Vor zweiter Impfung: 24 Corona-infizierte Heimbewohner sterben in Saarland und NRW

Sowohl in NRW als auch im Saarland ist es in Altenheimen zu Todesfällen unter Bewohnern gekommen, die bereits ihre erste Impfung gegen Corona erhalten hatten. In beiden Fällen wurden bei den Betroffenen Infektionen mit der britischen Mutation B 1.1.7 diagnostiziert.
Von 6. Februar 2021

Am Sonntag (31.1.) hat der „WDR“ über 13 Todesfälle in einem Altenheim der AWO in Leverkusen-Rheindorf berichtet, die angeblich mit Infektionen mit der britischen mutierten Corona-Variante B 1.1.7 in Verbindung stehen.

Die Todesfälle ereigneten sich, obwohl die Impfung mit dem Corona-Impfstoff im Heim bereits begonnen hatten. Auch in Saarbrücken sind lokalen Medienberichten zufolge elf Corona-infizierte Heimbewohner verstorben, bevor ihnen die Zweitimpfung verabreicht werden konnte.

Neben Saarland und NRW auch Pflegeheime anderer Länder betroffen

Im hessischen Solms ist es zudem zwei Wochen nach der Erstimpfung in einem Seniorenheim zu einem Corona-Ausbruch gekommen, wobei sich 51 Personen infiziert haben sollen. Todesfälle sind in diesem Zusammenhang offenbar jedoch keine aufgetreten. In Saarbrücken sollen sich zuvor 53 der 86 Heimbewohner und 22 Mitarbeiter angesteckt haben.

In Rheindorf gab es Angaben der Stadt zufolge den ersten festgestellten Fall einer Corona-Infektion mit der britischen Variante am 28. Dezember, zwei Tage später fand der erste Durchgang der Schutzimpfung mit 150 Teilnehmern aus den Reihen der Bewohner und Mitarbeiter statt. Am 20. Januar wurde 110 Personen die Zweitimpfung verabreicht, nicht allerdings jenen 40 Personen, bei denen zuvor Corona diagnostiziert wurde. Unter diesen befanden sich auch die 13 später Verstorbenen.

Fälle, in denen Corona-Ausbrüche zu Toten in Pflegeheimen beitrugen, obwohl die Impfkampagne bereits begonnen hatte, gab es unter anderem noch in Miesbach (Bayern), im baden-württembergischen Uhldingen-Mühlhofen und in Dessau (Sachsen-Anhalt), wo die Ansteckung offenbar nach der Erstimpfung erfolgt war. In Weyhe (Niedersachsen) trat ein Todesfall nach einer Impfung auf, ohne dass es zuvor zu einer Corona-Infektion gekommen war.

Corona brach aus, bevor Impfschutz greifen konnte

Das Gesundheitsamt Leverkusen machte im Zusammenhang mit den Corona-Todesfällen darauf aufmerksam, dass ein vollständig wirksamer Schutz durch die Impfung erst etwa 14 Tage nach der Zweitimpfung eintrete. Bereits infizierte Personen werden nicht geimpft, weil bestehende akute Erkrankungen als Kontraindikation gelten.

Im Fall der elf am 31. Dezember erstgeimpften und später verstorbenen, Corona-infizierten Heimbewohner erklärte die Heimleitung gegenüber dem „ZDF“, dass vor dem Impftermin ein Schnelltest durchgeführt worden sei, der jedoch noch keine positiven Ergebnisse hervorgebracht habe.

Vonseiten des Gesundheitsamtes hieß es gegenüber dem Sender:

„Die Tragik lag im Fall von Uhldingen-Mühlhofen nach unserer derzeitigen Einschätzung eher darin, dass das Virus um sich griff, kurz bevor ein Impfschutz aufgebaut werden konnte.“

Mehr als eine Million Impfungen – ca. 1.200 Fälle von Komplikationen

In der Zeit zwischen dem Beginn der bundesweiten Impfkampagne am 27.12. und dem 24.1., bis zu dem die Daten in den Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) eingingen, kam es zu insgesamt 1.232 gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im Zusammenhang mit der Verabreichung der bis dahin zugelassenen Präparate von Pfizer/BioNTech und Moderna.

