ist das Thema Corona durch“

Massiv waren Schulkinder in Brandenburg von den Corona-Maßnahmen der Landesregierung betroffen. Die langjährig Vorsitzende des höchsten bildungspolitischen Mitwirkungsgremiums konnte sich jedoch anscheinend nicht erinnern, welche Diskussionen es im Landesschulbeirat dazu gab. „Das ist schon sehr merkwürdig“, so ein Ausschussmitglied.
Titelbild
Vernehmung der Zeugin Ines Mülhens-Hackbarth, Vorsitzende des Landesschulbeirates sowie Sprecherin für den Landesrat der Lehrkräfte, am 16.02.2024.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 22. Februar 2024

Im brandenburgischen Landtag wurde am Freitag, 16. Februar, als Zeugin im bundesweit einzigen Corona-Untersuchungsausschuss Ines Mülhens-Hackbarth, Vorsitzende des Landesschulbeirates sowie Sprecherin für den Landesrat der Lehrkräfte, befragt.

Im Fokus standen die Positionen der beiden Gremien zu den Corona-Maßnahmen der Landes- und Bundesregierung zwischen September 2020 und November 2022 und inwiefern auf die Corona-Politik des Landesbildungsministeriums Einfluss genommen wurde.

Der Landesschulbeirat setzt sich aus den Vertretern des Landeselternrates, des Landesrates der Schüler und des Landesrates der Lehrkräfte sowie bis zu 17 benannten Mitgliedern aus gesellschaftlichen Institutionen oder Organisationen – wie Kirche, Gewerkschaften, Verbände – zusammen.

Als höchstes bildungspolitisches Mitwirkungsgremium berät der Landesschulbeirat gemeinsam mit dem Bildungsministerium über schulische Fragen und beschließt dazu. Seine Beschlüsse haben allerdings keine bindende Wirkung für das Ministerium, wie Mülhens-Hackbarth während der Befragung verdeutlichte. Es gibt nur ein Anhörungsrecht, so die als Grundschulleiterin tätige ehrenamtliche Vorsitzende.

„Das weiß ich nicht mehr“

Acht bis elfmal träfe sich der Beirat durchschnittlich im Jahr und hätte im Blick zu haben, dass alle Kinder im Land „gut Schule machen können“, erklärte Mülhens-Hackbarth.

Beim Hauptthema, den Corona-Maßnahmen an Schulen, schien sie sich an vieles nicht zu erinnern. Die Ausschussmitglieder zeigten sich sichtlich irritiert, dass sie auf den Großteil ihrer Fragen Antworten wie „Das weiß ich nicht mehr“ oder „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern“ erhielten.

Sie sagte, sie wüsste nicht, ob die umstrittene Corona-Impfkampagne der Landesregierung mit den Impfbussen an den Schulen Thema im Beirat war, nur dass es außerhalb des Beirats Diskussionen dazu gab.

Die damalige brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) hatte im Sommer 2021 in einem Schreiben für die COVID-Impfung bei gesunden Schulkindern zwischen zwölf und 17 Jahren geworben.

Das Schreiben ging vier Tage, nachdem unter politischem Druck die STIKO dazu eine Empfehlung gegeben hatte, an alle brandenburgischen Haushalte mit schulpflichtigen Kindern. Bereits vor der STIKO-Empfehlung sprach sich Ernst, Ehefrau von Kanzler Olaf Scholz, für eine COVID-Impfung bei Schulkindern aus.

17.11.2023. Befragt wurde Britta Ernst (r.), die Ehefrau von Bundeskanzler Olaf Scholz und ehemalige Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg. Zeugenbeistand war Dr. Heide Sandkuhl. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Impfen macht Schule“

Alle weiterführenden Schulen Brandenburgs erhielten damals vom Bildungsministerium Informationsmaterial zum Impfen für zwölf- bis 17-jährige Schüler. Unter dem Motto „Impfen macht Schule“ wurden rund 125.000 Impfflyer und circa 3.000 Plakate versandt.

Auch wie sich der Landeschulbeirat zum Distanzlernen zu Hause positionierte, konnte sie nicht sagen. Zum Thema des umstrittenen Lüftens von Räumen und Fluren wusste sie nicht, ob es überhaupt Diskussionsthema im Beirat war.

