„Sterben auf Raten“: VW-Arbeiter erheben Vorwürfe gegenüber Konzern und Politik

Mit einem Wutbrief wenden sich die befristet angestellten Arbeiter im VW-Werk Zwickau an die Konzernführung und Politik. Sie haben erfahren, dass ihre Stellen 2025 auslaufen. Sie sehen die Entwicklung im Werk beispielhaft für den Niedergang der deutschen Autoindustrie.
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Mitarbeiter des VW-Werks in Zwickau posieren neben einem Golf Variant (l.) und einem ID.3.Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Von 13. Dezember 2024

Volkswagen steckt tief in der Krise. Die Konzernspitze hat angekündigt, Löhne zu kürzen, Werke zu schließen und Tausende Beschäftigte zu entlassen. Die Gewerkschaft IG Metall und der VW-Betriebsrat haben ein Alternativkonzept vorgelegt. Dieses fordert eine Beschäftigungsgarantie für die rund 130.000 Mitarbeiter. Doch auch die vierte Tarifverhandlung bei Volkswagen am Montag brachte keinen Durchbruch.

Für die Mitarbeiter im Werk Zwickau mit befristeten Arbeitsverträgen steht nun fest: Volkswagen plant, bis Ende 2025 alle verbliebenen befristeten Verträge auslaufen zu lassen. Die Führung begründe dies mit dem schleppenden E-Auto-Geschäft.

Nach der Hiobsbotschaft wandten sich die befristet Beschäftigten im Werk am Donnerstag, 12. Dezember, in einem offenen Brief an die Konzernführung und die Bundes- und Landespolitik.

2019: Eine neue Zeitrechnung erwartet

Darin beschreiben sie, wie vor fünf Jahren im Zwickauer Werk „eine neue Ära“ verkündet wurde. Mit einem „gigantischen Event“ wurde am 4. November 2019 unter Anwesenheit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem sächsischen Ministerpräsidenten und dem damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden der Produktionsstart des Elektro-Models ID.3 gefeiert. Es sei damals eine neue „Zeitrechnung bei Volkswagen“ mit der Produktion von 360.000 E-Autos innerhalb von zwei Jahren angekündigt worden.

Die Auftragsbücher hätten sich gefüllt. „Keiner von uns hatte in den Jahren 2020–2022 geahnt, was uns hier am Standort bevorsteht“, heißt es in dem offenen Schreiben. Damals hätte man innerhalb des VW-Vorstandes das Zwickauer Fahrzeugwerk als „Eisbrecher in die E-Mobilität für den gesamten Konzern“ bezeichnet.

Im Frühjahr 2023 änderte sich dies aber schlagartig. „In dieser Zeit haben wir in der Produktion mitbekommen, dass unsere Fahrzeuge nicht mehr genügend Absatz finden.“

„Unsere unbefristeten Kollegen leben in Unsicherheit“

Im Jahr 2024 habe sich aber die Situation noch weiter verschärft, „und auch unsere unbefristeten Kollegen leben und arbeiten in Unsicherheit.“ Das ganze Jahr fühle sich an wie „Sterben auf Raten“, heißt es in dem Schreiben, das die IG Metall verbreitet.

Von dieser Entscheidung, die bis Ende 2025 umgesetzt werden soll, sind rund 1.000 Mitarbeiter betroffen. Sie sind der Rest der ursprünglich insgesamt 2.800 befristeten Arbeiter in Zwickau.

Als Grund wird die anhaltend schwache Nachfrage nach Elektrofahrzeugen genannt, die in Zwickau nach dem Werksumbau im Jahr 2019 exklusiv innerhalb des VW-Konzerns produziert werden. Die Lage sei angespannt, so ein Sprecher des Unternehmens, und eine kurzfristige Verbesserung der Auftragslage sei nicht in Sicht, berichtet die „Freie Presse“.

Im Brief werden Vorwürfe sowohl gegenüber der Konzernführung als auch gegenüber der Politik erhoben: „Die meisten von uns sind am Ende ihrer Vertragslaufzeit vier Jahre hier gewesen. Das schmerzt sehr und wir fühlen uns von Politik und Vorstand im Stich gelassen.“

Von Eisbrecher bis zum Niedergang

Der Politik sei es bis heute nicht gelungen, „mit vernünftig gestalteten Rahmenbedingungen die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um E-Mobilität wirklich attraktiv zu machen“. Der Vorstand spreche seit knapp zwei Jahren davon, dass VW ein „Produktfeuerwerk“ bräuchte. Aber davon sei nichts zu sehen. Die Führung habe es auch nicht geschafft, die Produkte so aufzuwerten, dass diese am Markt gefragt seien. „Wir müssen für dieses Versagen auf ganzer Linie nun bezahlen. Das ist bitter!“

Für die befristeten VW-Arbeiter in Zwickau sei das dortige VW-Werk „vom Eisbrecher in die Elektromobilität zum schillernden Beispiel für den Niedergang der deutschen Automobilindustrie geworden“.

Denn hier gehe es nicht nur um befristete Arbeitsverhältnisse im „einstigen Vorzeigewerk des Konzerns“, heißt es im Brief der VW-Arbeiter, hier gehe es um den wichtigsten Industriezweig Deutschland, der am Abgrund stehe. Weder parteipolitische Interessen dürften im Vordergrund stehen noch ausschließlich dividendenbezogene Unternehmenspolitik. „Es geht um die Zukunft hunderttausender Industriearbeitsplätze in unserem Land. […] Tun Sie endlich etwas!“

Habeck kritisiert VW-Führung

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte seinerseits Kritik gegenüber VW. Der Konzern sollte schnell bezahlbare Elektroautos zur Verfügung stellen. Es müsse Angebote für etwa 20.000 Euro geben, die sich jeder leisten könne, sagte Habeck am Freitag bei einer „Handelsblatt“-Veranstaltung in Berlin. „Ihr heißt Volkswagen und nicht Luxuswagen.“ Deutschland müsse aufpassen, dass nicht chinesische Firmen sowie der US-Konzern Tesla den Zukunftsmarkt dominieren, zitiert die „Welt“ den Kanzlerkandidaten.

Deutschland könne mehr machen, um den Markt anzuschieben, sagte Habeck. Der Grünen-Politiker hatte am Donnerstag ein Ladestromguthaben von 1.000 Euro beim Kauf gebrauchter oder neuer E-Autos vorgeschlagen sowie eine steuerliche Förderung bei kleinen und mittleren Einkommen.



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