Bis zum 24.1. meldete das Robert Koch-Institut (RKI) insgesamt 3.404 unerwünschte Reaktionen, wobei im Schnitt 2,8 Reaktionen pro Meldung beschrieben wurden. In 1.211 Fällen betrafen diese den Impfstoff von BioNTech, in 17 Fällen den Impfstoff von Moderna und in vier Fällen wurden keine Angaben über den Impfstoff gemacht. Die beobachteten Nebenwirkungen und die Häufigkeit ihres Auftretens bestätigten im Kern die Erfahrungswerte der klinischen Testphasen vor der Zulassung.

In 69 Fällen verstarben Empfänger der Erstimpfung im Zeitraum zwischen einer Stunde und 18 Tagen nach Verabreichung des Impfstoffs von Pfizer/BioNTech, der Altersdurchschnitt der Betroffenen lag bei 84 Jahren. Im untersuchten Zeitraum wurden dem RKI zufolge 1.070.111 Impfdosen in Deutschland Impfberechtigten verabreicht.

Keine Übersterblichkeit in Zielgruppe

Das PEI geht in keinem der untersuchten Fälle von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Verabreichung der Impfung und dem Ableben aus. Außerdem sei seit Beginn der Impfkampagne keine Übersterblichkeit in der Zielgruppe festzustellen. Das „ZDF“ zitiert ihn mit der Aussage:

„Die Anzahl der nach Covid-19-Impfung gemeldeten Todesfälle ist derzeit nicht höher als die Anzahl der Todesfälle, die auch ohne Impfung in der geimpften Altersgruppe natürlicherweise zu erwarten wären.“

PEI-Chef Klaus Cichutek erklärte am 29. Januar in der Bundespressekonferenz, in den meisten Fällen seien bei den Verstorbenen bereits Grunderkrankungen vorhanden gewesen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit neben dem Alter den Tod begünstigt hätten. Das PEI fordere in allen Fällen, in denen Personen nach Verabreichung der Impfung verstorben wären, den Obduktionsbericht an.

Norwegen mit mittlerweile höheren Hürden bei schwer kranken Patienten

In Norwegen hatten 33 Todesfälle geimpfter Patienten in Pflegeheimen eine öffentliche Debatte ausgelöst, an deren Ende die Regierung einen verpflichtenden Gesundheitscheck für unheilbar kranke und besonders gebrechliche Patienten verordnete.

Wie „Euronews“ berichtete, fiel die Entscheidung der Gesundheitsbehörde auf der Grundlage eines Berichts über die Hintergründe bisheriger Todesfälle. Dieser empfahl eine solche Vorgehensweise bei älteren und sehr gebrechlichen Patienten.

Eine Exzess-Mortalität sei laut der Vorsitzenden des Amtes für öffentliche Gesundheit, Camilla Stoltenberg, auch in Norwegen nicht zu beobachten gewesen:

„Jeden Tag sterben 45 Menschen in Norwegen in medizinischen Einrichtungen. Eine Exzess-Mortalität ist also nicht festzustellen und auch nicht, dass eine solche mit der Impfung zusammenhängt.“

Todesrisiko durch Corona auch bei besonders Gefährdeten deutlich höher

Stoltenberg zufolge könne es jedoch sein, dass bei schwachen gebrechlichen Patienten „die Aufregung, die mit einer Impfung verbunden ist, nicht in Relation zum potenziellen Nutzen“ stehe – vor allem, wenn diese befürchten, die üblichen Nebenwirkungen könnten ihre eigene Situation verschlechtern.

Das Sterberisiko im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung sei allerdings auch im Fall sehr alter, unheilbar kranker und gebrechlicher Personen immer noch deutlich höher als jenes infolge möglicher Nebenwirkungen der Impfung, so der Mediziner.

Aus den Reihen mobiler Impfteams in Baden-Württemberg hieß es gegenüber dem „ZDF“, dass die Impfverträglichkeit der Corona-Impfstoffe bei Pflegeheimbewohnern bis dato eine sehr gute sei.



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