Für mich ist das Thema Corona durch und deshalb ist das alles in meinem Kopf gelöscht“, so die langjährige Vorsitzende, die nicht sagen konnte, wie lange sie schon Vorsitzende des Beirats ist.

Schulkinder waren einschneidend von Corona-Maßnahmen betroffen. Foto: iStock

CDU-Politiker hält Aussagen für unglaubwürdig

Für das Ausschussmitglied Saskia Ludwig (CDU) wirkte das Auftreten Mülhens-Hackbarths unglaubwürdig. Die Corona-Pandemie sei ein einschneidendes Erlebnis für alle gewesen, erst recht für die Schüler. „Dass der Landesschulbeirat beziehungsweise die Vorsitzende sich nicht an die Diskussionen erinnern kann und immer wieder auf Protokolle verweist, die uns nicht vorliegen, ist hochproblematisch.“

Mülhens-Hackbarth sagte, sie erinnere sich jedoch, dass es keine Lehrer und Eltern gab, die auf sie zugekommen seien, um sich über Corona-Maßnahmen an den Schulen zu beschweren. Auch war ihr nicht bekannt, dass Eltern den Beirat kontaktierten, um sich eine Corona-Impfung für ihr Schulkind zu wünschen.

Für die CDU-Abgeordnete Ludwig eine wichtige Auffälligkeit, denn die ehemalige Bildungsministerin Ernst erklärte im Ausschuss, dass sich viele Eltern mit dem Wunsch zu einer COVID-Impfung für ihre Schulkinder an sie wandten und danach gefragt hätten. „Das wurde heute nicht durch den Landesschulbeirat bestätigt“, so Ludwig.

Saskia Ludwig, CDU-Abgeordnete des Landtages Brandenburg bei einer von ihr organisierten Veranstaltung zur Corona-Aufarbeitung im Landhaus Adlon in Potsdam. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Mit so wenig konkreten Antworten habe die Politikerin nicht gerechnet, erklärte sie nach der Sitzung gegenüber Epoch Times. Sie ginge davon aus, dass der Beirat auch eine Vertretung von Schülerinteressen sei und erwartete deutliche Aussagen von der Vorsitzenden im Sinne der Schüler.

Ein Ausschussmitglied fragte die Beiratsvorsitzende zu Gutachten, die von einer Zunahme an psychologischen Problemen bei Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Maßnahmen berichteten. Angespannt wirkend konnte Mülhens-Hackbarth nicht sagen, ob der Landesschulbeirat bei seinen Beschlüssen solche berücksichtige.

Thema war es, aber an Genaueres kann ich mich nicht mehr erinnern.“

Beirat verzichtet auf das Anhörungsrecht

Im Gegensatz dazu konnte Mülhens-Hackbarth detailliert schildern, wie der Beirat sich erfolgreich einsetzte, dass sich Kinder auch zu Hause testen durften.

Sie berichtete, dass man als Beirat schon einmal übergangen worden wäre. Aber wenn die Mitglieder das gemerkt hätten, hätten sie „rebelliert“, so die Lehrerin. Ein Beispiel, das sie nannte, bei dem dies geschehen sei, hatte nicht mit den Corona-Maßnahmen zu tun.

Bei manchen Themen habe man gegenüber dem Bildungsministerium auch auf das Anhörungsrecht verzichtet, so Mülhens-Hackbarth. Sie konnte keine konkreten Aussagen machen, wann das der Fall war. Allerdings wurde sie von der damaligen Bildungsministerin Ernst als Vorsitzende des Landesschulbeirates mehrfach direkt angerufen.

Was in diesen Telefonaten Thema war oder worüber gesprochen wurde, dazu haben wir heute keine Kenntnis erlangt“, so das Ausschussmitglied Ludwig nach der Sitzung.

Auf die Frage, wie sie die Corona-Maßnahmen der Landesregierung in Bezug auf die Schulen bewerte, erklärte Mülhens-Hackbarth, dass sie es schwer finde, diese abschließend zu beurteilen. Man merke ja oft im Nachhinein, dass man etwas hätte besser machen können.

Auf die Maskenpflicht bei den Kindern angesprochen, erklärte die Lehrerin, dass ihr Argumente gegen die Maskenpflicht nicht einfallen würden. Sie sagte, sie erinnerte sich noch, dass man das Thema diskutiert hätte und es unterschiedliche Meinungsbilder gab. Aber ob Beschlüsse gefasst wurden und wenn ja, welche, das konnte sie nicht sagen.

Ein Kind mit Mund-Nasen-Bedeckung im Unterrichtszimmer. Foto: iStock

Die sogenannte SARS-CoV-2-Umgangsverordnung Brandenburgs sah mehrfach eine generelle Maskenpflicht für alle Schüler und Lehrer auf dem gesamten Schulgelände vor. Für den Sport und bei über vierstündigen Klausuren gab es Ausnahmen.

Zeitweise musste täglich an den Schulen getestet werden

Schulöffnungen während der Corona-Lockdowns und dass andere Länder ihre Schulen früher geöffnet hätten als Brandenburg, sei nie Thema im Landesschulbeirat gewesen, erklärte Mülhens-Hackbarth. „Wir haben nie auf andere Länder geschaut.“

Bei den Beschlüssen des Landesschulbeirates würde es immer um die Interessen des Schulkindes gehen. Das Kind stünde immer im Mittelpunkt, so die Vorsitzende.

Auf Weisung vom brandenburgischen Gesundheitsministerium waren während des ersten Lockdowns sämtliche Schulen ab dem 18. März 2020 geschlossen. Zum 11. Mai 2020 waren noch rund 48 Prozent der Schüler vom Schulbesuch ausgeschlossen. Am 25. Mai 2020 wurde auch für die letzten Klassenstufen – 1. bis 4. Klasse – der Schulbesuch wieder zugelassen. Mitte Dezember 2020 gab es einen erneuten Lockdown. Die Präsenzpflicht an Brandenburgs Schulen wurde wieder ausgesetzt.

Ein Schüler mit einem Corona-Schnelltest an einer Berliner Grundschule. Foto: Christoph Soeder/dpa/dpa

Zu Jahresbeginn 2021 wurden fast alle Schüler im Distanzunterricht unterrichtet. Nur für Abschlussklassen gab es Ausnahmen. Am 22. Februar 2022 gab es dann zunächst wieder Unterricht an den Grundschulen. Später wurde das auch auf die anderen Klassenstufen ausgeweitet. Mehrfach wurde nochmals die Präsenzpflicht aufgehoben oder Distanzunterricht angeordnet. Ab dem 7. März 2022 galt wieder für alle Schulstufen eine Präsenzpflicht für den Unterricht. Voraussetzung war: Jeder Schüler sowie alle an der Schule Beschäftigten mussten dreimal pro Woche einen negativen Corona-Test nachweisen. Vollständig Geimpfte und Genesene waren von der Testpflicht befreit.

Vom 15. April 2021 bis zum 30. April 2022 gab es in Brandenburg eine Corona-Testpflicht an Schulen. Zeitweise musste täglich getestet werden.

Landespolitikerin: „Habe gefühlt 100 Mal gehört: ‚Ich kann mich nicht erinnern‘“

Christine Wernicke (BVB/Freie Wähler) zeigte sich „sehr überrascht“, wie wenig Mülhens-Hackbarth zu den Positionen des Landesschulbeirates zu den Corona-Maßnahmen sagen konnte. „Ich habe gefühlt 100 Mal gehört: ‚Ich kann mich nicht erinnern‘.“ Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen für die Schüler seien etwas ganz Einschneidens gewesen. Da sollte man sich doch auch gut an die Zeit erinnern können, so die Abgeordnete nach der Sitzung.

Dass jemand so viele Fragen nicht beantworten konnte, sei bei noch keinem Zeugen vorgekommen. „Das ist schon sehr merkwürdig“, so Wernicke.

Der Corona-Untersuchungsausschuss am Brandenburger Landtag. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Die Ausschussmitglieder ihrer Fraktion werden noch Beweisbeschlüsse stellen. Zum Zwischenbericht wird ihre Fraktion „auf alle Fälle“ ein Sondervotum schreiben, „mit unserer Sicht auf die Antworten aus dem Untersuchungsausschuss“. In der neuen Legislaturperiode wird es dann mit dem Corona-Untersuchungsausschuss weitergehen, kündigte Wernicke an.

Der brandenburgische Corona-Ausschuss kam auf Initiative der AfD-Landtagsfraktion zustande.



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